Neue Strategien für den Einkauf lebenswichtiger Medikamente

Kurzfassung: Neue Strategien für den Einkauf lebenswichtiger MedikamenteInternationale Hilfsorganisationen sammeln nicht nur Spendengelder ein und verteilen diese an Bedürftige in Katastrophengebieten. Im Kampf ...
[Bayerische Julius-Maximilians-Universität Würzburg - 18.03.2014] Neue Strategien für den Einkauf lebenswichtiger Medikamente
Internationale Hilfsorganisationen sammeln nicht nur Spendengelder ein und verteilen diese an Bedürftige in Katastrophengebieten. Im Kampf gegen weitverbreitete Krankheiten wie Malaria, Kinderlähmung oder Tuberkulose in Entwicklungsländern treten sie inzwischen auch in großem Stil als Einkäufer von Impfstoffen und Medikamenten auf. Welche Strategie sie dabei verfolgen sollten, untersuchen Professor Richard Pibernik und Dr. Alexander Rothkopf in einem neuen Forschungsprojekt am Lehrstuhl für Logistik und quantitative Methoden in der Betriebswirtschaftslehre der Universität Würzburg. Multi-Supplier Sourcing Strategies for Global Health Products lautet der Titel dieses Projekts.
Günstige Preise dank großer Mengen
Sein Hintergrund: In der Vergangenheit wurde, beispielsweise von der Weltgesundheitsorganisation WHO, Geld an Entwicklungsländer vergeben, damit diese Programme zur Bekämpfung diverser Krankheiten finanzieren konnten. Die Länder traten dann selbst in Verhandlungen mit den Herstellern der jeweiligen Medikamente und Impfstoffe, kümmerten sich um die Verteilung und die Vergabe. "Das hat sich in vielen Fällen allerdings als recht ineffektiv erwiesen", sagt Richard Pibernik.
Heute läuft das Verfahren deshalb meistens anders ab: Hilfsorganisationen wie Unicef oder die Stop-TB-Initiative sammeln und bündeln für eine Vielzahl von Ländern den Bedarf an den jeweils benötigten pharmazeutischen Produkten. Anschließend verhandeln sie mit den Herstellern und kümmern sich auch um Lieferung und Verteilung. "Auf diese Weise bekommen sie aufgrund der größeren Bestellmenge einen besseren Preis und können somit bei einer feststehenden Summe, die ihnen zur Verfügung steht, mehr Menschen medizinisch versorgen", schildert Pibernik einen der Vorteile dieser Vorgehensweise.
Die Risiken der Lieferantenwahl
Allerdings ist dieser Weg auch mit einer Reihe von Nachteilen behaftet, die nicht zu vernachlässigen sind: "Die Hilfsorganisationen werden damit zum monopolistischen Abnehmer für Entwicklungsländer und erhalten eine gewaltige Marktmacht, die negative Folgen für aktuelle und zukünftige Hilfsprojekt haben kann, wenn Entscheidungen falsch getroffen werden", sagt Alexander Rothkopf.
Vergibt beispielsweise eine Hilfsorganisation einen Auftrag für einen Impfstoff an einen einzigen Hersteller, weil der ihr den besten Preis garantiert, scheint das auf den ersten Blick sinnvoll zu sein. "Das könnte allerdings zur Folge haben, dass sich andere Anbieter aus diesem Markt zurückziehen", sagt Pibernik. Dann bestünde die Gefahr, dass der eine Hersteller zum Monopolist wird und in Zukunft die Preise nach Belieben diktieren kann.
Anderes Beispiel: Entscheidet der Einkäufer alleine nach dem Preis, müssten häufig die Hersteller von Nachahmerprodukten - sogenannten Generika - zum Zuge kommen. Die können ein Medikament, dessen Patentschutz abgelaufen ist, günstig produzieren, weil sie kein Geld in Forschung und Entwicklung stecken mussten. "Das allerdings gefährdet zukünftige Innovationen, weil es für Firmen keinen Anreiz gibt, Geld in Forschung für Produkte zu investieren, deren Erfolg zudem ungewiss ist", sagt Pibernik.
Und ganz kompliziert wird es, wenn Produkte benötigt werden, die es für Entwicklungsländer bislang noch gar nicht gibt - in der Regel, weil diese Länder nicht dazu in der Lage sind, die jeweiligen Preise zu bezahlen. "In solchen Fällen müssen die Einkäufer darauf achten, dass sich nicht reine Spendengeldmärkte entwickeln, sondern Märkte, die auch von alleine funktionieren", sagt der Wirtschaftswissenschaftler.
Eine Formel für die Wahl der Lieferanten
Nach welchen Kriterien sollte also beispielsweise das Kinderhilfswerk Unicef vorgehen, wenn es die Kinderlähmung ausrotten möchte? Auf einen Hersteller setzen, weil dessen Konkurrenten dafür bekannt sind, dass sie nicht immer pünktlich die bestellten Mengen liefern - was ein Projekt wie die Ausrottung der Kinderlähmung ernsthaft gefährden könnte? Oder doch lieber die Bestellung auf zahlreiche Anbieter verteilen und damit Wettbewerb und Innovation in Schwung bringen?
Das ist der Punkt, an dem die Würzburger Wissenschaftler ins Spiel kommen: "Wir wollen Modelle entwickeln, die einer Organisation in bestimmten Situationen dabei helfen, eine Entscheidung zu treffen", sagt Alexander Rothkopf. Vereinfacht gesagt, handelt es sich dabei um einen Werkzeugkasten, der alle möglichen Parameter berücksichtigt - angefangen bei der zur Verfügung stehenden Menge an Geld über die Zahl der Anbieter, deren Zuverlässigkeit und vielem anderen mehr. Sind alle Parameter gesetzt, ergibt sich eine Empfehlung, welche Strategie die Hilfsorganisation beim Einkauf verfolgen sollte - und das für so unterschiedliche Fälle wie beispielsweise den Kauf von Moskitonetzen oder den Bezug von HIV-Medikamenten.
