07.10.2014 11:25 Uhr in Gesellschaft & Familie von Auswärtiges Amt
Rede von Außenminister Frank-Walter Steinmeier zur Verleihung des Deutschen Afrikapreises
Kurzfassung: Rede von Außenminister Frank-Walter Steinmeier zur Verleihung des Deutschen AfrikapreisesSehr geehrter Herr Dr. Haidara,liebe Kolleginnen und Kollegen des Deutschen Bundestags,lieber Herr Präsident ...
[Auswärtiges Amt - 07.10.2014] Rede von Außenminister Frank-Walter Steinmeier zur Verleihung des Deutschen Afrikapreises
Sehr geehrter Herr Dr. Haidara,
liebe Kolleginnen und Kollegen des Deutschen Bundestags,
lieber Herr Präsident Fischer,
Exzellenzen, Mitglieder des
diplomatischen Korps,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
Die deutsche Afrika-Stiftung stellt hohe Anforderungen an den Menschen, den sie mit dem Afrika-Preis auszeichnet. Nicht nur muss er Herausragendes geleistet haben, auch Eigenschaften verkörpern, die preiswürdig sind. Der Afrika-Preisträger des heutigen Abends verkörpert ohne Zweifel Mut, Durchhaltevermögen und Selbstbehauptung. Wir haben es gehört: Fanatiker erobern Timbuktu und zerstören Moscheen. Sie missbrauchen den Namen des Islam, um zu vernichten, was nicht in ihr Weltbild passt.
Sie, Herr Dr. Haidara, stellten sich dem entgegen. Mit der Hilfe vieler Gleichgesinnter versteckten Sie die kostbaren Handschriften unter schwierigsten Bedingungen. Das erforderte großen Mut - weil wir wissen, dass die Terroristen auch in Mali vor extremer Brutalität nicht zurückscheuten. Sie haben Ihr Leben aufs Spiel gesetzt, um Kulturschätze vor Fanatikern zu retten. Dokumente zu Recht, Theologie und Geschichte, die belegen, wie eng der Sahel mit der arabischen Welt verbunden war und welch wichtige Rolle afrikanische Gelehrte in den damaligen Diskussionen spielten. Den meisten Europäern war diese Tatsache nicht bekannt. Hegel hielt Afrika gar für einen geschichtslosen Kontinent. Hier lag er falsch.
Und, Herr Dr. Haidara, Ihre Rettungsaktion erforderte großen Durchhaltewillen. Es war nicht absehbar, wie lange die Herrschaft der Terroristen dauern würde. Was wäre passiert, wenn doch jemand Sie verraten hätte? Wie lange hätte man das Verstecken aufrechterhalten können? Heute freuen wir uns, dass 95 % der Handschriften gerettet werden konnten. Aber es hätte auch ganz anders ausgehen können.
Und - drittens - es zeugt von einer großen Selbstbehauptung. Herr Dr. Haidara und die Bürgerinnen und Bürger Timbuktus haben ein klares Signal des Widerstands gegenüber denjenigen gegeben, die unter falscher Berufung auf die Religion ein Regime von Gewalt und Zerstörung errichten wollten. Sie, Herr Haidara, wollten ihr Land, ihre Gesellschaft nicht von Extremisten in den Abgrund führen lassen.
Gerade dies ist eine unerlässliche Voraussetzung für eine wirksame Bekämpfung des islamistischen Terrorismus. Internationale Anstrengungen können nur dann erfolgreich sein, wenn Muslime selbst den islamistischen Terroristen die Legitimität entziehen. Wenn die muslimische Welt aufsteht und ruft: "Diese Radikalen sprechen nicht für den Islam! Sie missbrauchen den Islam!" Dies gilt in Mali ebenso wie im Irak.
Deutschland steht an der Seite aller, die sich von islamistischem Terror nicht das Recht auf ein Leben in Würde nehmen lassen wollen - ob in Mali oder in anderen Ländern.
Mut, Durchhaltewillen und Selbstbehauptung finden wir überall auf unserem Nachbarkontinent: Aktivisten, die sich trotz direkter Gefahr für Leib und Leben durch bewaffnete Banden, die es leider in vielen Gegenden noch gibt, für ihre Mitmenschen einsetzen. Bürgerinnen und Bürger, die stundenlang anstehen, um ihr Wahlrecht ausüben zu können. Ärzte, Krankenschwestern und freiwillige Helfer, die zurzeit in Westafrika mit aller Energie gegen die schlimmste Ebola-Epidemie aller Zeiten kämpfen. Und die Millionen Afrikanerinnen und Afrikaner, die sich oft aus einfachsten Verhältnissen hocharbeiten und den Traum eines besseren Lebens nicht aufgeben.
