10.09.2014 14:49 Uhr in Wirtschaft & Finanzen von Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung DIW Berlin
Gefahr einer Deflation im Euroraum nicht gebannt
Kurzfassung: Gefahr einer Deflation im Euroraum nicht gebannt DIW Berlin: Inflationserwartungen der Marktteilnehmer sind nicht mehr fest verankertDie Gefahr des Abrutschens in eine Deflation ist nach Ansicht des D ...
[Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung DIW Berlin - 10.09.2014] Gefahr einer Deflation im Euroraum nicht gebannt
DIW Berlin: Inflationserwartungen der Marktteilnehmer sind nicht mehr fest verankert
Die Gefahr des Abrutschens in eine Deflation ist nach Ansicht des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) trotz der jüngsten Beschlüsse der Europäischen Zentralbank (EZB) nicht gebannt. Der Erfolg der Maßnahmen, mit denen die EZB die äußerst schwache Preisentwicklung im Euroraum bekämpfen und die Kreditvergabe der Banken ankurbeln möchte, sei keineswegs sicher, schreiben DIW-Präsident Marcel Fratzscher und die DIW-Geldpolitikexperten Kerstin Bernoth und Philipp König in ihrer Analyse, die im aktuellen DIW Wochenbericht erschienen ist. Sorgen bereitet den Ökonomen vor allem, dass die Inflationserwartungen im Euroraum offensichtlich nicht mehr fest verankert sind. Mehrere Indikatoren und Umfragen zeigen, dass Marktteilnehmer und Experten auf absehbare Zeit Teuerungsraten erwarten, die weit unterhalb der Zielmarke der EZB von knapp unter zwei Prozent liegen. Deutliche Abweichungen der erwarteten von der angestrebten Preisentwicklung signalisieren ein sinkendes Vertrauen in die Fähigkeit der Notenbank, ihrem Mandat der Preisstabilität gerecht zu werden. "Die EZB hat die geldpolitischen Zügel zwar stark gelockert", so DIW-Präsident Marcel Fratzscher. "Doch eine expansive Geldpolitik allein reicht nicht aus, um Europa aus der Krise zu führen. Die Regierungen müssen endlich ihre Hausaufgaben machen und über die Wirtschaftspolitik die Weichen für mehr Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum stellen."
Inflationserwartungen weit unterhalb der EZB-Zielmarke
Die Inflationsrate lag im August bei nur noch 0,3 Prozent im Euroraum und bei 0,8 Prozent in Deutschland, jeweils gegenüber dem Vorjahresmonat. Damit befinden sich die Preissteigerungen im Euroraum bereits seit März 2013 weit unterhalb des von der EZB angestrebten Inflationsziels. Wenn es nach den Markterwartungen geht, wird sich dies in naher Zukunft auch nicht ändern: Sie liegen bei 0,44 Prozent für einen einjährigen Horizont, bei 0,74 Prozent für einen zweijährigen Horizont und bei 0,95 Prozent für einen dreijährigen Horizont. Auch eine Umfrage, für die die EZB seit dem Jahr 1999 vierteljährlich rund 60 Experten nach ihren Inflationserwartungen befragt, bestätigt den Trend; hier beträgt der Mittelwert für eine zweijährige Inflationsprognose 1,4 Prozent. Zudem treffen die Experten ihre Einschätzungen mit einer im Vergleich zur Vorkrisenzeit erhöhten Unsicherheit. "Die Entwicklung der Inflationserwartungen ist für eine Zentralbank besonders wichtig, da sie in die Lohn- und Preissetzung von Unternehmen sowie Konsum- und Investitionsentscheidungen von Haushalten einfließen", erklärt DIW-Geldpolitikexpertin Kerstin Bernoth. "Eine lange Phase niedriger Inflationsraten verbunden mit geringen Inflationserwartungen birgt die Gefahr des Abrutschens in eine anhaltende Deflation, also eine Phase sinkender Preise mit wirtschaftlicher Stagnation und hoher Arbeitslosigkeit."
Effekte der Liquiditätsprogramme auf die Kreditvergabe der Banken sind ungewiss
Ob die von der EZB beschlossenen unkonventionellen geldpolitischen Maßnahmen ein solches Szenario verhindern können, ist derweil nicht sicher. Im Juni und September hatte der Rat der Notenbank unter anderem Leitzinssenkungen, zielgerichtete und längerfristige Refinanzierungsgeschäfte sowie Kaufprogramme für Wertpapiere angekündigt. Seitdem müssen Geschäftsbanken, die ihr Geld sicher bei der Zentralbank parken und nicht an andere Institute verleihen möchten, Strafzinsen zahlen (0,2 Prozent). Allerdings ist fraglich, ob dies die Banken zu einer verstärkten Kreditvergabe vor allem an kleine und mittlere Unternehmen in den südeuropäischen Krisenländern animieren wird. Auch die gezielten längerfristigen Liquiditätsoperationen, sogenannte TLTROs, dürften nur einen begrenzten Effekt auf die Kreditvergabe haben. "Hinzu kommt das Risiko, dass die Banken das Geld in höher verzinste Staatsanleihen der Krisenländer stecken und Unternehmen weiterhin leer ausgehen", warnt Bernoth.
Ebenfalls unsicher ist die Wirkung der neuen Wertpapierkaufprogramme: Ein Teil der sogenannten ABS- und RMBS-Papiere dürfte den Risikokontrollanforderungen der EZB nicht genügen; dies gilt vor allem für Kreditverbriefungen aus den Krisenländern. Hinzu kommt die Herausforderung, durch eine geschickte Gestaltung des Programms die Banken daran zu hindern, Kredite minderer Qualität zu verbriefen und an die EZB abzustoßen. "Die EZB hat entschieden gehandelt", so Fratzscher, "doch es ist keinesfalls sicher, dass diese Maßnahmen ausreichen werden, um die Gefahren eines Abgleitens in die Deflation und einer dauerhaften Kreditklemme zu senken."
Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung DIW Berlin
Mohrenstraße 58
10117 Berlin
Deutschland
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Mail: postmaster@diw.de
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DIW Berlin: Inflationserwartungen der Marktteilnehmer sind nicht mehr fest verankert
Die Gefahr des Abrutschens in eine Deflation ist nach Ansicht des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) trotz der jüngsten Beschlüsse der Europäischen Zentralbank (EZB) nicht gebannt. Der Erfolg der Maßnahmen, mit denen die EZB die äußerst schwache Preisentwicklung im Euroraum bekämpfen und die Kreditvergabe der Banken ankurbeln möchte, sei keineswegs sicher, schreiben DIW-Präsident Marcel Fratzscher und die DIW-Geldpolitikexperten Kerstin Bernoth und Philipp König in ihrer Analyse, die im aktuellen DIW Wochenbericht erschienen ist. Sorgen bereitet den Ökonomen vor allem, dass die Inflationserwartungen im Euroraum offensichtlich nicht mehr fest verankert sind. Mehrere Indikatoren und Umfragen zeigen, dass Marktteilnehmer und Experten auf absehbare Zeit Teuerungsraten erwarten, die weit unterhalb der Zielmarke der EZB von knapp unter zwei Prozent liegen. Deutliche Abweichungen der erwarteten von der angestrebten Preisentwicklung signalisieren ein sinkendes Vertrauen in die Fähigkeit der Notenbank, ihrem Mandat der Preisstabilität gerecht zu werden. "Die EZB hat die geldpolitischen Zügel zwar stark gelockert", so DIW-Präsident Marcel Fratzscher. "Doch eine expansive Geldpolitik allein reicht nicht aus, um Europa aus der Krise zu führen. Die Regierungen müssen endlich ihre Hausaufgaben machen und über die Wirtschaftspolitik die Weichen für mehr Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum stellen."
Inflationserwartungen weit unterhalb der EZB-Zielmarke
Die Inflationsrate lag im August bei nur noch 0,3 Prozent im Euroraum und bei 0,8 Prozent in Deutschland, jeweils gegenüber dem Vorjahresmonat. Damit befinden sich die Preissteigerungen im Euroraum bereits seit März 2013 weit unterhalb des von der EZB angestrebten Inflationsziels. Wenn es nach den Markterwartungen geht, wird sich dies in naher Zukunft auch nicht ändern: Sie liegen bei 0,44 Prozent für einen einjährigen Horizont, bei 0,74 Prozent für einen zweijährigen Horizont und bei 0,95 Prozent für einen dreijährigen Horizont. Auch eine Umfrage, für die die EZB seit dem Jahr 1999 vierteljährlich rund 60 Experten nach ihren Inflationserwartungen befragt, bestätigt den Trend; hier beträgt der Mittelwert für eine zweijährige Inflationsprognose 1,4 Prozent. Zudem treffen die Experten ihre Einschätzungen mit einer im Vergleich zur Vorkrisenzeit erhöhten Unsicherheit. "Die Entwicklung der Inflationserwartungen ist für eine Zentralbank besonders wichtig, da sie in die Lohn- und Preissetzung von Unternehmen sowie Konsum- und Investitionsentscheidungen von Haushalten einfließen", erklärt DIW-Geldpolitikexpertin Kerstin Bernoth. "Eine lange Phase niedriger Inflationsraten verbunden mit geringen Inflationserwartungen birgt die Gefahr des Abrutschens in eine anhaltende Deflation, also eine Phase sinkender Preise mit wirtschaftlicher Stagnation und hoher Arbeitslosigkeit."
Effekte der Liquiditätsprogramme auf die Kreditvergabe der Banken sind ungewiss
Ob die von der EZB beschlossenen unkonventionellen geldpolitischen Maßnahmen ein solches Szenario verhindern können, ist derweil nicht sicher. Im Juni und September hatte der Rat der Notenbank unter anderem Leitzinssenkungen, zielgerichtete und längerfristige Refinanzierungsgeschäfte sowie Kaufprogramme für Wertpapiere angekündigt. Seitdem müssen Geschäftsbanken, die ihr Geld sicher bei der Zentralbank parken und nicht an andere Institute verleihen möchten, Strafzinsen zahlen (0,2 Prozent). Allerdings ist fraglich, ob dies die Banken zu einer verstärkten Kreditvergabe vor allem an kleine und mittlere Unternehmen in den südeuropäischen Krisenländern animieren wird. Auch die gezielten längerfristigen Liquiditätsoperationen, sogenannte TLTROs, dürften nur einen begrenzten Effekt auf die Kreditvergabe haben. "Hinzu kommt das Risiko, dass die Banken das Geld in höher verzinste Staatsanleihen der Krisenländer stecken und Unternehmen weiterhin leer ausgehen", warnt Bernoth.
Ebenfalls unsicher ist die Wirkung der neuen Wertpapierkaufprogramme: Ein Teil der sogenannten ABS- und RMBS-Papiere dürfte den Risikokontrollanforderungen der EZB nicht genügen; dies gilt vor allem für Kreditverbriefungen aus den Krisenländern. Hinzu kommt die Herausforderung, durch eine geschickte Gestaltung des Programms die Banken daran zu hindern, Kredite minderer Qualität zu verbriefen und an die EZB abzustoßen. "Die EZB hat entschieden gehandelt", so Fratzscher, "doch es ist keinesfalls sicher, dass diese Maßnahmen ausreichen werden, um die Gefahren eines Abgleitens in die Deflation und einer dauerhaften Kreditklemme zu senken."
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