15.04.2014 09:54 Uhr in Kultur & Kunst von Bayerische Julius-Maximilians-Universität Würzburg
Alte Väter und ihre Spermien
Kurzfassung: Alte Väter und ihre SpermienWenn Frauen im Alter ab 35 Jahren schwanger werden, steigt das Risiko, dass ihr Kind mit einer Behinderung zur Welt kommt, etwa mit dem Down-Syndrom. Diese Problematik dü ...
[Bayerische Julius-Maximilians-Universität Würzburg - 15.04.2014] Alte Väter und ihre Spermien
Wenn Frauen im Alter ab 35 Jahren schwanger werden, steigt das Risiko, dass ihr Kind mit einer Behinderung zur Welt kommt, etwa mit dem Down-Syndrom. Diese Problematik dürfte mittlerweile im öffentlichen Bewusstsein verankert sein. Was weniger bekannt ist: "Die Keimzellen der Väter werden mit zunehmendem Alter auch nicht besser", sagt Professor Thomas Haaf, Humangenetiker von der Universität Würzburg. Dass auch ältere Männer "risikolos" Kinder zeugen können, sei ein Mythos, der sich hartnäckig hält.
Die Forschung weiß schon länger um das Problem der "alten Väter". Erst vor kurzem haben Wissenschaftler aus Schweden und den USA im Fachmagazin "JAMA Psychiatry" wieder eine einschlägige Studie veröffentlicht. Ihr zufolge tragen Kinder von älteren Vätern - damit sind Männer ab 45 Jahren gemeint - rein statistisch ein erhöhtes Risiko für ADHS, Autismus und andere psychische Krankheiten. Bekannt ist auch, dass ihr Intelligenzquotient leicht verringert sein kann.
Verdacht liegt auf epigenetischen Veränderungen
"Der epidemiologische Zusammenhang zwischen alten Vätern und einem erhöhten Risiko für bestimmte Krankheiten bei den Kindern ist seit längerem klar. Wir wissen aber nicht, wodurch er zu Stande kommt", sagt Professor Haaf. Allein mit einer altersbedingten Häufung von Gen-Mutationen in den Spermien sei der Effekt nicht zu erklären. Stattdessen geht der Würzburger Humangenetiker - wie auch andere Wissenschaftler - davon aus, dass hier andere Faktoren wichtig sind: Unter Verdacht stehen epigenetische Veränderungen.
Epigenetische Veränderungen sind keine echten Mutationen, denn sie betreffen nicht direkt die Abfolge der DNA-Bausteine. Oft bestehen sie darin, dass kleine Moleküle (Methylgruppen) an die DNA gekoppelt werden und dass die Verpackung der DNA geändert wird. "Das passiert im Lauf des Lebens rein zufällig, aber auch durch Umwelteinflüsse", sagt Haaf. Man vermutet, dass solche Veränderungen am Erbgut durch Tabakrauch und Chemikalien, aber auch durch Stoffwechselkrankheiten wie Diabetes oder starkes Übergewicht entstehen können.
Der Knackpunkt dabei: Die epigenetischen Veränderungen bleiben nicht ohne Folgen; sie verändern die Aktivität einzelner Gene. Werden sie mit einem Spermium an ein Kind weitergegeben, beeinflussen sie durch ihre genregulierende Aktivität womöglich die Entwicklung des Embryos. "Epigenetische Veränderungen in der frühen Entwicklung legen die Grundlagen für die Gesundheit bzw. Krankheit im späteren Leben", erklärt Haaf.
Über 1200 Spermaproben zur Verfügung
Welche Rolle spielen epigenetische Veränderungen in Spermien tatsächlich? Das wollen Professor Haaf und sein Team herausfinden. Die Forscher arbeiten dabei unter anderem mit dem Kinderwunschzentrum Wiesbaden zusammen, das in Deutschland zu den größten Einrichtungen für künstliche Befruchtungen gehört. Ein weiterer Kooperationspartner ist das Centrum für Reproduktionsmedizin und Andrologie in Münster.
