Forschen, wo Mikroskope an ihre Grenzen stoßen

Kurzfassung: Forschen, wo Mikroskope an ihre Grenzen stoßenNeurowissenschaften und Meeresforschung - zwei wissenschaftliche Disziplinen, die auf den ersten Blick nicht viel gemein haben. Doch gerade im Kleinen - ...
[Institut für Ostseeforschung Warnemünde - 18.08.2014] Forschen, wo Mikroskope an ihre Grenzen stoßen
Neurowissenschaften und Meeresforschung - zwei wissenschaftliche Disziplinen, die auf den ersten Blick nicht viel gemein haben. Doch gerade im Kleinen - auf der Ebene einzelner Zellen - gibt es gemeinsame Ziele. So besteht in beiden Forschungsbereichen ein großes Interesse an innovativen Mikroskopie-Methoden, die vor allem die Strukturen und den inneren Aufbau von Zellen noch besser auflösen.
Prof. Dr. Silvio O. Rizzoli vom European Neuroscience Institute in Göttingen hatte deshalb die Idee, in Zusammenarbeit mit Dr. Angela Vogts vom IOW eine neue, noch leistungsfähigere Untersuchungsmethode zu entwickeln, indem zwei Spitzentechnologien kombiniert werden: Die STED-Mikroskopie der Göttinger und die Sekundärionenmassenspektrometrie (SIMS) aus Warnemünde. Die neue Methode liefert einzigartige, noch genauere Einblicke in die Vorgänge im Inneren von Zellen und wurde im renommierten Fachmagazin Nature Communications veröffentlicht.
Bei der STED-Mikroskopie (STED = stimulated emission depletion) wird das von der zu untersuchenden Probe emittierte Licht durch einen ringförmigen Laser am Rand ausgeblendet, so dass der Bereich von Interesse wie durch ein Schlüsselloch betrachtet wird. Dies ermöglicht die physikalischen Grenzen der normalen Lichtmikrokopie zu durchbrechen. Es lassen sich damit zum Beispiel Teile von Gehirnzellen betrachten, die 1000 Mal kleiner sind als der Durchmesser eines Haares. Prof. Dr. Silvio O. Rizzoli ist in Göttingen Leiter der Arbeitsgruppe STED-Mikroskopie synaptischer Funktionen. Seine Arbeitsgruppe nutzt die hohe laterale Auflösung der STED-Mikroskopie, um die Funktionsweise synaptischer Vesikel zu beleuchten. Diese Organellen dienen im Gehirn als Speicher für Neurotransmitter, das sind chemische Verbindungen, die zur Signalübermittlung dienen.
Das IOW brachte seine Expertise aus dem NanoSIMS-Labor in das Projekt ein. Denn seit Ende 2011 steht im IOW ein echtes Schwergewicht der Analytik - das CAMECA NanoSIMS 50L, eines von nur vier vergleichbaren Hochleistungsmessgeräten in Deutschland und das einzige im Ostseeraum. Im Namen - "SIMS" steht für Sekundärionenmassenspektrometer - versteckt sich das Funktionsprinzip der Anlage. Die zu untersuchende Probe wird dabei kontinuierlich mit einem fokussierten Strahl aus sogenannten Primärionen beschossen. Dieses Miniaturbombardement löst Atome und Moleküle aus der Oberfläche der Probe, die zum Teil geladen sind. Diese Sekundärionen werden dann im Massenspektrometer identifiziert. Auf diese Weise können im NanoSIMS-Labor unter Leitung von Dr. Angela Vogts die genaue stoffliche Zusammensetzung einzelner Zellen - beispielsweise von im Meer lebenden Bakterien - analysiert und Markierungsexperimente durchgeführt werden. Denn sobald ein Mikroorganismus eine isotopenmarkierte Substanz aufgenommen hat, können die IOW-WissenschaftlerInnen dank NanoSIMS die Stoffwechselwege genau verfolgen, also wie und in was die Zelle die betreffende Substanz weiterverarbeitet.
Werden beide Techniken bei gleicher räumlicher Auflösung auf die gleiche Probe angewandt, eröffnen sich völlig neue, noch genauere Einblicke in das Innere von Zellen - ganz gleich ob Hirnzelle oder marines Bakterium. Mit den optischen Informationen aus der STED-Mikroskopie und den zusätzlichen Informationen über die elementare und isotopische Zusammensetzung aus dem NanoSIMS können einzelne Zellbereiche noch genauer unter die Lupe genommen werden. So ist es mit der neuen Methode im Gegensatz zur konventionellen Mikroskopie nun möglich, die genaue Struktur und Organisation innerhalb einer Zelle sichtbar zu machen. Beispielsweise konnten die Wissenschaftler zeigen, dass die neue Methode nun neun klar unterscheidbare aktive Bereiche - Zellregionen, in denen gerade neue Strukturen aufgebaut werden - unterscheidet, während die herkömmliche Technik nur zwei unscharfe Flecken zeigt. Dies eröffnet die Möglichkeit, Informationen über Stoffumsätze in kleinsten Zellbereichen zu untersuchen, um Abläufe besser zu verstehen. Ein solches Wissen ist wertvoll für die Erforschung von Mechanismen im Gehirn, aber auch von Stoffwechselwegen in Mikroorganismen der Ostsee.
Prof. Dr. Silvio O. Rizzoli wird weiter mit den KollegInnen des Leibniz-Instituts für Ostseeforschung (IOW) zusammenarbeiten. Angedacht wurde zum Beispiel die Bildung von Giftstoffen durch Cyanobakterien, auch bekannt als Blaualgen, genauer zu untersuchen.
Kontakt:
Dr. Angela Vogts, Leiterin NanoSIMS Labor, IOW
(Tel.: 0381 / 5197 353, Email: angela.vogts@io-warnemuende.de)
Nils Ehrenberg, Öffentlichkeitsarbeit, IOW
(Tel.: 0381 / 5197 106, Email: nils.ehrenberg@io-warnemuende.de)
Prof. Silvio Rizzoli, European Neuroscience Institute
(Tel.: 0551 / 39 33630, Email: srizzol@gwdg.de)
Originalpublikation :
Sinem K. Saka, Angela Vogts, Katharina Kröhnert, François Hillion, Silvio O Rizzoli, Johannes T. Wessels. Correlated optical and isotopic nanoscopy. Nature Communications 5, Article number: 3664, doi:10.1038/ncomms4664, 10.04.2014.
Pressemitteilung Göttingen:
http://www.med.uni-goettingen.de/presseinformationen/presseinformationen_20817.asp
Das European Neuroscience Institute in Göttingen ist eine Kooperation zwischen dem Universitätsmedizinischen Zentrum der Georg-August-University Göttingen und der Max-Planck Gesellschaft. Das Institut widmet sich der experimentellen Erforschung der Funktionen und Krankheiten des Nervensystems.
Das IOW ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft, zu der zurzeit 89 Forschungsinstitute und wissenschaftliche Infrastruktureinrichtungen für die Forschung gehören. Die Ausrichtung der Leibniz-Institute reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Sozial- und Raumwissenschaften bis hin zu den Geisteswissenschaften. Bund und Länder fördern die Institute gemeinsam. Insgesamt beschäftigen die Leibniz-Institute etwa 17.500 MitarbeiterInnen, davon sind ca. 8.800 WissenschaftlerInnen. Der Gesamtetat der Institute liegt bei 1,53 Mrd. Euro, die Drittmittel betragen rund 350 Mio. Euro pro Jahr. (www.leibniz-gemeinschaft.de)
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