04.11.2014 13:04 Uhr in Gesellschaft & Familie von Auswärtiges Amt
Rede von Außenminister Frank-Walter Steinmeier zur Eröffnung der Tagung des Traduki-Netzwerks im Auswärtigen Amt
Kurzfassung: Rede von Außenminister Frank-Walter Steinmeier zur Eröffnung der Tagung des Traduki-Netzwerks im Auswärtigen AmtLiebe Frau Schoeller,sehr geehrte Ministerinnen und Minister,Exzellenzen,liebe Mitgli ...
[Auswärtiges Amt - 04.11.2014] Rede von Außenminister Frank-Walter Steinmeier zur Eröffnung der Tagung des Traduki-Netzwerks im Auswärtigen Amt
Liebe Frau Schoeller,
sehr geehrte Ministerinnen und Minister,
Exzellenzen,
liebe Mitglieder des Traduki-Lenkungsausschusses,
meine sehr geehrten Damen und Herren!
Als wir vor sieben Jahren gemeinsam die Gründung eines Netzwerks für Literatur und Übersetzung initiiert haben, haben wir nicht von ungefähr den Namen TRADUKI gewählt - den Esperanto-Ausdruck für "übersetzen". Denn solange wir keine gemeinsame Weltsprache sprechen, brauchen wir Übersetzungen - und Übersetzer - die es verstehen, aus dem Sprachwirrwar wieder Klarheit zu schaffen und uns den Sinn dessen zu erschließen, was fremd und unverständlich ist. Deshalb freue ich mich sehr, Sie alle, die Sie TRADUKI mitbegründet und schon lange begleitet haben, heute im Auswärtigen Amt begrüßen zu können.
Übersetzen - dahinter steckt viel mehr, als nur ein Wort durch ein anderes, eine Sprache durch eine andere zu ersetzen. Übersetzen heißt, eine ganze Welt abzubilden und für andere zugänglich, verständlich zu machen. Ein Übersetzer ist also nicht bloß Sprachrohr und Instrument - er gestaltet die Wirklichkeit durch Worte. Seine Sprache schafft Verständnis für Dinge, die den Menschen verschlossen bleiben, weil zwischen Absender und Empfänger kulturelle Gräben sind, die überbrückt werden müssen, wenn wir das Gesagte in seinem ganzen Bedeutungsgehalt erfassen wollen. So verstanden kann "übersetzen" ja auch auf der ersten Silbe betont werden: "ÜBER - setzen". Wie der Fährmann, der übersetzt über den Fluß - über das Hindernis, über das Trennende hinweg.
Und deshalb hat die Arbeit des Übersetzens was mit Diplomatie zu tun: um zu nachhaltiger Kooperation und Verständigung zu gelangen, müssen wir den mühsamen Weg des Zuhörens und Verstehens gehen.
Dieser Weg ist besonders wichtig in diesen Zeiten von Krisen und Konflikten - insbesondere der Ukraine-Krise, in denen Distanz und Sprachlosigkeit zwischen Ost und West zurück zu kehren drohen. In wenigen Tagen feiern wir zum 25. Mal den Fall der Berliner Mauer - und damit das Ende der jahrzehntelangen Spaltung Europas. Wir sollten alles dafür tun, dass ausgerechnet in diesem Jahr nicht ein neuer Eiserner Vorhang zwischen Ost und West zurückkehrt.
Ich freue mich, dass Andrei Plesu hier ist, der als scharfsinniger Beobachter in der literarischen wie der politischen Welt zu Hause ist. Sie haben einmal klare Unterschiede zwischen dem Europa des Westens und dem des Ostens konstatiert: "eine Asymmetrie der Erfahrungen, der Mentalitäten, der Offenheit zwischen Ost und West". In diesen beiden Teilen Europas, die sich schwertun, einander zu verstehen, - so Ihre Worte - "gehen die Uhren einfach anders".
Es sind Initiativen wie Traduki, die einen wertvollen Beitrag dazu leisten, dass angesichts solcher Unterschiede Verständnis und Verständigung zwischen Menschen entstehen kann. Traduki ist in seiner Form - als breites Netzwerk für Literatur und Übersetzung - einzigartig. Menschen aus den Ländern des Westlichen Balkan, die sich noch vor wenigen Jahrzehnten in bewaffneten Konflikten miteinander befanden, sind durch die Kraft des Wortes - und in Achtung vor dem Wort - hier zusammengekommen. Das ist eines der größten Verdienste von Traduki. Sie alle haben daran Anteil.