Für das Projekt wurden bereits über 1200 Spermaproben von unterschiedlich alten Männern gesammelt. An ihnen werden die Würzburger Forscher zuerst analysieren, welche epigenetischen Veränderungen in Spermien überhaupt vorkommen - denn darüber ist bislang so gut wie nichts bekannt. Außerdem untersuchen sie natürlich, ob die Epigenetik der Spermien mit zunehmendem Alter variiert und ob die Veränderungen sich häufen.
Die Humangenetiker betrachten auch mehrere hundert Proben von Nabelschnurblut, die von den Kindern der Samenspender stammen. So wollen sie klären, ob sich epigenetische Veränderungen von den Vätern auf die nächste Generation übertragen und ob es einen Zusammenhang mit Krankheiten der Kinder gibt. Mit ersten Ergebnissen ist in zwei bis drei Jahren zu rechnen.
Appell an ältere Männer mit Kinderwunsch
Einen Wunsch für die Zukunft hat Professor Haaf schon jetzt: "Es wäre gut, wenn Männer ab 45, die Vater werden wollen, sich darüber informieren, welche Krankheitsrisiken für das Kind mit einem erhöhten Vateralter verbunden sind und welche Vorsorgemaßnahmen es gibt - das ist zum Beispiel eine hochauflösende Ultraschalluntersuchung des Kindes im Mutterleib."
Dabei müsse sich aber jeder klar machen, dass es bei keiner Schwangerschaft eine Garantie für ein gesundes Kind gibt, auch nicht bei jungen Eltern. "Ein hohes Alter des Vaters oder auch der Mutter ist kein Grund, sich gegen ein Kind zu entscheiden", so Haaf, "aber man sollte um die möglichen medizinischen Probleme wissen."
Epigenetische Uhr in Spermien?
Die Würzburger arbeiten bei diesen Forschungen mit dem amerikanischen Humangenetiker Steve Horvath zusammen. "Er hat ein Instrumentarium entwickelt, mit dem man aus dem epigenetischen Muster von Zellen deren Alter und auch das Lebensalter des Menschen bestimmen kann", sagt Haaf. Nun interessieren wir uns dafür, ob sich die "epigenetische Uhr" auch an Spermienzellen ablesen lässt.
Kontakt
Prof. Dr. Thomas Haaf
Institut für Humangenetik
Universität Würzburg
T (0931) 31-88738
thomas.haaf@uni-wuerzburg.de
Wenn Frauen im Alter ab 35 Jahren schwanger werden, steigt das Risiko, dass ihr Kind mit einer Behinderung zur Welt kommt, etwa mit dem Down-Syndrom. Diese Problematik dürfte mittlerweile im öffentlichen Bewusstsein verankert sein. Was weniger bekannt ist: "Die Keimzellen der Väter werden mit zunehmendem Alter auch nicht besser", sagt Professor Thomas Haaf, Humangenetiker von der Universität Würzburg. Dass auch ältere Männer "risikolos" Kinder zeugen können, sei ein Mythos, der sich hartnäckig hält.
Die Forschung weiß schon länger um das Problem der "alten Väter". Erst vor kurzem haben Wissenschaftler aus Schweden und den USA im Fachmagazin "JAMA Psychiatry" wieder eine einschlägige Studie veröffentlicht. Ihr zufolge tragen Kinder von älteren Vätern - damit sind Männer ab 45 Jahren gemeint - rein statistisch ein erhöhtes Risiko für ADHS, Autismus und andere psychische Krankheiten. Bekannt ist auch, dass ihr Intelligenzquotient leicht verringert sein kann.
Verdacht liegt auf epigenetischen Veränderungen
"Der epidemiologische Zusammenhang zwischen alten Vätern und einem erhöhten Risiko für bestimmte Krankheiten bei den Kindern ist seit längerem klar. Wir wissen aber nicht, wodurch er zu Stande kommt", sagt Professor Haaf. Allein mit einer altersbedingten Häufung von Gen-Mutationen in den Spermien sei der Effekt nicht zu erklären. Stattdessen geht der Würzburger Humangenetiker - wie auch andere Wissenschaftler - davon aus, dass hier andere Faktoren wichtig sind: Unter Verdacht stehen epigenetische Veränderungen.
