29.04.2014 15:55 Uhr in Wirtschaft & Finanzen von Bundesgerichtshof BGH
Bundesgerichtshof entscheidet über Schadensersatzklagen wegen fehlerhafter Anlageberatung im Zusammenhang mit offenen Immobilienfonds
Kurzfassung: Bundesgerichtshof entscheidet über Schadensersatzklagen wegen fehlerhafter Anlageberatung im Zusammenhang mit offenen Immobilienfonds Der für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat hat sich heute ...
[Bundesgerichtshof BGH - 29.04.2014] Bundesgerichtshof entscheidet über Schadensersatzklagen wegen fehlerhafter Anlageberatung im Zusammenhang mit offenen Immobilienfonds
Der für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat hat sich heute in zwei Verfahren mit der Haftung einer Bank wegen fehlerhafter Anlageberatung im Zusammenhang mit dem Erwerb von Anteilen an einem offenen Immobilienfonds befasst.
Die klagenden Anlegerinnen erwarben in beiden Verfahren im März 2008 (XI ZR 477/12) bzw. im Juli 2008 (XI ZR 130/13) nach Beratung durch die beklagte Bank jeweils Anteile an einem offenen Immobilienfonds. Die Fondsgesellschaft setzte im Oktober 2008 die Rücknahme der Anteile gemäß 81 InvG a.F.* (nunmehr 257 KAGB**) aus. Die Klägerinnen wurden in beiden Fällen in den Beratungsgesprächen nicht auf das Risiko einer Aussetzung der Anteilsrücknahme hingewiesen. Sie beanspruchen im Wege des Schadensersatzes das investierte Kapital unter Abzug eines erzielten Veräußerungserlöses (XI ZR 477/12) bzw. erhaltener Ausschüttungen (XI ZR 130/13) zurück.
Die Klage ist in der Sache XI ZR 477/12 in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Auf die hiergegen gerichtete Revision hat der XI. Zivilsenat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. In der Sache XI ZR 130/13 ist der Klage erstinstanzlich stattgegeben worden; die Berufung ist zurückgewiesen worden. Die hiergegen gerichtete Revision der beklagten Bank hat der XI. Zivilsenat zurückgewiesen.
Eine Bank, die den Erwerb von Anteilen an einem offenen Immobilienfonds empfiehlt, muss den Anleger ungefragt über das Bestehen der Möglichkeit einer Aussetzung der Anteilsrücknahme durch die Fondsgesellschaft aufklären. Kennzeichnend für regulierte Immobilien-Sondervermögen ist, dass die Anleger gemäß 37 InvG aF*** (nunmehr 187 KAGB****) ihre Fondsanteile grundsätzlich jederzeit liquidieren, d. h. zu einem im Gesetz geregelten Rücknahmepreis an die Kapitalanlagegesellschaft zurückgeben können.
Die in 81 InvG aF geregelte Möglichkeit, die Anteilsrücknahme auszusetzen, stellt dementsprechend ein während der gesamten Investitionsphase bestehendes Liquiditätsrisiko dar, über das der Anleger informiert sein muss, bevor er seine Anlageentscheidung trifft. Ob eine Aussetzung der Anteilsrücknahme zum Zeitpunkt der Beratung vorhersehbar oder fernliegend ist, spielt für die Aufklärungspflicht der Bank keine Rolle.
Anleger können ihre Anteile an einem offenen Immobilienfonds zwar auch während einer Aussetzung der Anteilsrücknahme weiterhin an der Börse veräußern. Dies stellt angesichts der dort möglichen Beeinflussung des Preises durch spekulative Elemente aber kein Äquivalent zu der Möglichkeit dar, die Anteile zu einem gesetzlich geregelten Rücknahmepreis an die Fondsgesellschaft zurück zu geben.
Auf die Frage, ob eine Aussetzung der Anteilsrücknahme den Interessen der Anleger dient, kommt es für die Aufklärungspflicht der Bank nicht an. Die vorübergehende Aussetzung der Anteilsrücknahme soll der Gefahr einer wirtschaftlich nicht sinnvollen Verwertung des Fondsvermögens in einer Krisensituation vorbeugen. Da die Aussetzung jedoch dem Liquiditätsinteresse der Anleger entgegensteht, ist hierüber vor der Anlageentscheidung aufzuklären.