Dies klar zu sehen, ist für mich eine der Hauptaufgaben eines klaren Blicks auf Afrika. Das heißt: Eigenanstrengungen und Eigenverantwortung zu unterstützen. Auch afrikanische Bemühungen, Frieden und Sicherheit herzustellen, zu fördern. Und die Chancen, die der Aufbruch in vielen Ländern des Kontinents bietet, mit beiden Händen zu greifen. Ein friedliches und prosperierendes Afrika ist ein Gewinn nicht nur für Afrika. Es ist ein Gewinn für Europa - ein Gewinn für die Welt.
Die Handschriften, deren Rettung uns heute zusammengebracht hat, sind ein schönes Beispiel für Zusammenarbeit: Ohne die mutige Initiative von Herrn Dr. Haidara und seiner Unterstützer gäbe es gar nichts zu bewahren. Aber wenn wir als Partner dabei helfen können, Kulturerbe zu erhalten, für das mutige Malier sogar ihr eigenes Leben riskieren, stehen wir natürlich bereit.
Ich freue mich, dass das Auswärtige Amt schnell zur Rettung beitragen konnte und das auch weiter tun wird. Dafür fand im Juni dieses Jahres hier im Haus ein internationales Gebertreffen zur Koordinierung des Handschriftenerhalts statt. Dr. Haidara konnte damals einige seiner Schätze zeigen - Schriftstücke von berührender Eleganz und Schönheit.
Noch sind nicht alle Gefahren gebannt. Die von Alter, Feuchtigkeit und den Spätfolgen der Rettungsaktion gezeichneten Schriftstücke müssen konserviert, restauriert, archiviert und digitalisiert werden. Dafür sind aus den Mitteln des Kulturerhaltprogramms des Auswärtigen Amts nochmals 500.000 Euro für das Jahr 2014 eingeplant.
Wir sind beim Erhalt nicht allein: Andere westliche und arabische Partner sehen die Bedeutung dieses afrikanischen Beitrags zur Weltgeschichte und engagieren sich ebenfalls. Ich hoffe sehr, dass die handwerkliche Kunst, der intellektuelle Reichtum und die Umstände der Rettung der Handschriften möglichst viele Menschen aller Kontinente beeindrucken werden.
Sehr geehrter Herr Dr. Haidara,
lassen Sie mich zum Abschluss Ihnen und allen, die mit Ihnen zusammengearbeitet und Sie unterstützt haben, meine Anerkennung aussprechen. Ihr Mut, Ihr Durchhaltevermögen und Ihre Selbstbehauptung beeindrucken mich sehr. Herzlichen Glückwunsch zur Verleihung des Deutschen Afrikapreises 2014.
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Sehr geehrter Herr Dr. Haidara,
liebe Kolleginnen und Kollegen des Deutschen Bundestags,
lieber Herr Präsident Fischer,
Exzellenzen, Mitglieder des
diplomatischen Korps,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
Die deutsche Afrika-Stiftung stellt hohe Anforderungen an den Menschen, den sie mit dem Afrika-Preis auszeichnet. Nicht nur muss er Herausragendes geleistet haben, auch Eigenschaften verkörpern, die preiswürdig sind. Der Afrika-Preisträger des heutigen Abends verkörpert ohne Zweifel Mut, Durchhaltevermögen und Selbstbehauptung. Wir haben es gehört: Fanatiker erobern Timbuktu und zerstören Moscheen. Sie missbrauchen den Namen des Islam, um zu vernichten, was nicht in ihr Weltbild passt.
Sie, Herr Dr. Haidara, stellten sich dem entgegen. Mit der Hilfe vieler Gleichgesinnter versteckten Sie die kostbaren Handschriften unter schwierigsten Bedingungen. Das erforderte großen Mut - weil wir wissen, dass die Terroristen auch in Mali vor extremer Brutalität nicht zurückscheuten. Sie haben Ihr Leben aufs Spiel gesetzt, um Kulturschätze vor Fanatikern zu retten. Dokumente zu Recht, Theologie und Geschichte, die belegen, wie eng der Sahel mit der arabischen Welt verbunden war und welch wichtige Rolle afrikanische Gelehrte in den damaligen Diskussionen spielten. Den meisten Europäern war diese Tatsache nicht bekannt. Hegel hielt Afrika gar für einen geschichtslosen Kontinent. Hier lag er falsch.
Und, Herr Dr. Haidara, Ihre Rettungsaktion erforderte großen Durchhaltewillen. Es war nicht absehbar, wie lange die Herrschaft der Terroristen dauern würde. Was wäre passiert, wenn doch jemand Sie verraten hätte? Wie lange hätte man das Verstecken aufrechterhalten können? Heute freuen wir uns, dass 95 % der Handschriften gerettet werden konnten. Aber es hätte auch ganz anders ausgehen können.