Erfahrung aus dem privaten Sektor
Auf diesem Gebiet haben Pibernik und Rothkopf langjährige Erfahrung: Sie haben Vergleichbares bereits für den privaten Sektor entwickelt. "Was wir dabei gelernt haben, kann uns jetzt sicherlich helfen. Die ökonomischen Konzepte sollten zumindest übertragbar sein", sagt Alexander Rothkopf. Ziel ihrer Arbeit soll es sein, einen gut funktionierenden Markt von Lieferanten langfristig zu sichern, um das Wohlergehen der Bevölkerung zu verbessern.
In dem Projekt arbeiten die beiden Würzburger mit Kollegen des William-Davidson-Instituts an der Universität Michigan (USA) zusammen - einer der weltweit führenden Forschungseinrichtungen auf dem Gebiet der Logistik, wie Richard Pibernik sagt. Finanziert unter anderem von der Bill
Melinda Gates-Stiftung, suchen dort Wissenschaftler um Professor Prashant Yadav nach neuen Wegen, die dazu beitragen "gut funktionierende globale Märkte für Medikamente, Impfstoffe und andere Medizinprodukte zu entwickeln", wie es auf der Homepage der Einrichtung heißt.

Kontakt
Prof. Dr. Richard Pibernik
T: (0931) 31-86969
richard.pibernik@uni-wuerzburg.de
Dr. Alexander Rothkopf
T: (0931) 31-89038
alexander.rothkopf@uni-wuerzburg.de
Weitere Informationen
Bayerische Julius-Maximilians-Universität Würzburg
Als die Universität 1582 gegründet wurde, nahm sie ihren Betrieb mit einer Theologischen sowie einer Philosophischen Fakultät auf und verfügte bald auch über eine Juristische und Medizinische Fakultät. Im Jahre 1878 gliederte sich ihre Philosophische Fakultät in zwei Sektionen, in einen philosophisch-historischen und einen mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich.Erst 1937 verselbständigte sich die mathematisch-naturwissenschaftliche Sektion zu einer eigenen fünften Fakultät. Als nach dem 2. Weltkrieg die Lehr- und Forschungsarbeit wieder fortgesetzt wurde, blieb es bei dem vorherigen Stand. 1968 wurde die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät in zwei selbständige Abteilungen geteilt, in die Juristische und die Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät. Die Universität besaß nun sechs Fakultäten. Ab 1972 schloß sich mit der Eingliederung der früher eigenständigen Pädagogischen Hochschule die Erziehungswissenschaft als siebte Fakultät an. Infolge der Hochschulreform 1974 wurde die Universität in insgesamt 13 Fakultäten umorganisiert. Die Erziehungswissenschaft wurde 1977 aufgelöst und den restlichen zwölf Fakultäten eingegliedert.Einer der Hauptgründe für die Attraktivität der Würzburger Universität ist zweifellos das auf 12 Fakultäten verteilte breite Fächerspektrum, das nahezu alle traditionellen Gebiete einer alten Universität umfaßt. In ihrer nun über 400jährigen Geschichte zählte sie stets zu den durchschnittlich großen deutschen Universitäten. Zu von Virchows und Röntgens Zeiten lag die Gesamtzahl der Studierenden an der Alma Julia zwischen 700 und 1000 Studenten, noch vor 40 Jahren bei 2500; heute gehört sie mit rund 20.000 Studenten zu den vier großen Universitäten Bayerns. Ihnen stehen 350 Professoren und rund 2700 wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gegenüber.Mit 3.000 Studierenden bilden die Mediziner heute die größte Einzelfakultät. Die Hälfte aller in Würzburg Studierenden gehört jedoch den geisteswissenschaftlichen Bereichen an. Davon zählen 380 zur Katholisch-Theologischen Fakultät, etwas mehr als 520 zur Philosophischen Fakultät I, jeweils rund 3.000 zu den Philosophischen Fakultäten II und III. Bei den Juristen sind über 2.600 Studenten immatrikuliert und bei den Wirtschaftswissenschaftlern rund 2.000. Biologen und Chemiker bringen es jeweils auf rund 1.200 Studierende, die Fakultät für Mathematik und Informatik auf etwas über 1.000, Physiker und Erdwissenschaftler bleiben jeweils unter der 1.000er-Grenze.Die Naturwissenschaften streben räumlich seit den 50er Jahren in die Außenbezirke der Stadt. Die Auslagerung begann mit den Botanikern, die ihre Institute zum Dallenberg verlegten, und setzte sich in den 60er und 70er Jahren mit dem Aufbau der Universität Am Hubland fort. Chemikern und Pharmazeuten, Mineralogen und Kristallstrukturforschern, Physikern und Astronomen stehen heute dort, zusammen mit Mathematikern und Informatikern, hochmoderne Institutsgebäude und leistungsfähige Labors, Seminarräume und Hörsäle zur Verfügung. Während sich die Fachbereiche Philosophie I und III sowie die Juristen und Wirtschaftswissenschaftler noch in der Stadt befinden, teils in der fürstbischöflichen Residenz, teils in der Universität am Sanderring, teils im Stadtgebiet verstreut, ist die Philosophische Fakultät II in einen Neubau Am Hubland ausgewandert.
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