27.05.2014 11:40 Uhr in Kultur & Kunst von Bayerische Julius-Maximilians-Universität Würzburg
Fußball: Reismehl gegen Rassismus
Kurzfassung: Fußball: Reismehl gegen Rassismus Die Geschichte der Sklaverei in Brasilien: Darum dreht sich eine Ausstellung, die vom 29. Mai bis 1. Juni im Universitätszelt auf dem Würzburger Africa Festival zu ...
[Bayerische Julius-Maximilians-Universität Würzburg - 27.05.2014] Fußball: Reismehl gegen Rassismus
Die Geschichte der Sklaverei in Brasilien: Darum dreht sich eine Ausstellung, die vom 29. Mai bis 1. Juni im Universitätszelt auf dem Würzburger Africa Festival zu sehen ist. Das "Forum Afrikazentrum" der Universität Würzburg hat die 17 großformatigen Schaubilder gestaltet. Zwei davon wurden eigens zur Fußball-WM gemacht: Sie befassen sich mit der Geschichte des brasilianischen Fußballs und mit dem Rassismus, der diese Geschichte lange geprägt hat.
Sport der weißen Mittel- und Oberschicht
Als Gründer des brasilianischen Fußballs gilt Charles William Miller, ein Sohn schottischer Einwanderer. Mit zwei Bällen aus der Heimat organisierte er 1894 das erste offizielle Spiel zwischen den Arbeitern einer Gas- und einer Eisenbahngesellschaft in São Paulo.
In São Paulo fand 1902 auch die erste Meisterschaft statt. Das Gewinnerteam bestand ausschließlich aus Engländern. Fußball war in Brasilien damals ein Amateursport. Er war ausschließlich einer kleinen weißen Ober- und Mittelschicht vorbehalten, die europäische Traditionen pflegte und sich von der schwarzen Bevölkerung distanzierte.
Reismehl und filigrane Tricks als Gegenwehr
Fußballer mit afrikanischen Wurzeln durften in Brasilien am Anfang des 20. Jahrhunderts nicht am Spielbetrieb teilnehmen. Einige wenige Ausnahmen galten für talentierte "Mulatten" wie Arthur Friedenreich (1892-1969). Der rieb sich vor den Spielen Gesicht, Arme und Beine mit Reismehl ein, um auf dem Platz europäischer auszusehen. Auch glättete er sich vor jedem Spiel akribisch die Haare.
Diskriminierung gab es trotzdem: Fouls an dunkelhäutigen Kickern wurden von den Schiedsrichtern nicht geahndet, was die gegnerischen Mannschaften natürlich ausnutzten. Aus diesem Grund eigneten sich die afrobrasilianischen Spieler filigrane Tricks und ungewöhnliche Finten an, um die teils unsportlichen Gegner zu umspielen. Sportwissenschaftler sehen darin den Ursprung des noch heute vorwiegend trickreichen und auf Ästhetik angelegten brasilianischen Fußballspiels.
Rassistische Praxis bis in die 1950er-Jahre
Erst 1918 ließ der Fußballverband - nach Protesten in brasilianischen Zeitungen - offiziell schwarze Fußballer zu. Dennoch waren sie weiterhin Vogelfreie auf dem Platz; immer noch konnten sie unbestraft gefoult und sogar geschlagen werden. Und Staatspräsident Epitácio Pessoa gab 1921 die Anweisung, dass die nationale Auswahl, die Seleção, bei der Südamerika-Meisterschaft nur mit weißen Spielern antreten durfte.
An dieser rassistischen Praxis hielten viele der großen brasilianischen Vereinsmannschaften bis zum Beginn der 1950er-Jahre fest. Erst mit dem ersten WM-Titel Brasiliens 1958 in Schweden verschwand das Bild des "minderwertigen Schwarzen" langsam aus dem brasilianischen Fußball. Ein Grund dafür: Am Gewinn der WM hatte der damals 17-jährige Edson Arantes do Nascimento, besser bekannt als Pelé, großen Anteil.
1962 sicherte sich die Nationalmannschaft mit den afrobrasilianischen Stars Pelé und Mané Garrincha mühelos den WM-Titel in Chile. Und spätestens nach dem dritten WM-Titel 1970 in Mexiko waren die schwarzen Fußballer endgültig gesellschaftlich akzeptiert. Status, Herkunft und Hautfarbe spielten von da an auf dem Platz nur noch eine untergeordnete Rolle.
Modernes System der Ausplünderung
Heute sehen viele junge, meist schwarze Favela-Bewohner den Fußball als einzige Chance, um der Armut und dem damit verbundenen Sog in die Kriminalität zu entkommen. Das befeuert den Handel mit Fußballern in einem System, das sich zugespitzt als moderne Sklaverei bezeichnen lässt: Spielervermittler locken junge und talentierte Brasilianer mit oft falschen Versprechen nach Europa. Hier landen die Fußballer häufig bei schlechter Bezahlung in unterklassigen Ligen. Das bedeutet in der Regel das Ende ihres Traums.
