12.06.2014 16:24 Uhr in Wirtschaft & Finanzen von Allianz SE

Brasilien ist Weltmeister - bei den Frühpensionierungen

Kurzfassung: Brasilien ist Weltmeister - bei den Frühpensionierungen- Staatliches Pensionssystem eines der am wenigsten nachhaltigen im "Allianz Pensions Sustainability Index"- Brasilianer können mit vollen Pens ...
[Allianz SE - 12.06.2014] Brasilien ist Weltmeister - bei den Frühpensionierungen

- Staatliches Pensionssystem eines der am wenigsten nachhaltigen im "Allianz Pensions Sustainability Index"
- Brasilianer können mit vollen Pensionsansprüchen mit 55 in den Ruhestand gehen
- Schneller Alterungsprozess stellt das Land vor Herausforderungen

In diesen Tagen schaut die Welt auf Brasilien. Am 12. Juni wird die erfolgreichste Fußballnation der Welt die Weltmeisterschaft im eigenen Land mit einem Spiel gegen Kroatien eröffnen. Fünf Titel und einige der größten Stars des internationalen Fußballs hat Brasilien hervorgebracht, darunter Pelé, Ronaldo und Kaká. Brasilianische Spieler sind bei den besten Clubs der Welt aktiv, etwa Dante beim FC Bayern München. Ein sechster Weltmeistertitel ist nicht unwahrscheinlich, dem Team von Felipe Scolari werden gute Chancen eingeräumt.
Doch Brasilien hat nicht nur die besten Fußballer der Welt, sondern kann auch eine andere Besonderheit für sich beanspruchen: Brasilianer können unter bestimmten Bedingungen vergleichsweise früh in Rente gehen. Wäre Pelé - er wird dieses Jahr 74 Jahre alt - ein durchschnittlicher Brasilianer, er hätte bereits mit 55 Jahren aufgehört zu arbeiten, zehn Jahre vor Erreichen des gesetzlichen Pensionsalters von 65. Besondere Regeln erlauben es Männern, bereits nach 35 Beitragsjahren in den Ruhestand zu gehen. Frauen brauchen dafür 30 Beitragsjahre. Das tatsächliche Renteneintrittsalter kann also deutlich niedriger sein als das gesetzliche.
Zum Vergleich: In Europa gehen die Österreicher am frühesten, nämlich mit 58,6 Jahren, in Pension. Das gesetzlich vorgeschriebene Pensionsalter liegt bei 65. Die Deutschen arbeiten bis 63, der gesetzliche Rentenbeginn wird derzeit sukzessive auf 67 angehoben.
Großzügige Nebenleistungen
Besondere Regelungen gibt es auch für die Unterstützung für Witwen. Während Hinterbliebene in vielen Ländern einen Anteil an der Pension eines verstorbenen Partners bekommen, erhalten sie in Brasilien bis an ihr Lebensende fast den kompletten Betrag. Zudem ist die Höhe der Pensionszahlungen im internationalen Vergleich beachtlich. In der Gemeinschaft der OECD-Länder geben Nationen im Schnitt ein Prozent ihres Bruttosozialproduktes (BSP) für Witwenansprüche aus. In Brasilien belaufen sich diese Zahlungen auf drei Prozent des BSP.
Einige soziale Gruppen erhalten zusätzlich Nebenleistungen. Fast alle Beamten können mit vollen Ansprüchen in den Ruhestand gehen. Lehrer dürfen fünf Jahre vor allen anderen aufhören zu arbeiten - zu gleichen Bedingungen. Als Ergebnis dieser großzügigen Regelungen erhalten Brasilianer mit dem durchschnittlichen Pensionsantrittsalter etwa 70 Prozent ihres letzten Gehalts.
Vorteilhafte demografische Situation ändert sich schnell
Das hört sich jedoch nur auf den ersten Blick vorteilhaft an. Denn wer genauer hinschaut, sieht: Das Land altert enorm schnell, diese Situation wird nicht lange bestehen bleiben können. Vor welchen Herausforderungen das Pensionssystem steht, wurde erst kürzlich wieder deutlich, als Brasilien zum ersten Mal in den Allianz Pension Sustainability Index einbezogen wurde. Der Index analysiert die Nachhaltigkeit staatlicher Pensionssysteme in 50 Ländern weltweit und zeigt Reformbedarfe auf. Brasilien landete im Länderranking auf dem 49. Platz.
Dafür gibt es mehrere Gründe: Das Staatsbudget fließt in zunehmendem Ausmaß in Pensionszahlungen. Noch kann Brasilien die hohen Ausgaben verkraften, da sich die Regierung auf die momentan noch sehr vorteilhafte demografische Situation verlässt. Die brasilianische Bevölkerung ist mit 31 Jahren im Schnitt sehr jung - acht Jahre jünger etwa als ein US-Amerikaner und 16 Jahre als ein Deutscher. Der Grund: Noch 1970 bekam eine Brasilianerin im Schnitt 5,8 Kinder, heute sind es nur noch 1,8. Brasilien erlebt also einen kurzen, goldenen Moment mit einem sehr niedrigen Verhältnis (zehn Prozent) zwischen Über-65-Jährigen und Menschen von 15 bis 64 Jahre. 2050 wird sich dieses Verhältnis mehr als verdreifacht haben. In Deutschland beträgt es schon jetzt 32 Prozent (Österreich: 27 Prozent). Trotzdem gibt Brasilien schon heute fast zwölf Prozent des BSP für staatliche Pensionen aus (Deutschland: 11 Prozent; Österreich: 14,1 Prozent).
Brasilianer sollten sich also auf notwendige Anpassungen einstellen. Die Regierung wird nicht umhin kommen, Leistungen zu kürzen oder frühen Renteneintritt zu begrenzen. Daher wird es für jeden Brasilianer Sinn machen, die private Altersvorsorge zu erhöhen, um gut im Ruhestand leben zu können.
So mag Brasilien in einigen Wochen den Fußballweltmeister-Pokal ein sechstes Mal in den Händen halten. Notwendige Reformen des Pensionssystems sollte das Land jedoch nicht erst in der 90. Minute angehen.

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