07.05.2014 09:49 Uhr in Wirtschaft & Finanzen von Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung DIW Berlin
Rente mit 63: Renten- und Arbeitsmarktreformen haben großen Einfluss auf das späte Erwerbsleben
Kurzfassung: Rente mit 63: Renten- und Arbeitsmarktreformen haben großen Einfluss auf das späte Erwerbsleben - DIW-Studie identifiziert typische Übergangspfade vom Erwerbsleben in die Rente - Reformen haben erh ...
[Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung DIW Berlin - 07.05.2014] Rente mit 63: Renten- und Arbeitsmarktreformen haben großen Einfluss auf das späte Erwerbsleben
- DIW-Studie identifiziert typische Übergangspfade vom Erwerbsleben in die Rente
- Reformen haben erheblichen Einfluss
- In der Vergangenheit wurden Möglichkeiten eines frühen Renteneintritts häufig genutzt
- Rahmenbedingungen waren jedoch andere
DIW-Studie identifiziert typische Übergangspfade vom Erwerbsleben in die Rente - Reformen haben erheblichen Einfluss - In der Vergangenheit wurden Möglichkeiten eines frühen Renteneintritts häufig genutzt - Rahmenbedingungen waren jedoch andere
Die Arbeitsmarkt- und Rentenreformen der vergangen Jahrzehnte hatten einen großen Einfluss darauf, wie die Arbeitnehmer in Deutschland ihren Übergang in die Rente gestalteten. Das ist das zentrale Ergebnis einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin). "Als Möglichkeiten eines vorgezogenen Renteneintritts bestanden, hat ein Großteil der Anspruchsberechtigten diese auch wahrgenommen. Eine Einschränkung dieser Möglichkeiten führte zu deutlich späteren Renteneintritten", fasst DIW-Rentenexpertin Anika Rasner ihre Ergebnisse zusammen. Eindeutige Schlussfolgerungen und Prognosen über die Auswirkungen des aktuell diskutierten Rentenpakets seien derzeit noch nicht möglich, warnt die Expertin. "Die Rahmenbedingungen waren andere, die Lage am Arbeitsmarkt war sehr viel schlechter, aber das Rentenniveau lag deutlich höher." Sollte die abschlagsfreie Rente mit 63 jedoch ähnliche Anreizwirkungen entfalten wie frühere, in ähnliche Richtungen laufende Reformen, würde der Anteil der bis zur Regelaltersgrenze Erwerbstätigen entgegen dem Trend der vergangenen Jahre wieder abnehmen. Besonders für die zukünftigen Rentner in Ostdeutschland werden die Zugangsmöglichkeiten jedoch maßgeblich davon abhängen, ob und in welchem Umfang Phasen der Arbeitslosigkeit anerkannt werden. "Trotz einer umfänglichen Berücksichtigung von Kindererziehung und Pflegeleistungen werden westdeutsche Frauen nur in Ausnahmefällen anspruchsberechtigt sein", so Rasner.
Für ihre Studie haben Anika Rasner und Stefan Etgeton die Phase des sogenannten "späten Erwerbslebens" zwischen dem 58. und 65. Lebensjahr eingehend untersucht. Da Statistiken der Deutschen Rentenversicherung hauptsächlich Informationen zu Renteneintritt und -höhe, nicht aber zu Art und Umfang der Beschäftigung in den Jahren vor dem Renteneintritt liefern, stützten sich die beiden DIW-Forscher bei ihrer Analyse auf Daten des Sozio-oekonomischen Panel (SOEP). Mit Hilfe einer Clusteranalyse identifizierten sie für die Geburtsjahrgänge 1932 bis 1947 fünf typische Rentenpfade. "Bei manchen Rentenübergangspfaden bleibt der Erwerbsstatus nahezu im gesamten Beobachtungszeitraum unverändert, während andere durch häufige Wechsel zwischen Arbeitslosigkeit, Inaktivität und Beschäftigung geprägt sind. In einem zweiten Schritt untersuchten die Wissenschaftler anhand eines Kohortenvergleichs, welchen Einfluss die seit Ende der 1980er Jahre umgesetzten Renten- und Arbeitsmarktreformen auf die relative Bedeutung dieser Pfade hatten. "Der Einfluss war erheblich, der durchschnittliche Zeitpunkt des Renteneintritts und die relative Gewichtung der Pfade zueinander haben sich nach den Reformen deutlich verändert", erläutert Rasner. "Vor allem in den 80er und 90er Jahren wurde die sogenannte Frühverrentung in Deutschland massenhaft praktiziert. Vorruhestandsgesetze, flexible Altersgrenzen und die Steuerfreiheit von Abfindungen trugen - wie vom Gesetzgeber gewünscht - zu einer Entlastung des Arbeitsmarktes bei."