Der Text stammt aus der Ausstellung "Afrikas Erbe in Brasilien" der Universität Würzburg. Zusammengestellt wurde die Schau von Karin Sekora und Julien Bobineau, die beide Mitglieder im "Forum Afrikazentrum" der Universität sind.
Kontakt
Dr. Karin Sekora
T (0931) 31-82200
karin.sekora@uni-wuerzburg.de
Julien Bobineau
T (0931) 31-83826
julien.bobineau@uni-wuerzburg.de
Die Geschichte der Sklaverei in Brasilien: Darum dreht sich eine Ausstellung, die vom 29. Mai bis 1. Juni im Universitätszelt auf dem Würzburger Africa Festival zu sehen ist. Das "Forum Afrikazentrum" der Universität Würzburg hat die 17 großformatigen Schaubilder gestaltet. Zwei davon wurden eigens zur Fußball-WM gemacht: Sie befassen sich mit der Geschichte des brasilianischen Fußballs und mit dem Rassismus, der diese Geschichte lange geprägt hat.
Sport der weißen Mittel- und Oberschicht
Als Gründer des brasilianischen Fußballs gilt Charles William Miller, ein Sohn schottischer Einwanderer. Mit zwei Bällen aus der Heimat organisierte er 1894 das erste offizielle Spiel zwischen den Arbeitern einer Gas- und einer Eisenbahngesellschaft in São Paulo.
In São Paulo fand 1902 auch die erste Meisterschaft statt. Das Gewinnerteam bestand ausschließlich aus Engländern. Fußball war in Brasilien damals ein Amateursport. Er war ausschließlich einer kleinen weißen Ober- und Mittelschicht vorbehalten, die europäische Traditionen pflegte und sich von der schwarzen Bevölkerung distanzierte.
Reismehl und filigrane Tricks als Gegenwehr
Fußballer mit afrikanischen Wurzeln durften in Brasilien am Anfang des 20. Jahrhunderts nicht am Spielbetrieb teilnehmen. Einige wenige Ausnahmen galten für talentierte "Mulatten" wie Arthur Friedenreich (1892-1969). Der rieb sich vor den Spielen Gesicht, Arme und Beine mit Reismehl ein, um auf dem Platz europäischer auszusehen. Auch glättete er sich vor jedem Spiel akribisch die Haare.
Diskriminierung gab es trotzdem: Fouls an dunkelhäutigen Kickern wurden von den Schiedsrichtern nicht geahndet, was die gegnerischen Mannschaften natürlich ausnutzten. Aus diesem Grund eigneten sich die afrobrasilianischen Spieler filigrane Tricks und ungewöhnliche Finten an, um die teils unsportlichen Gegner zu umspielen. Sportwissenschaftler sehen darin den Ursprung des noch heute vorwiegend trickreichen und auf Ästhetik angelegten brasilianischen Fußballspiels.
Rassistische Praxis bis in die 1950er-Jahre
Erst 1918 ließ der Fußballverband - nach Protesten in brasilianischen Zeitungen - offiziell schwarze Fußballer zu. Dennoch waren sie weiterhin Vogelfreie auf dem Platz; immer noch konnten sie unbestraft gefoult und sogar geschlagen werden. Und Staatspräsident Epitácio Pessoa gab 1921 die Anweisung, dass die nationale Auswahl, die Seleção, bei der Südamerika-Meisterschaft nur mit weißen Spielern antreten durfte.
An dieser rassistischen Praxis hielten viele der großen brasilianischen Vereinsmannschaften bis zum Beginn der 1950er-Jahre fest. Erst mit dem ersten WM-Titel Brasiliens 1958 in Schweden verschwand das Bild des "minderwertigen Schwarzen" langsam aus dem brasilianischen Fußball. Ein Grund dafür: Am Gewinn der WM hatte der damals 17-jährige Edson Arantes do Nascimento, besser bekannt als Pelé, großen Anteil.
1962 sicherte sich die Nationalmannschaft mit den afrobrasilianischen Stars Pelé und Mané Garrincha mühelos den WM-Titel in Chile. Und spätestens nach dem dritten WM-Titel 1970 in Mexiko waren die schwarzen Fußballer endgültig gesellschaftlich akzeptiert. Status, Herkunft und Hautfarbe spielten von da an auf dem Platz nur noch eine untergeordnete Rolle.
Modernes System der Ausplünderung
Heute sehen viele junge, meist schwarze Favela-Bewohner den Fußball als einzige Chance, um der Armut und dem damit verbundenen Sog in die Kriminalität zu entkommen. Das befeuert den Handel mit Fußballern in einem System, das sich zugespitzt als moderne Sklaverei bezeichnen lässt: Spielervermittler locken junge und talentierte Brasilianer mit oft falschen Versprechen nach Europa. Hier landen die Fußballer häufig bei schlechter Bezahlung in unterklassigen Ligen. Das bedeutet in der Regel das Ende ihres Traums.
Der Text stammt aus der Ausstellung "Afrikas Erbe in Brasilien" der Universität Würzburg. Zusammengestellt wurde die Schau von Karin Sekora und Julien Bobineau, die beide Mitglieder im "Forum Afrikazentrum" der Universität sind.
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