Da das Berufungsgericht in der Sache XI ZR 477/12 zu den Fragen, ob die Klägerin durch eine schriftliche Kundeninformation zeitnah über das Bestehen der Möglichkeit einer Aussetzung der Anteilsrücknahme informiert wurde und ob die zu unterstellende Aufklärungspflichtverletzung der Beklagten für die Anlageentscheidung der Klägerin ursächlich war, keine abschließenden Feststellungen getroffen hat, war das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Urteil vom 29. April 2014 - XI ZR 477/12
LG Chemnitz - Urteil vom 27. Februar 2012 - 7 O 780/11
OLG Dresden - Urteil vom 15. November 2012 - 8 U 512/12
(veröffentlicht: WM 2013, 363)
und
Urteil vom 29. April 2014 - XI ZR 130/13
LG Frankfurt am Main - Urteil vom 7. November 2011 - 2-19 O 170/11
OLG Frankfurt am Main - Urteil vom 13. Februar 2012 - 9 U 131/11
(veröffentlicht: BKR 2013, 290)
Karlsruhe, den 29. April 2014
* 81 InvG a.F. (in der bis zum 7. April 2011 gültigen Fassung)
Verlangt der Anleger, dass ihm gegen Rückgabe des Anteils sein Anteil am Immobilien-Sondervermögen ausgezahlt wird, so kann die Kapitalanlagegesellschaft die Rückzahlung bis zum Ablauf einer in den Vertragsbedingungen festzusetzenden Frist verweigern, wenn die Bankguthaben und der Erlös der nach 80 Abs. 1 angelegten Mittel zur Zahlung des Rücknahmepreises und zur Sicherstellung einer ordnungsgemäßen laufenden Bewirtschaftung nicht ausreichen oder nicht sogleich zur Verfügung stehen. Reichen nach Ablauf dieser Frist die nach 80 Abs. 1 angelegten Mittel nicht aus, so sind Vermögensgegenstände des Sondervermögens zu veräußern. Bis zur Veräußerung dieser Vermögensgegenstände zu angemessenen Bedingungen, längstens jedoch ein Jahr nach Vorlage des Anteils zur Rücknahme, kann die Kapitalanlagegesellschaft die Rücknahme verweigern. Die Jahresfrist kann durch die Vertragsbedingungen auf zwei Jahre verlängert werden. Nach Ablauf dieser Frist darf die Kapitalanlagegesellschaft Vermögensgegenstände des Sondervermögens beleihen, wenn das erforderlich ist, um Mittel zur Rücknahme der Anteile zu beschaffen. Sie ist verpflichtet, diese Belastungen durch Veräußerung von Vermögensgegenständen des Sondervermögens oder in sonstiger Weise abzulösen, sobald dies zu angemessenen Bedingungen möglich ist. Belastungen und ihre Ablösung sind der Bundesanstalt unverzüglich anzuzeigen.
** 257 KAGB
(1) Verlangt der Anleger, dass ihm gegen Rückgabe des Anteils sein Anteil am Immobilien-Sondervermögen ausgezahlt wird, so hat die AIF-Kapitalverwaltungs-gesellschaft die Rücknahme der Anteile zu verweigern und auszusetzen, wenn die Bankguthaben und der Erlös der nach 253 Absatz 1 angelegten Mittel zur Zahlung des Rücknahmepreises und zur Sicherstellung einer ordnungsgemäßen laufenden Bewirtschaftung nicht ausreichen oder nicht sogleich zur Verfügung stehen. Zur Beschaffung der für die Rücknahme der Anteile notwendigen Mittel hat die AIF-Kapitalverwaltungsgesellschaft Vermögensgegenstände des Sondervermögens zu angemessenen Bedingungen zu veräußern.
(2) … (4)
*** 37 InvG a.F. (in der bis zum 7. April 2011 gültigen Fassung)
(1) Jeder Anleger kann verlangen, dass ihm gegen Rückgabe des Anteils sein Anteil an dem Sondervermögen aus diesem ausgezahlt wird; die Einzelheiten sind in den Vertragsbedingungen festzulegen.
