12.08.2014 10:26 Uhr in Gesundheit & Wellness von Eberhard-Karls-Universität Tübingen
Was die Arterien verstopfen kann
Kurzfassung: Was die Arterien verstopfen kannAtherosklerose, umgangssprachlich auch Arterienverkalkung genannt, kann zu Herzinfarkt und Schlaganfall führen und ist die häufigste Todesursache in der westlichen We ...
[Eberhard-Karls-Universität Tübingen - 12.08.2014] Was die Arterien verstopfen kann
Atherosklerose, umgangssprachlich auch Arterienverkalkung genannt, kann zu Herzinfarkt und Schlaganfall führen und ist die häufigste Todesursache in der westlichen Welt. Wissenschaftler kennen bereits etliche Faktoren wie zum Beispiel einen hohen Cholesterinspiegel, die bei der chronisch entzündlichen Erkrankung zu Ablagerungen und Verdickungen in den Wänden der Blutgefäße führen. Diese Plaques engen die Gefäße häufig stark ein oder führen sogar zur Bildung von Blutgerinnseln, so dass Herz oder Gehirn nicht mehr ausreichend mit Blut und Sauerstoff versorgt und in der Folge geschädigt werden. Um die komplizierten Abläufe, die zu den gefährlichen atherosklerotischen Plaques führen, besser zu verstehen, haben Wissenschaftler vom Interfakultären Institut für Biochemie (IFIB) der Universität Tübingen die Rolle glatter Muskelzellen aus der Gefäßwand in einer neuen Studie genauer untersucht. Ihre an Mäusen gewonnenen Ergebnisse zeigen, dass die Wandlungsfähigkeit dieser Zellen und ihre Bedeutung bei der Krankheitsentstehung bei früheren Experimenten deutlich unterschätzt wurden. Nun zeichnet sich auch eine neue Strategie für die Therapie ab.
Fette werden an Proteine gebunden über das Blut zwischen Darm, Leber und dem restlichen Körper hin und her transportiert. Sind die Blutfettwerte wie auch der Cholesterinspiegel besonders hoch, stellt dies einen Risikofaktor für Atherosklerose dar. Tatsächlich werden bei der Erkrankung verstärkt Partikel aus Fetten und Proteinen in die Gefäßwände eingelagert. Doch entstehen die gefährlichen Plaques nicht allein durch Ablagerung solcher Lipoproteine. "In den Plaques befinden sich auch verschiedene Zellen, deren Herkunft aus dem Blut oder umliegenden Geweben bisher unklar war", berichtet Professor Robert Feil vom IFIB. Dies sind unter anderem Makrophagen, die zu den weißen Blutkörperchen gehören und die im Immunsystem als "Fresszellen" für die Beseitigung von Krankheitserregern zuständig sind. Die Makrophagen in den atherosklerotischen Plaques "fressen"die Lipoproteine und werden dann zu sogenannten Schaumzellen. Bisher nahm man an, dass die Plaque-Makrophagen aus Vorläuferzellen entstehen, die mit dem Blutstrom antransportiert werden, den Monozyten.
Das Tübinger Forscherteam verfolgte an gentechnisch veränderten Mäusen, die eine Atherosklerose entwickeln, gezielt das Schicksal von glatten Muskelzellen aus der Gefäßwand der Arterien. Dabei setzten sie Reportergene ein, die den Forschern anzeigen, wo sich die Zellen im Gewebe jeweils befinden. Normalerweise regulieren die Muskelzellen durch ihre Kontraktion und Relaxation den Gefäßtonus und Blutdruck. "Überraschenderweise haben sich die glatten Muskelzellen in atherosklerotischen Blutgefäßen in großem Stil in Makrophagen verwandelt", sagt Dr. Susanne Feil vom IFIB, die Erstautorin der Studie. "Wir gehen davon aus, dass die Makrophagen in bestimmten atherosklerotischen Plaques größtenteils aus dieser Quelle stammen und nicht nur aus Monozyten im Blut. Die von uns in Mäusen beobachtete Plastizität der glatten Muskelzellen scheint auch im Menschen vorzukommen und könnte eine wichtige Rolle bei der Entstehung von atherosklerotischen Herzerkrankungen spielen", so ihr Fazit.
Das Forscherteam konnte auch klären, warum bisherige Experimente an erkrankten Blutgefäßen den Übergang der glatten Muskelzellen in Makrophagen nicht erkennen ließen: Im Gegensatz zur neuen Studie wurden dort Marker für bestimmte Strukturen verwendet, die zwar normalerweise in glatten Muskelzellen sitzen, aber bei ihrer Umwandlung verloren gehen. Auf diese Weise wurden die verwandelten Muskelzellen in den älteren Experimenten sozusagen unsichtbar. Robert Feil zeigt auf, warum die neuen Ergebnisse auch für die Praxis bedeutsam sind: "Die glatten Muskelzellen beziehungsweise die Prozesse zum Umbau in Makrophagen bieten neue Ansatzpunkte für Wirkstoffe zur Behandlung von Atherosklerose und anderen Erkrankungen, an denen diese Zelltypen beteiligt sind."