Auch die Gesetze zur Verlängerung der Lebensarbeitszeit wirkten in die vom Gesetzgeber beabsichtigte Richtung: "Besonders deutlich war die Wirkung der nach 1992 erfolgten Regelungen bei den Männern. In der jüngsten Kohorte arbeiten rund 23 Prozent der westdeutschen und 20 Prozent der ostdeutschen Männer bis zur Regelaltersgrenze - das sind 13 Prozentpunkte mehr als bei der ältesten Kohorte, die noch in den Genuss der Frühverrentungsmöglichkeiten kam", erläutert Rasner. Bei den ostdeutschen Männern ist nach 1990 ein signifikanter Anstieg des Renteneintritts über Arbeitslosigkeit zu beobachten, in der jüngsten Kohorte liegt er bei fast 40 Prozent.
Wie groß die Gruppe der Anspruchsberechtigten der geplanten Rente mit 63 genau sein wird, ist Rasner zufolge schwer abzuschätzen. "Im Rentenzugangsjahr 2011 hätten - unter Berücksichtigung aller Zeiten von Arbeitslosigkeit - etwa 44 Prozent der Männer und 18 Prozent der Frauen die Voraussetzungen erfüllt. Die Gruppe wird aber kleiner werden, da wir immer mehr brüchige Erwerbsbiografien sehen und nach aktueller Planung auch nur Zeiten von Arbeitslosengeld-I-Bezug angerechnet werden sollen." Da der vorzeitige abschlagsfreie Renteneintritt nur einer kleinen Gruppe ermöglicht wird, sieht Rasner keine Anzeichen für eine generelle Trendumkehr. "Das durchschnittliche Renteneinstiegsalter wird generell weiter steigen", so die Expertin.
Stichwort SOEP
Das Sozio-oekonomische Panel (SOEP) ist die größte und am längsten laufende multidisziplinäre Langzeitstudie in Deutschland. Das SOEP ist im DIW Berlin angesiedelt und wird als Teil der Forschungsinfrastruktur in Deutschland unter dem Dach der Leibniz-Gemeinschaft (WGL) von Bund und Ländern gefördert. Für das SOEP werden seit 1984 jedes Jahr vom Umfrageinstitut TNS Infratest Sozialforschung mehrere tausend Menschen befragt. Zurzeit sind es etwa 30.000 Befragte in fast 15.000 Haushalten. Die Daten des SOEP geben unter anderem Auskunft über Einkommen, Erwerbstätigkeit, Bildung, Gesundheit und Lebenszufriedenheit. Weil jedes Jahr dieselben Personen befragt werden, können nicht nur langfristige gesellschaftliche Trends, sondern auch die gruppenspezifische Entwicklung von Lebensläufen besonders gut analysiert werden.
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Mohrenstraße 58
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- DIW-Studie identifiziert typische Übergangspfade vom Erwerbsleben in die Rente
- Reformen haben erheblichen Einfluss
- In der Vergangenheit wurden Möglichkeiten eines frühen Renteneintritts häufig genutzt
- Rahmenbedingungen waren jedoch andere
DIW-Studie identifiziert typische Übergangspfade vom Erwerbsleben in die Rente - Reformen haben erheblichen Einfluss - In der Vergangenheit wurden Möglichkeiten eines frühen Renteneintritts häufig genutzt - Rahmenbedingungen waren jedoch andere
Die Arbeitsmarkt- und Rentenreformen der vergangen Jahrzehnte hatten einen großen Einfluss darauf, wie die Arbeitnehmer in Deutschland ihren Übergang in die Rente gestalteten. Das ist das zentrale Ergebnis einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin). "Als Möglichkeiten eines vorgezogenen Renteneintritts bestanden, hat ein Großteil der Anspruchsberechtigten diese auch wahrgenommen. Eine Einschränkung dieser Möglichkeiten führte zu deutlich späteren Renteneintritten", fasst DIW-Rentenexpertin Anika Rasner ihre Ergebnisse zusammen. Eindeutige Schlussfolgerungen und Prognosen über die Auswirkungen des aktuell diskutierten Rentenpakets seien derzeit noch nicht möglich, warnt die Expertin. "Die Rahmenbedingungen waren andere, die Lage am Arbeitsmarkt war sehr viel schlechter, aber das Rentenniveau lag deutlich höher." Sollte die abschlagsfreie Rente mit 63 jedoch ähnliche Anreizwirkungen entfalten wie frühere, in ähnliche Richtungen laufende Reformen, würde der Anteil der bis zur Regelaltersgrenze Erwerbstätigen entgegen dem Trend der vergangenen Jahre wieder abnehmen. Besonders für die zukünftigen Rentner in Ostdeutschland werden die Zugangsmöglichkeiten jedoch maßgeblich davon abhängen, ob und in welchem Umfang Phasen der Arbeitslosigkeit anerkannt werden. "Trotz einer umfänglichen Berücksichtigung von Kindererziehung und Pflegeleistungen werden westdeutsche Frauen nur in Ausnahmefällen anspruchsberechtigt sein", so Rasner.
