Recycling der nächsten Generation

Kurzfassung: Recycling der nächsten GenerationEtwa 70 Milliarden Tonnen Rohstoffe werden jährlich weltweit gewonnen. Das ist doppelt soviel wie Ende der 1970er Jahre. Tendenz weiter steigend - und das bei endlic ...
[Fraunhofer Gesellschaft - 23.04.2014] Recycling der nächsten Generation

Etwa 70 Milliarden Tonnen Rohstoffe werden jährlich weltweit gewonnen. Das ist doppelt soviel wie Ende der 1970er Jahre. Tendenz weiter steigend - und das bei endlichen Ressourcen. Ein Weg, um auch künftig genügend Werkstoffe für neue Waren zur Verfügung zu haben, ist konsequentes Recycling. Im Übermorgen-Projekt Molecular Sorting arbeiten Fraunhofer-Forscher an der Kreislaufwirtschaft der nächsten Generation. Ihre Ergebnisse stellen sie auf der Messe IFAT in München (5. bis 9. Mai) in Halle A5, Stand 219/318 vor.
Etwa 200 Kilogramm Rohstoffe pro Kopf und Tag verbrauchen die Deutschen laut Umweltbundesamt. Damit stehen wir weltweit an der Spitze. Das schadet nicht nur der Umwelt - es ist auch gefährlich für unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit. Als rohstoffarmes Land muss Deutschland auf einen besonders schonenden Umgang mit Ressourcen setzen. Neue und effiziente Recyclingverfahren sind eine Möglichkeit, sich unabhängiger zu machen vom Import teurer und knapper Rohstoffe. Wichtige Grundlagen für das konsequente Wiederverwerten und das Produzieren in Kreisläufen haben Fraunhofer-Experten in dem Übermorgen-Projekt Molecular Sorting for Resource Efficiency gelegt. Auf der der Messe IFAT stellen sie neue Methoden vor, die das Wiederverwerten von Edelmetallen, Seltenen Erden, Glas, Holz, Beton und auch Phosphor ermöglichen.
Recycling 2.0 - perfekt getrennt
Die Trennprozesse erfolgen dabei erstmals auf der kleinsten erforderlichen Stufe, das heißt, wir gehen bis auf die molekulare oder sogar atomare Ebene hinab, erläutert der Koordinator des Projekts, Professor Jörg Woidasky vom Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie ICT in Pfinztal bei Karlsruhe. Ein Beispiel ist die mikrobielle Erzlaugung, die am Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB in Stuttgart zur Anwendungsreife entwickelt wird. Damit lassen sich auch kleine Mengen Edelmetall oder seltenen Erden wiedergewinnen. Die Forscher nutzen Mikroorganismen, um unlösliche Metallverbindungen in Erzen, in Verbrennungsschlacken oder in Althölzern, die mit Metallsalzen getränkt wurden, in wasserlösliche Salze umzuwandeln. Die gelösten Metalle lassen sich anschließend mit speziellen Polymeren binden und so selektiv aus der Lösung entfernen. In einer dritten Stufe werden die Metalle abgetrennt.
Experten vom Fraunhofer-Institut für Silicatforschung ISC in Würzburg arbeiten an einem Verfahren, um aus altem Flachglas hochwertiges, farbstofffreies Glas zu gewinnen. Ultra-Weißglas ermöglicht eine maximale Lichtdurchlässigkeit und wird deshalb etwa in der Photovoltaik, in Glasfaserkabeln, oder Displays eingesetzt. Sind Fremd-atome - wie etwa Eisen - im Glas, sinkt seine Durchlässigkeit. Die Wachstumsdynamik gerade in der Photovoltaik ist so groß, dass weder die natürlichen eisenfreien Rohstoffquellen, noch die Recyclingmenge etwa von ausgedienten PV-Modulen ausreichen, um den Bedarf an hochtransparentem Flachglas der kommenden Jahrzehnte zu decken, sagt Dr. Jürgen Meinhardt vom ISC. Eine alternative Rohstoffquelle könnte konventionelles Flachglas sein. Allerdings ist der Eisengehalt des Glases zu hoch. Die Forscher entwickeln ein Verfahren, mit dem Eisenatome direkt aus der flüssigen rund 1500 Grad Celsius heißen Schmelze herausgeholt werden können.
Altholz intelligent weiter nutzen
In Deutschland steckt das Holzrecycling noch in den Kinderschuhen: Bislang werden nur etwa 33 Prozent der jährlich etwa acht Millionen Tonnen Holzabfälle weitergenutzt. Ein Grund für die geringe Wiederverwertungsquote ist die Altholzverordnung. Sie schreibt vor, dass mit halogenorganischen Verbindungen beschichtetes Material oder mit Holzschutzmitteln behandeltes Holz nicht oder nur sehr eingeschränkt wieder verwendet werden darf. Neue Trenntechniken auf molekularer Ebene sollen hier Abhilfe schaffen, ohne den Vorsorge-Gedanken der Altholzverordnung zu gefährden.
Um Altholz stärker recyceln zu können, muss man vorhandene Schadstoffe erkennen. Dazu setzten Forscher vom Fraunhofer-Institut für Holzforschung - Wilhelm-Klauditz-Institut, WKI in Braunschweig auf verschiedenen Verfahren wie die Nahinfrarotspektroskopie, die Röntgenfluoreszenzanalyse oder die Ionen-Mobilitäts-Spektrometrie. Ist der Schadstoff identifiziert, kann man ihn auch entfernen. Mit organischen Holzschutzmitteln behandeltes Holz lässt sich mit überkritischen Fluiden reinigen. Um Schwermetalle abzutrennen beziehungsweise anzureichern, wollen wir sowohl nasschemische als auch Verbrennungsprozesse und Pyrolyseverfahren anwenden, sagt der Diplom-Physiker Peter Meinlschmidt vom WKI.
Beton wiederverwerten
Jedes Jahr fallen mehrere Millionen Tonnen Bauschutt an. Ein Verfahren zur Wiederverwertung von Beton existiert aber noch nicht. Das wollen Forscher des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik IBP in Holzkirchen ändern. Sie setzen auf die elektrodynamische Fragmentierung, da jagt man ultrakurze Blitze durch den Beton. Mit ihr gelingt es, den Beton in seine Einzelbestandteile - Kies und Zementstein - zu zerlegen. Ein erster entscheidender Schritt in Richtung Recycling von Altbeton.
Germanium und Phosphor wiedergewinnen
Aber nicht nur aus festen Abfällen lassen sich Wertstoffe gewinnen. Auch die Abgase von Müllverbrennungsanlagen enthalten ebenfalls Rohstoffe. Um diese zu anzureichern, entwickeln die Forscher des Fraunhofer-Instituts für Keramische Technologien und Systeme IKTS in Dresden spezielle keramische Filter, an denen bestimmte Inhaltsstoffe im Abgas bei Temperaturen von mehr als 850 C zunächst selektiv abgeschieden und anschließend wiedergewonnen werden - beispielsweise Germanium, Zink und auch Phosphor.
Aber eignen diese entwickelten Methoden auch tatsächlich für ein sich stark verändernden Marktumfeld? Das haben die Molecular-Sorting-Partner in einer Studie untersucht. Ihr Fazit fällt positiv aus. Das Recycling auf atomarer Ebene lässt sich mit hoher Wahrscheinlichkeit künftig sinnvoll anwenden. Nicht nur, wenn es politisch gefördert wird, sondern auch als wirtschaftlich unabhängiges Geschäftsmodell.
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