Epigenetische Veränderungen sind keine echten Mutationen, denn sie betreffen nicht direkt die Abfolge der DNA-Bausteine. Oft bestehen sie darin, dass kleine Moleküle (Methylgruppen) an die DNA gekoppelt werden und dass die Verpackung der DNA geändert wird. "Das passiert im Lauf des Lebens rein zufällig, aber auch durch Umwelteinflüsse", sagt Haaf. Man vermutet, dass solche Veränderungen am Erbgut durch Tabakrauch und Chemikalien, aber auch durch Stoffwechselkrankheiten wie Diabetes oder starkes Übergewicht entstehen können.
Der Knackpunkt dabei: Die epigenetischen Veränderungen bleiben nicht ohne Folgen; sie verändern die Aktivität einzelner Gene. Werden sie mit einem Spermium an ein Kind weitergegeben, beeinflussen sie durch ihre genregulierende Aktivität womöglich die Entwicklung des Embryos. "Epigenetische Veränderungen in der frühen Entwicklung legen die Grundlagen für die Gesundheit bzw. Krankheit im späteren Leben", erklärt Haaf.
Über 1200 Spermaproben zur Verfügung
Welche Rolle spielen epigenetische Veränderungen in Spermien tatsächlich? Das wollen Professor Haaf und sein Team herausfinden. Die Forscher arbeiten dabei unter anderem mit dem Kinderwunschzentrum Wiesbaden zusammen, das in Deutschland zu den größten Einrichtungen für künstliche Befruchtungen gehört. Ein weiterer Kooperationspartner ist das Centrum für Reproduktionsmedizin und Andrologie in Münster.
Für das Projekt wurden bereits über 1200 Spermaproben von unterschiedlich alten Männern gesammelt. An ihnen werden die Würzburger Forscher zuerst analysieren, welche epigenetischen Veränderungen in Spermien überhaupt vorkommen - denn darüber ist bislang so gut wie nichts bekannt. Außerdem untersuchen sie natürlich, ob die Epigenetik der Spermien mit zunehmendem Alter variiert und ob die Veränderungen sich häufen.
Die Humangenetiker betrachten auch mehrere hundert Proben von Nabelschnurblut, die von den Kindern der Samenspender stammen. So wollen sie klären, ob sich epigenetische Veränderungen von den Vätern auf die nächste Generation übertragen und ob es einen Zusammenhang mit Krankheiten der Kinder gibt. Mit ersten Ergebnissen ist in zwei bis drei Jahren zu rechnen.
Appell an ältere Männer mit Kinderwunsch
Einen Wunsch für die Zukunft hat Professor Haaf schon jetzt: "Es wäre gut, wenn Männer ab 45, die Vater werden wollen, sich darüber informieren, welche Krankheitsrisiken für das Kind mit einem erhöhten Vateralter verbunden sind und welche Vorsorgemaßnahmen es gibt - das ist zum Beispiel eine hochauflösende Ultraschalluntersuchung des Kindes im Mutterleib."
Dabei müsse sich aber jeder klar machen, dass es bei keiner Schwangerschaft eine Garantie für ein gesundes Kind gibt, auch nicht bei jungen Eltern. "Ein hohes Alter des Vaters oder auch der Mutter ist kein Grund, sich gegen ein Kind zu entscheiden", so Haaf, "aber man sollte um die möglichen medizinischen Probleme wissen."
Epigenetische Uhr in Spermien?
Die Würzburger arbeiten bei diesen Forschungen mit dem amerikanischen Humangenetiker Steve Horvath zusammen. "Er hat ein Instrumentarium entwickelt, mit dem man aus dem epigenetischen Muster von Zellen deren Alter und auch das Lebensalter des Menschen bestimmen kann", sagt Haaf. Nun interessieren wir uns dafür, ob sich die "epigenetische Uhr" auch an Spermienzellen ablesen lässt.
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Universität Würzburg
T (0931) 31-88738
thomas.haaf@uni-wuerzburg.de
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