07.08.2014 14:38 Uhr in Gesellschaft & Familie von Bundesverfassungsgericht
Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen eine sitzungspolizeiliche Verfügung im Todesfall Y. teilweise erfolgreich
Kurzfassung: Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen eine sitzungspolizeiliche Verfügung im Todesfall Y. teilweise erfolgreich Im Verfahren 1 BvR 1858/14 hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bund ...
[Bundesverfassungsgericht - 07.08.2014] Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen eine sitzungspolizeiliche Verfügung im Todesfall Y. teilweise erfolgreich
Im Verfahren 1 BvR 1858/14 hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 31. Juli 2014 teilweise stattgegeben. Die zugrundeliegende Verfassungsbeschwerde wendet sich gegen eine sitzungspolizeiliche Anordnung zur Beschränkung der Presseberichterstattung über ein Strafverfahren. Die Beschwerdeführerin ist Verlegerin mehrerer Zeitungen.
Sachverhalt und Verfahrensgang:
Am 11. Juni 2014 begann vor der Großen Strafkammer 1 des Landgerichts die Hauptverhandlung im Strafverfahren wegen eines im Dezember 2013 an inneren Verletzungen verstorbenen dreijährigen Mädchens. Angeklagte des Strafverfahrens sind die Eltern des Kindes. Dem Vater wird die Misshandlung von Schutzbefohlenen und Körperverletzung mit Todesfolge vorgeworfen. Die Mutter ist wegen Mordes angeklagt. Erster Verhandlungstag war der 11. Juni 2014. Insgesamt sind bis Ende September 22 Verhandlungstermine angesetzt. Der nächste Verhandlungstag ist auf den 11. August 2014 terminiert. Der Prozess war und ist Gegenstand umfangreicher Berichterstattung in den regionalen und überregionalen Medien und beschäftigte die Öffentlichkeit so nachhaltig, dass ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss zur Aufklärung von möglichen Fehlern in den zuständigen Behörden und Trägern eingesetzt wurde.
Am 3. Juni 2014 erließ der Vorsitzende der Großen Strafkammer des Landgerichts eine Medienverfügung, die folgenden Wortlaut hat:
In dem Verfahren gegen die Eltern des im Dezember 2013 verstorbenen Kindes … hat der Vorsitzende folgende Anordnung gemäß 176 GVG getroffen:
1. Ton-, Foto- und Filmaufnahmen im Sitzungssaal werden nach Maßgabe der nachstehend beschriebenen "Poollösung" gestattet.
a) Sofern bei den Medien der Wunsch besteht, werden an den Sitzungstagen jeweils unmittelbar vor Beginn der Hauptverhandlung
und nur in Anwesenheit des Gerichts Foto- und Fernsehaufnahmen im Verhandlungssaal gestattet und zwar im Rahmen der sogenannten Poollösung unter der Bedingung, dass die Aufnahmen nicht zu einer Störung des Sitzungsbetriebes führen.
(…)
3. Film und Fotoaufnahmen im Vorraum zum Sitzungssaal (beim Saal 237 der gesamte Bereich hinter der Stahltür) und im Umkreis von 5 m zum Eingang des Sitzungssaals sind nicht gestattet.
4. Die Aufnahmen sowie Zeichnungen der beiden Angeklagten sind zu anonymisieren, es sei denn, diese erklären ausdrücklich ihre Zustimmung zu einer abweichenden Vorgehensweise.
5. Nahaufnahmen (Porträtaufnahmen) des Gerichts sind nicht zulässig.
6. Nahaufnahmen (Porträtaufnahmen) der Verteidigerin / des Verteidigers und des Sitzungsvertreters / der Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft sind nur zulässig, wenn diese ihre Zustimmung erklären.
7. Von Zeugen und Sachverständigen dürfen ohne ihre Zustimmung keine Aufnahmen angefertigt werden.
8. Darüber hinaus sind Foto-, Film- und Tonbandaufnahmen im Sitzungssaal nicht gestattet. Aufnahmegeräte, Mobiltelefone und Laptops sind während der Verhandlung auszustellen.
9. Die vorstehenden Regelungen befreien die Medienvertreter nicht von der ihnen obliegenden Verpflichtung zu prüfen und zu gewährleisten, dass sie mit ihrer Berichterstattung nicht die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen verletzen.