Und - drittens - es zeugt von einer großen Selbstbehauptung. Herr Dr. Haidara und die Bürgerinnen und Bürger Timbuktus haben ein klares Signal des Widerstands gegenüber denjenigen gegeben, die unter falscher Berufung auf die Religion ein Regime von Gewalt und Zerstörung errichten wollten. Sie, Herr Haidara, wollten ihr Land, ihre Gesellschaft nicht von Extremisten in den Abgrund führen lassen.
Gerade dies ist eine unerlässliche Voraussetzung für eine wirksame Bekämpfung des islamistischen Terrorismus. Internationale Anstrengungen können nur dann erfolgreich sein, wenn Muslime selbst den islamistischen Terroristen die Legitimität entziehen. Wenn die muslimische Welt aufsteht und ruft: "Diese Radikalen sprechen nicht für den Islam! Sie missbrauchen den Islam!" Dies gilt in Mali ebenso wie im Irak.
Deutschland steht an der Seite aller, die sich von islamistischem Terror nicht das Recht auf ein Leben in Würde nehmen lassen wollen - ob in Mali oder in anderen Ländern.
Mut, Durchhaltewillen und Selbstbehauptung finden wir überall auf unserem Nachbarkontinent: Aktivisten, die sich trotz direkter Gefahr für Leib und Leben durch bewaffnete Banden, die es leider in vielen Gegenden noch gibt, für ihre Mitmenschen einsetzen. Bürgerinnen und Bürger, die stundenlang anstehen, um ihr Wahlrecht ausüben zu können. Ärzte, Krankenschwestern und freiwillige Helfer, die zurzeit in Westafrika mit aller Energie gegen die schlimmste Ebola-Epidemie aller Zeiten kämpfen. Und die Millionen Afrikanerinnen und Afrikaner, die sich oft aus einfachsten Verhältnissen hocharbeiten und den Traum eines besseren Lebens nicht aufgeben.
Dies klar zu sehen, ist für mich eine der Hauptaufgaben eines klaren Blicks auf Afrika. Das heißt: Eigenanstrengungen und Eigenverantwortung zu unterstützen. Auch afrikanische Bemühungen, Frieden und Sicherheit herzustellen, zu fördern. Und die Chancen, die der Aufbruch in vielen Ländern des Kontinents bietet, mit beiden Händen zu greifen. Ein friedliches und prosperierendes Afrika ist ein Gewinn nicht nur für Afrika. Es ist ein Gewinn für Europa - ein Gewinn für die Welt.
Die Handschriften, deren Rettung uns heute zusammengebracht hat, sind ein schönes Beispiel für Zusammenarbeit: Ohne die mutige Initiative von Herrn Dr. Haidara und seiner Unterstützer gäbe es gar nichts zu bewahren. Aber wenn wir als Partner dabei helfen können, Kulturerbe zu erhalten, für das mutige Malier sogar ihr eigenes Leben riskieren, stehen wir natürlich bereit.
Ich freue mich, dass das Auswärtige Amt schnell zur Rettung beitragen konnte und das auch weiter tun wird. Dafür fand im Juni dieses Jahres hier im Haus ein internationales Gebertreffen zur Koordinierung des Handschriftenerhalts statt. Dr. Haidara konnte damals einige seiner Schätze zeigen - Schriftstücke von berührender Eleganz und Schönheit.
Noch sind nicht alle Gefahren gebannt. Die von Alter, Feuchtigkeit und den Spätfolgen der Rettungsaktion gezeichneten Schriftstücke müssen konserviert, restauriert, archiviert und digitalisiert werden. Dafür sind aus den Mitteln des Kulturerhaltprogramms des Auswärtigen Amts nochmals 500.000 Euro für das Jahr 2014 eingeplant.
Wir sind beim Erhalt nicht allein: Andere westliche und arabische Partner sehen die Bedeutung dieses afrikanischen Beitrags zur Weltgeschichte und engagieren sich ebenfalls. Ich hoffe sehr, dass die handwerkliche Kunst, der intellektuelle Reichtum und die Umstände der Rettung der Handschriften möglichst viele Menschen aller Kontinente beeindrucken werden.
Sehr geehrter Herr Dr. Haidara,
lassen Sie mich zum Abschluss Ihnen und allen, die mit Ihnen zusammengearbeitet und Sie unterstützt haben, meine Anerkennung aussprechen. Ihr Mut, Ihr Durchhaltevermögen und Ihre Selbstbehauptung beeindrucken mich sehr. Herzlichen Glückwunsch zur Verleihung des Deutschen Afrikapreises 2014.
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