16.07.2014 16:42 Uhr in Gesellschaft & Familie von VolkswagenStiftung

Begegnung auf Augenhöhe

Kurzfassung: Begegnung auf AugenhöheIm vierten Teil der 14er-Veranstaltungsreihe diskutierten die Podiumsgäste aktuelle und zukünftige Herausforderungen der deutsch-britischen Beziehung.Veranstaltungsbericht zu ...
[VolkswagenStiftung - 16.07.2014] Begegnung auf Augenhöhe

Im vierten Teil der 14er-Veranstaltungsreihe diskutierten die Podiumsgäste aktuelle und zukünftige Herausforderungen der deutsch-britischen Beziehung.
Veranstaltungsbericht zum vierten Teil der Reihe "14! Deutsch-Britische Collagen"
"2014 - Großbritannien und Deutschland im Zeitalter der Herausforderungen" mit Sir Simon McDonald, Wolf Burchard und Prof. Dr. Simon Green
In den letzten Jahrhunderten haben die Jahre mit der Endziffer 14 in der Beziehung zwischen Großbritannien und Hannover eine wichtige Rolle gespielt. Zum Anlass des 300-jährigen Jubiläums der Personalunion hat sich das Niedersächsische Landesmuseum auf eine Zeitreise durch die vergangenen Jahrhunderte deutsch-britischer Beziehung begeben, die VolkswagenStiftung steuerte die vierteilige Veranstaltungsreihe "14! Deutsch-britische Collagen" bei. Der abschließende Teil der Reihe beschäftigte sich mit aktuellen und zukünftigen Herausforderungen, die wie Dr. Katja Lembke, Direktorin des Niedersächsischen Landesmuseums Hannover, in ihrer Begrüßung sagte, "oft die Folgen historischer Fehlentscheidungen sind". Wer die Zukunft gestalten will, sollte also die Vergangenheit kennen.
Bevor im Auditorium von Schloss Herrenhausen die Politik im Zentrum stand, wurden die deutsch-britischen Beziehungen musikalisch lebendig: Der Mädchenchor Hannover sang unter der Leitung von Prof. Gudrun Schröfel und begleitet von Birgit Bachhuber an der Harfe. Mit ihrer Darbietung von Stücken aus Benjamin Brittens "Ceremony of Carols" und dem "Zauberwald" von Alfred Koerppen begeisterten sie das Publikum.
Skepsis aber "keine schlechten Europäer"
Zu Beginn der von Dr. Wilhelm Krull moderierten Podiumsdiskussion erläuterte Prof. Dr. Simon Green, Politikwissenschaftler und Dekan der Fakultät für Sprach- und Sozialwissenschaften an der Aston University, die Hintergründe des viel diskutierten möglichen Austritts Großbritanniens aus der Europäischen Union. Er nannte die Tatsache, dass der Austritt überhaupt in Erwägung gezogen werde, bedauerlich und unverständlich: "Der Gedanke, dass Großbritannien eine nennenswerte Zukunft außerhalb einer Vollmitgliedschaft in der EU hat, ist meines Erachtens fast genauso absurd wie die Vorstellung, dass England in absehbarer Zeit eine Fußballweltmeisterschaft gewinnt", so Green. Die Kritik an den Strukturen der EU sei allerdings nicht unberechtigt.
Obwohl die eurokritischen Töne aus Großbritannien dies manchmal vermuten ließen, seien die Briten alles andere als schlechte Europäer. Im Gegenteil: Europäisches Recht zum Beispiel werde in Großbritannien sehr ernst genommen und Meinungsumfragen zeigten, dass die Mehrheit der Bevölkerung für den Verbleib in der EU stimmen würde. Warum dennoch eine Volksabstimmung zum EU-Austritt diskutiert wird, erklärt Green mit dem Erfolg der rechtspopulistischen Partei Ukip (United Kingdom Independence Party), die die Zuwanderungsproblematik an die EU-Zugehörigkeit gekoppelt haben. Die Conservative Party, die seit 1992 keine Mehrheit im britischen Unterhaus erlangen konnte, bemühe sich durch eine europakritische Haltung der Ukip wichtige Wählerstimmen streitig zu machen. Man verlasse sich darauf, dass die Stimmen der Eurokritiker bei einem Referendum ohnehin nicht ausreichen würden und vertraue blind darauf, dass die EU-Partnerländer - vor allem Deutschland - Großbritannien in diesem Prozess aktiv unterstützen werden. Die Diskussion sei demnach allein innen- und parteipolitisch verankert und bedeutet keine tatsächliche Abkehr von Europa. Green zeigte sich zuversichtlich, dass sich Großbritannien 2017 zur EU bekennen wird - nicht zuletzt wegen der engen politischen Beziehung zu Deutschland.
"Wir sind nicht die einzigen"
Der britische Botschafter Sir Simon McDonald sieht den Kern der europakritischen Haltung im geschichtlichen Hintergrund Großbritanniens. "Wir waren immer eine stolze unabhängige Nation", sagt McDonald. Der typische wirtschaftliche Aufschwung, der in der Regel mit einem EU-Beitritt einhergeht, blieb aus, als Großbritannien 1973 der EG beitrat. Im Gegenteil: Die Folge war "die schlimmste Rezession in der britischen Geschichte", so McDonald. Seither seien aus Sicht der Briten Rezession und EU-Mitgliedschaft miteinander verknüpft. Das Phänomen der Europakritik existiere ja aber nicht nur in Großbritannien. "Wir glaube, dass Europa ein Reformprogramm braucht." Dabei sollten vor allem die Themen Haushalt, Subsidiarität und Dezentralisierung neu durchdacht werden.
Demokratiefragen in Europa
Dass Jean-Claude Juncker im Europaparlament trotz britischem Widerstand zum EU-Kommissionspräsidenten gewählt wurde, nannte McDonald "völlig erwartet". Er sei sicher, dass man mit Juncker werde arbeiten können, dass sich "Kompromisse finden lassen". Die Kritik Camerons an Juncker beziehe sich nicht allein auf die Person, vielmehr wehre sich Großbritannien gegen den so nicht vorgesehenen Prozess der Nominierung. Es gebe Unterschiede in der Auslegung der Vertragstexte und eine gewisse Grauzone. Bei der Entscheidung den Spitzenkandidaten zu wählen, waren sich schließlich fast alle Parteien im Europäischen Parlament einig - darunter allerdings keine britische. "Wir sind ein Mitglied, also sollten wir eine Rolle spielen!", nahm McDonald Stellung.
Sprache ist Macht
Der dritten Gast war der Kurator des Royal Collection Trust, Wolf Burchard. Er verwaltet die Kunstsammlung der britischen Königsfamilie und brachte die kulturelle Perspektive in die Diskussion ein. "Die Grundvoraussetzung für einen fruchtbaren und nachhaltigen kulturellen Austausch ist wechselseitiges Interesse, Toleranz, Entgegenkommen und das Verständnis für den anderen", betonte er. Es sei wichtig, dass man sich auf Augenhöhe begegne. Ein wesentliches Instrument dafür sei die Sprache, wobei ja häufig ein deutliches Ungleichgewicht zu beobachten sei: "Es gibt kaum eine Sprache, die so viel und so falsch angewendet wird wie die englische." Eine gezieltere Förderung von Sprachverständnis würde nicht nur dazu beitragen, dass Briten und Deutsche sich noch partnerschaftlicher begegneten, sondern auch, dass kulturelle, diplomatische und politische Missverständnisse vermieden werden könnten. Denn wie bei den erwähnten Verträgen ist jede Übersetzung ja eine Interpretation.

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