10. Es wird untersagt, im Sitzungssaal mit den Verfahrensbeteiligten Interviews oder interviewähnliche Gespräche zu führen.
(…)
In seiner Stellungnahme auf Anfrage des Bundesverfassungsgerichts begründet der Vorsitzende die Verfügung nachträglich wie folgt: Wegen
des großen Medieninteresses habe er die von der Rechtsprechung anerkannte und gebilligte Poollösung gewählt. Im Übrigen sei die angegriffene Anordnung das Ergebnis einer von ihm getroffenen Güterabwägung unter Berücksichtigung des hohen Stellenwerts der in Art.
5 GG garantierten Pressefreiheit, der schutzwürdigen Interessen und Persönlichkeitsrechte der beiden Angeklagten und aller weiteren Verfahrensbeteiligten sowie der Pflicht zur Gewährleistung eines geordneten und sachorientierten Sitzungsverlaufs. Diese Güterabwägung wird nicht weiter erläutert.
Die Beschwerdeführerin, der die Gründe der angegriffenen Entscheidungen nach ihrem Vortrag nicht bekannt waren, wendet sich gegen Ziffer 1.a), 3. bis 8., 10. der sitzungspolizeilichen Anordnung sowie Ziffer 4, soweit für eine nicht anonymisierte Abbildung die ausdrückliche Zustimmung der Angeklagten notwendig ist, und beantragt ihre Aussetzung.
Wesentliche Erwägungen der Kammer:
1. Die Kammer hat im Wege des Eilverfahrens die Ziffern 1.a), 3., 5., 6., 7. und 8. Satz 1 der sitzungspolizeilichen Verfügung ausgesetzt, da die Verfassungsbeschwerde hinsichtlich der in diesen Ziffern enthaltenen Anordnungen offensichtlich begründet ist. Ergibt die Prüfung im Eilrechtsschutzverfahren, dass eine Verfassungsbeschwerde offensichtlich begründet wäre, und käme eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren ersichtlich zu spät, läge in der Nichtgewährung von Rechtsschutz ein schwerer Nachteil für das gemeine Wohl.
2. Die aufgehobenen Ziffern der sitzungspolizeilichen Anordnung sind verfassungswidrig, weil der Vorsitzende die Verfügung nicht gegenüber den Betroffenen begründet hat. Die nachträglich übersandte Stellungnahme konnte den Begründungsmangel nicht heilen.
a) Ton- und Bildaufnahmen unmittelbar vor oder nach einer Verhandlung oder in den Sitzungspausen sind von der Presse- und Rundfunkfreiheit umfasst. Eine Anordnung, die solche Aufnahmen ausschließt oder begrenzt, setzt deshalb im Interesse der Wirksamkeit des materiellen Grundrechtsschutzes voraus, dass der Vorsitzende die für seine Entscheidung maßgebenden Gründe offenlegt und dadurch für die Betroffenen erkennen lässt, dass in die Abwägung alle dafür erheblichen Umstände eingestellt worden sind. Der Vorsitzende hat hierbei der Bedeutung der Pressefreiheit Rechnung zu tragen und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Bei der Ermessensausübung sind einerseits die Pressefreiheit und andererseits der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Beteiligten, namentlich der Angeklagten und der Zeugen, aber auch der Anspruch der Beteiligten auf ein faires Verfahren (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG) sowie die Funktionstüchtigkeit der Rechtspflege, insbesondere die ungestörte Wahrheits- und Rechtsfindung zu beachten. Der Vorsitzende muss die Umstände, die Beschränkungen der Pressefreiheit erforderlich machen, darlegen, wenn diese nicht auf der Hand liegen oder sich für einen verständigen Prozessbeteiligten von selbst verstehen.
Dies ist im vorliegenden Fall nicht geschehen. Die sitzungspolizeiliche Verfügung selbst wird nicht begründet. Die später übersendete
Stellungnahme, in der der Vorsitzende nur die Gründe für die Poollösung erläutert und ansonsten, ohne auf die konkreten Umstände näher
einzugehen, lediglich behauptet, dass die angegriffene Anordnung das Ergebnis einer Güterabwägung sei, konnte diesen Mangel nicht heilen. Da im Ergebnis eine sachhaltige Begründung fehlt, ist die sitzungspolizeiliche Anordnung hinsichtlich der genannten Ziffern
auszusetzen.
b) Der Vorsitzende wird den Erlass einer neuen Anordnung zu prüfen haben. Anordnungen, die gemäß 176 GVG die Anfertigung von Bild- und Fernsehaufnahmen vom Geschehen im Sitzungssaal am Rande der Hauptverhandlung beschränken und damit in die Pressefreiheit eingreifen, bedürfen konkreter, auf Gesichtspunkte der Sitzungsleitung bezogener Gründe zum Schutz des Angeklagten und der sonstigen
Verfahrensbeteiligten, eines ungestörten Verlaufs der Sitzung oder der Bedingungen für eine ungestörte Rechts- und Wahrheitsfindung.