Originalpublikation:
Susanne Feil, Birgit Fehrenbacher, Robert Lukowski, Frank Essmann, Klaus Schulze-Osthoff, Martin Schaller, Robert Feil: Transdifferentiation of Vascular Smooth Muscle Cells to Macrophage-Like Cells During Atherogenesis. Circulation Research, DOI 10.1161/CIRCRESAHA.115.304634
Kontakt:
Prof. Dr. Robert Feil
Universität Tübingen
Medizinische und Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät
Interfakultäres Institut für Biochemie (IFIB)
Telefon +49 7071 29-73350
robert.feil[at]uni-tuebingen.de
Atherosklerose, umgangssprachlich auch Arterienverkalkung genannt, kann zu Herzinfarkt und Schlaganfall führen und ist die häufigste Todesursache in der westlichen Welt. Wissenschaftler kennen bereits etliche Faktoren wie zum Beispiel einen hohen Cholesterinspiegel, die bei der chronisch entzündlichen Erkrankung zu Ablagerungen und Verdickungen in den Wänden der Blutgefäße führen. Diese Plaques engen die Gefäße häufig stark ein oder führen sogar zur Bildung von Blutgerinnseln, so dass Herz oder Gehirn nicht mehr ausreichend mit Blut und Sauerstoff versorgt und in der Folge geschädigt werden. Um die komplizierten Abläufe, die zu den gefährlichen atherosklerotischen Plaques führen, besser zu verstehen, haben Wissenschaftler vom Interfakultären Institut für Biochemie (IFIB) der Universität Tübingen die Rolle glatter Muskelzellen aus der Gefäßwand in einer neuen Studie genauer untersucht. Ihre an Mäusen gewonnenen Ergebnisse zeigen, dass die Wandlungsfähigkeit dieser Zellen und ihre Bedeutung bei der Krankheitsentstehung bei früheren Experimenten deutlich unterschätzt wurden. Nun zeichnet sich auch eine neue Strategie für die Therapie ab.
Fette werden an Proteine gebunden über das Blut zwischen Darm, Leber und dem restlichen Körper hin und her transportiert. Sind die Blutfettwerte wie auch der Cholesterinspiegel besonders hoch, stellt dies einen Risikofaktor für Atherosklerose dar. Tatsächlich werden bei der Erkrankung verstärkt Partikel aus Fetten und Proteinen in die Gefäßwände eingelagert. Doch entstehen die gefährlichen Plaques nicht allein durch Ablagerung solcher Lipoproteine. "In den Plaques befinden sich auch verschiedene Zellen, deren Herkunft aus dem Blut oder umliegenden Geweben bisher unklar war", berichtet Professor Robert Feil vom IFIB. Dies sind unter anderem Makrophagen, die zu den weißen Blutkörperchen gehören und die im Immunsystem als "Fresszellen" für die Beseitigung von Krankheitserregern zuständig sind. Die Makrophagen in den atherosklerotischen Plaques "fressen"die Lipoproteine und werden dann zu sogenannten Schaumzellen. Bisher nahm man an, dass die Plaque-Makrophagen aus Vorläuferzellen entstehen, die mit dem Blutstrom antransportiert werden, den Monozyten.
Das Tübinger Forscherteam verfolgte an gentechnisch veränderten Mäusen, die eine Atherosklerose entwickeln, gezielt das Schicksal von glatten Muskelzellen aus der Gefäßwand der Arterien. Dabei setzten sie Reportergene ein, die den Forschern anzeigen, wo sich die Zellen im Gewebe jeweils befinden. Normalerweise regulieren die Muskelzellen durch ihre Kontraktion und Relaxation den Gefäßtonus und Blutdruck. "Überraschenderweise haben sich die glatten Muskelzellen in atherosklerotischen Blutgefäßen in großem Stil in Makrophagen verwandelt", sagt Dr. Susanne Feil vom IFIB, die Erstautorin der Studie. "Wir gehen davon aus, dass die Makrophagen in bestimmten atherosklerotischen Plaques größtenteils aus dieser Quelle stammen und nicht nur aus Monozyten im Blut. Die von uns in Mäusen beobachtete Plastizität der glatten Muskelzellen scheint auch im Menschen vorzukommen und könnte eine wichtige Rolle bei der Entstehung von atherosklerotischen Herzerkrankungen spielen", so ihr Fazit.
Das Forscherteam konnte auch klären, warum bisherige Experimente an erkrankten Blutgefäßen den Übergang der glatten Muskelzellen in Makrophagen nicht erkennen ließen: Im Gegensatz zur neuen Studie wurden dort Marker für bestimmte Strukturen verwendet, die zwar normalerweise in glatten Muskelzellen sitzen, aber bei ihrer Umwandlung verloren gehen. Auf diese Weise wurden die verwandelten Muskelzellen in den älteren Experimenten sozusagen unsichtbar. Robert Feil zeigt auf, warum die neuen Ergebnisse auch für die Praxis bedeutsam sind: "Die glatten Muskelzellen beziehungsweise die Prozesse zum Umbau in Makrophagen bieten neue Ansatzpunkte für Wirkstoffe zur Behandlung von Atherosklerose und anderen Erkrankungen, an denen diese Zelltypen beteiligt sind."
Originalpublikation:
Susanne Feil, Birgit Fehrenbacher, Robert Lukowski, Frank Essmann, Klaus Schulze-Osthoff, Martin Schaller, Robert Feil: Transdifferentiation of Vascular Smooth Muscle Cells to Macrophage-Like Cells During Atherogenesis. Circulation Research, DOI 10.1161/CIRCRESAHA.115.304634
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