Für ihre Studie haben Anika Rasner und Stefan Etgeton die Phase des sogenannten "späten Erwerbslebens" zwischen dem 58. und 65. Lebensjahr eingehend untersucht. Da Statistiken der Deutschen Rentenversicherung hauptsächlich Informationen zu Renteneintritt und -höhe, nicht aber zu Art und Umfang der Beschäftigung in den Jahren vor dem Renteneintritt liefern, stützten sich die beiden DIW-Forscher bei ihrer Analyse auf Daten des Sozio-oekonomischen Panel (SOEP). Mit Hilfe einer Clusteranalyse identifizierten sie für die Geburtsjahrgänge 1932 bis 1947 fünf typische Rentenpfade. "Bei manchen Rentenübergangspfaden bleibt der Erwerbsstatus nahezu im gesamten Beobachtungszeitraum unverändert, während andere durch häufige Wechsel zwischen Arbeitslosigkeit, Inaktivität und Beschäftigung geprägt sind. In einem zweiten Schritt untersuchten die Wissenschaftler anhand eines Kohortenvergleichs, welchen Einfluss die seit Ende der 1980er Jahre umgesetzten Renten- und Arbeitsmarktreformen auf die relative Bedeutung dieser Pfade hatten. "Der Einfluss war erheblich, der durchschnittliche Zeitpunkt des Renteneintritts und die relative Gewichtung der Pfade zueinander haben sich nach den Reformen deutlich verändert", erläutert Rasner. "Vor allem in den 80er und 90er Jahren wurde die sogenannte Frühverrentung in Deutschland massenhaft praktiziert. Vorruhestandsgesetze, flexible Altersgrenzen und die Steuerfreiheit von Abfindungen trugen - wie vom Gesetzgeber gewünscht - zu einer Entlastung des Arbeitsmarktes bei."
Auch die Gesetze zur Verlängerung der Lebensarbeitszeit wirkten in die vom Gesetzgeber beabsichtigte Richtung: "Besonders deutlich war die Wirkung der nach 1992 erfolgten Regelungen bei den Männern. In der jüngsten Kohorte arbeiten rund 23 Prozent der westdeutschen und 20 Prozent der ostdeutschen Männer bis zur Regelaltersgrenze - das sind 13 Prozentpunkte mehr als bei der ältesten Kohorte, die noch in den Genuss der Frühverrentungsmöglichkeiten kam", erläutert Rasner. Bei den ostdeutschen Männern ist nach 1990 ein signifikanter Anstieg des Renteneintritts über Arbeitslosigkeit zu beobachten, in der jüngsten Kohorte liegt er bei fast 40 Prozent.
Wie groß die Gruppe der Anspruchsberechtigten der geplanten Rente mit 63 genau sein wird, ist Rasner zufolge schwer abzuschätzen. "Im Rentenzugangsjahr 2011 hätten - unter Berücksichtigung aller Zeiten von Arbeitslosigkeit - etwa 44 Prozent der Männer und 18 Prozent der Frauen die Voraussetzungen erfüllt. Die Gruppe wird aber kleiner werden, da wir immer mehr brüchige Erwerbsbiografien sehen und nach aktueller Planung auch nur Zeiten von Arbeitslosengeld-I-Bezug angerechnet werden sollen." Da der vorzeitige abschlagsfreie Renteneintritt nur einer kleinen Gruppe ermöglicht wird, sieht Rasner keine Anzeichen für eine generelle Trendumkehr. "Das durchschnittliche Renteneinstiegsalter wird generell weiter steigen", so die Expertin.
Stichwort SOEP
Das Sozio-oekonomische Panel (SOEP) ist die größte und am längsten laufende multidisziplinäre Langzeitstudie in Deutschland. Das SOEP ist im DIW Berlin angesiedelt und wird als Teil der Forschungsinfrastruktur in Deutschland unter dem Dach der Leibniz-Gemeinschaft (WGL) von Bund und Ländern gefördert. Für das SOEP werden seit 1984 jedes Jahr vom Umfrageinstitut TNS Infratest Sozialforschung mehrere tausend Menschen befragt. Zurzeit sind es etwa 30.000 Befragte in fast 15.000 Haushalten. Die Daten des SOEP geben unter anderem Auskunft über Einkommen, Erwerbstätigkeit, Bildung, Gesundheit und Lebenszufriedenheit. Weil jedes Jahr dieselben Personen befragt werden, können nicht nur langfristige gesellschaftliche Trends, sondern auch die gruppenspezifische Entwicklung von Lebensläufen besonders gut analysiert werden.
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