Eine Abwägung ist auch für die Frage der Ablichtung von Zeugen und Sachverständigen vorzunehmen. Droht bei einer Abbildung eine erhebliche Belästigung oder Gefährdung für deren Sicherheit, kann der Schutz vor ungewollten Abbildungen auch einem sachlichen, die Wahrheitsfindung fördernden Verfahrensverlauf dienen. Etwas anderes kann dann gelten, wenn sich Zeugen oder Sachverständige bereits zuvor mit ihren Äußerungen freiwillig in die Öffentlichkeit begeben haben.
3. Der weitergehende Antrag der Beschwerdeführerin auf Aussetzung der sitzungspolizeilichen Anordnung hat keinen Erfolg, weil er hinsichtlich Ziffer 4 der Anordnung unzulässig und hinsichtlich Ziffer 8. Satz 2 und10. unbegründet ist. Hinsichtlich des Verbots von Interviews- und interviewähnlichen Gespräche (Ziffer 10.) fehlt es an einem schweren Nachteil für die Beschwerdeführerin im Sinne des 32 BVerfGG. Soweit die Beschwerdeführerin das Verbot von Laptops, Aufnahmegeräten und Mobiltelefonen angreift, ist die Verfassungsbeschwerde offensichtlich unbegründet. Es handelt sich um eine typisierte Regelung zur allgemeinen Gewährleistung eines geordneten Sitzungsablaufs. Die Gründe für die Untersagung dieser Geräte liegen auf der Hand. Werden Aufnahmen während der Verhandlung angefertigt, wird der Anspruch der Beteiligten auf ein faires Verfahren (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art.20 Abs. 3 GG) verletzt. Demgegenüber wird die Pressefreiheit durch die Anordnung nicht in erheblichem Maße beeinträchtigt.
Bundesverfassungsgericht
Schloßbezirk 3
76131 Karlsruhe
Deutschland
Telefon: 0721/91010
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Im Verfahren 1 BvR 1858/14 hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 31. Juli 2014 teilweise stattgegeben. Die zugrundeliegende Verfassungsbeschwerde wendet sich gegen eine sitzungspolizeiliche Anordnung zur Beschränkung der Presseberichterstattung über ein Strafverfahren. Die Beschwerdeführerin ist Verlegerin mehrerer Zeitungen.
Sachverhalt und Verfahrensgang:
Am 11. Juni 2014 begann vor der Großen Strafkammer 1 des Landgerichts die Hauptverhandlung im Strafverfahren wegen eines im Dezember 2013 an inneren Verletzungen verstorbenen dreijährigen Mädchens. Angeklagte des Strafverfahrens sind die Eltern des Kindes. Dem Vater wird die Misshandlung von Schutzbefohlenen und Körperverletzung mit Todesfolge vorgeworfen. Die Mutter ist wegen Mordes angeklagt. Erster Verhandlungstag war der 11. Juni 2014. Insgesamt sind bis Ende September 22 Verhandlungstermine angesetzt. Der nächste Verhandlungstag ist auf den 11. August 2014 terminiert. Der Prozess war und ist Gegenstand umfangreicher Berichterstattung in den regionalen und überregionalen Medien und beschäftigte die Öffentlichkeit so nachhaltig, dass ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss zur Aufklärung von möglichen Fehlern in den zuständigen Behörden und Trägern eingesetzt wurde.