(2) … (3)
**** 187 KAGB
(1) Die Anleger des übertragenden Sondervermögens und des übernehmenden Sondervermögens oder EU-OGAW haben das Recht, von der Kapitalverwaltungsgesellschaft Folgendes zu verlangen:
1.die Rücknahme ihrer Anteile ohne weitere Kosten, mit Ausnahme der Kosten, die zur Deckung der Auflösungskosten einbehalten werden, oder
2. …
(2) … (3)
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76125 Karlsruhe
Deutschland
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Der für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat hat sich heute in zwei Verfahren mit der Haftung einer Bank wegen fehlerhafter Anlageberatung im Zusammenhang mit dem Erwerb von Anteilen an einem offenen Immobilienfonds befasst.
Die klagenden Anlegerinnen erwarben in beiden Verfahren im März 2008 (XI ZR 477/12) bzw. im Juli 2008 (XI ZR 130/13) nach Beratung durch die beklagte Bank jeweils Anteile an einem offenen Immobilienfonds. Die Fondsgesellschaft setzte im Oktober 2008 die Rücknahme der Anteile gemäß 81 InvG a.F.* (nunmehr 257 KAGB**) aus. Die Klägerinnen wurden in beiden Fällen in den Beratungsgesprächen nicht auf das Risiko einer Aussetzung der Anteilsrücknahme hingewiesen. Sie beanspruchen im Wege des Schadensersatzes das investierte Kapital unter Abzug eines erzielten Veräußerungserlöses (XI ZR 477/12) bzw. erhaltener Ausschüttungen (XI ZR 130/13) zurück.
Die Klage ist in der Sache XI ZR 477/12 in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Auf die hiergegen gerichtete Revision hat der XI. Zivilsenat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. In der Sache XI ZR 130/13 ist der Klage erstinstanzlich stattgegeben worden; die Berufung ist zurückgewiesen worden. Die hiergegen gerichtete Revision der beklagten Bank hat der XI. Zivilsenat zurückgewiesen.
Eine Bank, die den Erwerb von Anteilen an einem offenen Immobilienfonds empfiehlt, muss den Anleger ungefragt über das Bestehen der Möglichkeit einer Aussetzung der Anteilsrücknahme durch die Fondsgesellschaft aufklären. Kennzeichnend für regulierte Immobilien-Sondervermögen ist, dass die Anleger gemäß 37 InvG aF*** (nunmehr 187 KAGB****) ihre Fondsanteile grundsätzlich jederzeit liquidieren, d. h. zu einem im Gesetz geregelten Rücknahmepreis an die Kapitalanlagegesellschaft zurückgeben können.
Die in 81 InvG aF geregelte Möglichkeit, die Anteilsrücknahme auszusetzen, stellt dementsprechend ein während der gesamten Investitionsphase bestehendes Liquiditätsrisiko dar, über das der Anleger informiert sein muss, bevor er seine Anlageentscheidung trifft. Ob eine Aussetzung der Anteilsrücknahme zum Zeitpunkt der Beratung vorhersehbar oder fernliegend ist, spielt für die Aufklärungspflicht der Bank keine Rolle.
Anleger können ihre Anteile an einem offenen Immobilienfonds zwar auch während einer Aussetzung der Anteilsrücknahme weiterhin an der Börse veräußern. Dies stellt angesichts der dort möglichen Beeinflussung des Preises durch spekulative Elemente aber kein Äquivalent zu der Möglichkeit dar, die Anteile zu einem gesetzlich geregelten Rücknahmepreis an die Fondsgesellschaft zurück zu geben.
Auf die Frage, ob eine Aussetzung der Anteilsrücknahme den Interessen der Anleger dient, kommt es für die Aufklärungspflicht der Bank nicht an. Die vorübergehende Aussetzung der Anteilsrücknahme soll der Gefahr einer wirtschaftlich nicht sinnvollen Verwertung des Fondsvermögens in einer Krisensituation vorbeugen. Da die Aussetzung jedoch dem Liquiditätsinteresse der Anleger entgegensteht, ist hierüber vor der Anlageentscheidung aufzuklären.