Am 3. Juni 2014 erließ der Vorsitzende der Großen Strafkammer des Landgerichts eine Medienverfügung, die folgenden Wortlaut hat:
In dem Verfahren gegen die Eltern des im Dezember 2013 verstorbenen Kindes … hat der Vorsitzende folgende Anordnung gemäß 176 GVG getroffen:
1. Ton-, Foto- und Filmaufnahmen im Sitzungssaal werden nach Maßgabe der nachstehend beschriebenen "Poollösung" gestattet.
a) Sofern bei den Medien der Wunsch besteht, werden an den Sitzungstagen jeweils unmittelbar vor Beginn der Hauptverhandlung
und nur in Anwesenheit des Gerichts Foto- und Fernsehaufnahmen im Verhandlungssaal gestattet und zwar im Rahmen der sogenannten Poollösung unter der Bedingung, dass die Aufnahmen nicht zu einer Störung des Sitzungsbetriebes führen.
(…)
3. Film und Fotoaufnahmen im Vorraum zum Sitzungssaal (beim Saal 237 der gesamte Bereich hinter der Stahltür) und im Umkreis von 5 m zum Eingang des Sitzungssaals sind nicht gestattet.
4. Die Aufnahmen sowie Zeichnungen der beiden Angeklagten sind zu anonymisieren, es sei denn, diese erklären ausdrücklich ihre Zustimmung zu einer abweichenden Vorgehensweise.
5. Nahaufnahmen (Porträtaufnahmen) des Gerichts sind nicht zulässig.
6. Nahaufnahmen (Porträtaufnahmen) der Verteidigerin / des Verteidigers und des Sitzungsvertreters / der Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft sind nur zulässig, wenn diese ihre Zustimmung erklären.
7. Von Zeugen und Sachverständigen dürfen ohne ihre Zustimmung keine Aufnahmen angefertigt werden.
8. Darüber hinaus sind Foto-, Film- und Tonbandaufnahmen im Sitzungssaal nicht gestattet. Aufnahmegeräte, Mobiltelefone und Laptops sind während der Verhandlung auszustellen.
9. Die vorstehenden Regelungen befreien die Medienvertreter nicht von der ihnen obliegenden Verpflichtung zu prüfen und zu gewährleisten, dass sie mit ihrer Berichterstattung nicht die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen verletzen.
10. Es wird untersagt, im Sitzungssaal mit den Verfahrensbeteiligten Interviews oder interviewähnliche Gespräche zu führen.
(…)
In seiner Stellungnahme auf Anfrage des Bundesverfassungsgerichts begründet der Vorsitzende die Verfügung nachträglich wie folgt: Wegen
des großen Medieninteresses habe er die von der Rechtsprechung anerkannte und gebilligte Poollösung gewählt. Im Übrigen sei die angegriffene Anordnung das Ergebnis einer von ihm getroffenen Güterabwägung unter Berücksichtigung des hohen Stellenwerts der in Art.
5 GG garantierten Pressefreiheit, der schutzwürdigen Interessen und Persönlichkeitsrechte der beiden Angeklagten und aller weiteren Verfahrensbeteiligten sowie der Pflicht zur Gewährleistung eines geordneten und sachorientierten Sitzungsverlaufs. Diese Güterabwägung wird nicht weiter erläutert.
Die Beschwerdeführerin, der die Gründe der angegriffenen Entscheidungen nach ihrem Vortrag nicht bekannt waren, wendet sich gegen Ziffer 1.a), 3. bis 8., 10. der sitzungspolizeilichen Anordnung sowie Ziffer 4, soweit für eine nicht anonymisierte Abbildung die ausdrückliche Zustimmung der Angeklagten notwendig ist, und beantragt ihre Aussetzung.
Wesentliche Erwägungen der Kammer:
1. Die Kammer hat im Wege des Eilverfahrens die Ziffern 1.a), 3., 5., 6., 7. und 8. Satz 1 der sitzungspolizeilichen Verfügung ausgesetzt, da die Verfassungsbeschwerde hinsichtlich der in diesen Ziffern enthaltenen Anordnungen offensichtlich begründet ist. Ergibt die Prüfung im Eilrechtsschutzverfahren, dass eine Verfassungsbeschwerde offensichtlich begründet wäre, und käme eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren ersichtlich zu spät, läge in der Nichtgewährung von Rechtsschutz ein schwerer Nachteil für das gemeine Wohl.
2. Die aufgehobenen Ziffern der sitzungspolizeilichen Anordnung sind verfassungswidrig, weil der Vorsitzende die Verfügung nicht gegenüber den Betroffenen begründet hat. Die nachträglich übersandte Stellungnahme konnte den Begründungsmangel nicht heilen.
a) Ton- und Bildaufnahmen unmittelbar vor oder nach einer Verhandlung oder in den Sitzungspausen sind von der Presse- und Rundfunkfreiheit umfasst. Eine Anordnung, die solche Aufnahmen ausschließt oder begrenzt, setzt deshalb im Interesse der Wirksamkeit des materiellen Grundrechtsschutzes voraus, dass der Vorsitzende die für seine Entscheidung maßgebenden Gründe offenlegt und dadurch für die Betroffenen erkennen lässt, dass in die Abwägung alle dafür erheblichen Umstände eingestellt worden sind. Der Vorsitzende hat hierbei der Bedeutung der Pressefreiheit Rechnung zu tragen und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Bei der Ermessensausübung sind einerseits die Pressefreiheit und andererseits der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Beteiligten, namentlich der Angeklagten und der Zeugen, aber auch der Anspruch der Beteiligten auf ein faires Verfahren (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG) sowie die Funktionstüchtigkeit der Rechtspflege, insbesondere die ungestörte Wahrheits- und Rechtsfindung zu beachten. Der Vorsitzende muss die Umstände, die Beschränkungen der Pressefreiheit erforderlich machen, darlegen, wenn diese nicht auf der Hand liegen oder sich für einen verständigen Prozessbeteiligten von selbst verstehen.
Dies ist im vorliegenden Fall nicht geschehen. Die sitzungspolizeiliche Verfügung selbst wird nicht begründet. Die später übersendete
Stellungnahme, in der der Vorsitzende nur die Gründe für die Poollösung erläutert und ansonsten, ohne auf die konkreten Umstände näher
einzugehen, lediglich behauptet, dass die angegriffene Anordnung das Ergebnis einer Güterabwägung sei, konnte diesen Mangel nicht heilen. Da im Ergebnis eine sachhaltige Begründung fehlt, ist die sitzungspolizeiliche Anordnung hinsichtlich der genannten Ziffern
auszusetzen.
b) Der Vorsitzende wird den Erlass einer neuen Anordnung zu prüfen haben. Anordnungen, die gemäß 176 GVG die Anfertigung von Bild- und Fernsehaufnahmen vom Geschehen im Sitzungssaal am Rande der Hauptverhandlung beschränken und damit in die Pressefreiheit eingreifen, bedürfen konkreter, auf Gesichtspunkte der Sitzungsleitung bezogener Gründe zum Schutz des Angeklagten und der sonstigen
Verfahrensbeteiligten, eines ungestörten Verlaufs der Sitzung oder der Bedingungen für eine ungestörte Rechts- und Wahrheitsfindung.
Eine Abwägung ist auch für die Frage der Ablichtung von Zeugen und Sachverständigen vorzunehmen. Droht bei einer Abbildung eine erhebliche Belästigung oder Gefährdung für deren Sicherheit, kann der Schutz vor ungewollten Abbildungen auch einem sachlichen, die Wahrheitsfindung fördernden Verfahrensverlauf dienen. Etwas anderes kann dann gelten, wenn sich Zeugen oder Sachverständige bereits zuvor mit ihren Äußerungen freiwillig in die Öffentlichkeit begeben haben.
3. Der weitergehende Antrag der Beschwerdeführerin auf Aussetzung der sitzungspolizeilichen Anordnung hat keinen Erfolg, weil er hinsichtlich Ziffer 4 der Anordnung unzulässig und hinsichtlich Ziffer 8. Satz 2 und10. unbegründet ist. Hinsichtlich des Verbots von Interviews- und interviewähnlichen Gespräche (Ziffer 10.) fehlt es an einem schweren Nachteil für die Beschwerdeführerin im Sinne des 32 BVerfGG. Soweit die Beschwerdeführerin das Verbot von Laptops, Aufnahmegeräten und Mobiltelefonen angreift, ist die Verfassungsbeschwerde offensichtlich unbegründet. Es handelt sich um eine typisierte Regelung zur allgemeinen Gewährleistung eines geordneten Sitzungsablaufs. Die Gründe für die Untersagung dieser Geräte liegen auf der Hand. Werden Aufnahmen während der Verhandlung angefertigt, wird der Anspruch der Beteiligten auf ein faires Verfahren (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art.20 Abs. 3 GG) verletzt. Demgegenüber wird die Pressefreiheit durch die Anordnung nicht in erheblichem Maße beeinträchtigt.
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