Da das Berufungsgericht in der Sache XI ZR 477/12 zu den Fragen, ob die Klägerin durch eine schriftliche Kundeninformation zeitnah über das Bestehen der Möglichkeit einer Aussetzung der Anteilsrücknahme informiert wurde und ob die zu unterstellende Aufklärungspflichtverletzung der Beklagten für die Anlageentscheidung der Klägerin ursächlich war, keine abschließenden Feststellungen getroffen hat, war das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Urteil vom 29. April 2014 - XI ZR 477/12
LG Chemnitz - Urteil vom 27. Februar 2012 - 7 O 780/11
OLG Dresden - Urteil vom 15. November 2012 - 8 U 512/12
(veröffentlicht: WM 2013, 363)
und
Urteil vom 29. April 2014 - XI ZR 130/13
LG Frankfurt am Main - Urteil vom 7. November 2011 - 2-19 O 170/11
OLG Frankfurt am Main - Urteil vom 13. Februar 2012 - 9 U 131/11
(veröffentlicht: BKR 2013, 290)
Karlsruhe, den 29. April 2014
* 81 InvG a.F. (in der bis zum 7. April 2011 gültigen Fassung)
Verlangt der Anleger, dass ihm gegen Rückgabe des Anteils sein Anteil am Immobilien-Sondervermögen ausgezahlt wird, so kann die Kapitalanlagegesellschaft die Rückzahlung bis zum Ablauf einer in den Vertragsbedingungen festzusetzenden Frist verweigern, wenn die Bankguthaben und der Erlös der nach 80 Abs. 1 angelegten Mittel zur Zahlung des Rücknahmepreises und zur Sicherstellung einer ordnungsgemäßen laufenden Bewirtschaftung nicht ausreichen oder nicht sogleich zur Verfügung stehen. Reichen nach Ablauf dieser Frist die nach 80 Abs. 1 angelegten Mittel nicht aus, so sind Vermögensgegenstände des Sondervermögens zu veräußern. Bis zur Veräußerung dieser Vermögensgegenstände zu angemessenen Bedingungen, längstens jedoch ein Jahr nach Vorlage des Anteils zur Rücknahme, kann die Kapitalanlagegesellschaft die Rücknahme verweigern. Die Jahresfrist kann durch die Vertragsbedingungen auf zwei Jahre verlängert werden. Nach Ablauf dieser Frist darf die Kapitalanlagegesellschaft Vermögensgegenstände des Sondervermögens beleihen, wenn das erforderlich ist, um Mittel zur Rücknahme der Anteile zu beschaffen. Sie ist verpflichtet, diese Belastungen durch Veräußerung von Vermögensgegenständen des Sondervermögens oder in sonstiger Weise abzulösen, sobald dies zu angemessenen Bedingungen möglich ist. Belastungen und ihre Ablösung sind der Bundesanstalt unverzüglich anzuzeigen.
** 257 KAGB
(1) Verlangt der Anleger, dass ihm gegen Rückgabe des Anteils sein Anteil am Immobilien-Sondervermögen ausgezahlt wird, so hat die AIF-Kapitalverwaltungs-gesellschaft die Rücknahme der Anteile zu verweigern und auszusetzen, wenn die Bankguthaben und der Erlös der nach 253 Absatz 1 angelegten Mittel zur Zahlung des Rücknahmepreises und zur Sicherstellung einer ordnungsgemäßen laufenden Bewirtschaftung nicht ausreichen oder nicht sogleich zur Verfügung stehen. Zur Beschaffung der für die Rücknahme der Anteile notwendigen Mittel hat die AIF-Kapitalverwaltungsgesellschaft Vermögensgegenstände des Sondervermögens zu angemessenen Bedingungen zu veräußern.
(2) … (4)
*** 37 InvG a.F. (in der bis zum 7. April 2011 gültigen Fassung)
(1) Jeder Anleger kann verlangen, dass ihm gegen Rückgabe des Anteils sein Anteil an dem Sondervermögen aus diesem ausgezahlt wird; die Einzelheiten sind in den Vertragsbedingungen festzulegen.
(2) … (3)
**** 187 KAGB
(1) Die Anleger des übertragenden Sondervermögens und des übernehmenden Sondervermögens oder EU-OGAW haben das Recht, von der Kapitalverwaltungsgesellschaft Folgendes zu verlangen:
1.die Rücknahme ihrer Anteile ohne weitere Kosten, mit Ausnahme der Kosten, die zur Deckung der Auflösungskosten einbehalten werden, oder
2. …
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