Dieses einzigartige Vorhaben wäre noch vor einigen Jahren undenkbar gewesen. Aber Gott sei Dank hat sich das Klima im Südosten Europas gewandelt. Die Menschen der Region haben sich auf den Weg nach Europa gemacht. Fast überall hat sich dieser Aufbruch als ein Katalysator für politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Reformen erwiesen. Bei allen Schwierigkeiten, die noch vor uns liegen: Neue Nähe unter Nachbarn ist entstanden. Hundert Jahre nach den Schüssen von Sarajewo, 15 Jahre nach dem Kosovo-Konflikt ist das ein wahrer Lichtblick.
Die gute Nachricht dieses Tages ist: Traduki wächst weiter. Heute nehmen wir Serbien in das Netzwerk auf. Lieber Kulturminister Ivan Tasovac, seien Sie uns herzlich willkommen.
Genauso wichtig ist: Neue Partner aus der Zivilgesellschaft denken darüber nach, sich einzubringen. Lieber Michael Schäfer, lieber Herr Thoss, kann ich nur versichern: Es lohnt sich!
Für uns im Auswärtigen Amt steht jedenfalls fest: Wir werden unser Engagement fortsetzen.
Wenn ich morgen bei der Westbalkan-Konferenz des Aspen-Instituts mit meinen Kollegen aus der Region zusammentreffe, dann begleitet mich der Gedanke von Traduki - das Über-setzen und Verständlichmachen - auch bei meiner Arbeit dort, wenn wir über die Vertiefung der regionalen Zusammenarbeit mit dem Ziel einer europäischen Integration der ganzen Region nachdenken.
Das intellektuelle und politische Potential des Traduki-Netzwerks kann Verbindungen schaffen, wo vorher unüberbrückbare Hindernisse waren. Ich wünsche mir, dass wir gemeinsam weiterhin erfolgreich als Übersetzer und "Über-Setzer" in der Welt - der literarischen und der politischen - wirken.
Auswärtiges Amt
Werderscher Markt 1
10117 Berlin
Deutschland
Telefon: 030 5000-2056
Telefax: 03018-17-3402
Mail: presse@diplo.de
URL: http://www.auswaertiges-amt.de
Liebe Frau Schoeller,
sehr geehrte Ministerinnen und Minister,
Exzellenzen,
liebe Mitglieder des Traduki-Lenkungsausschusses,
meine sehr geehrten Damen und Herren!
Als wir vor sieben Jahren gemeinsam die Gründung eines Netzwerks für Literatur und Übersetzung initiiert haben, haben wir nicht von ungefähr den Namen TRADUKI gewählt - den Esperanto-Ausdruck für "übersetzen". Denn solange wir keine gemeinsame Weltsprache sprechen, brauchen wir Übersetzungen - und Übersetzer - die es verstehen, aus dem Sprachwirrwar wieder Klarheit zu schaffen und uns den Sinn dessen zu erschließen, was fremd und unverständlich ist. Deshalb freue ich mich sehr, Sie alle, die Sie TRADUKI mitbegründet und schon lange begleitet haben, heute im Auswärtigen Amt begrüßen zu können.
Übersetzen - dahinter steckt viel mehr, als nur ein Wort durch ein anderes, eine Sprache durch eine andere zu ersetzen. Übersetzen heißt, eine ganze Welt abzubilden und für andere zugänglich, verständlich zu machen. Ein Übersetzer ist also nicht bloß Sprachrohr und Instrument - er gestaltet die Wirklichkeit durch Worte. Seine Sprache schafft Verständnis für Dinge, die den Menschen verschlossen bleiben, weil zwischen Absender und Empfänger kulturelle Gräben sind, die überbrückt werden müssen, wenn wir das Gesagte in seinem ganzen Bedeutungsgehalt erfassen wollen. So verstanden kann "übersetzen" ja auch auf der ersten Silbe betont werden: "ÜBER - setzen". Wie der Fährmann, der übersetzt über den Fluß - über das Hindernis, über das Trennende hinweg.
Und deshalb hat die Arbeit des Übersetzens was mit Diplomatie zu tun: um zu nachhaltiger Kooperation und Verständigung zu gelangen, müssen wir den mühsamen Weg des Zuhörens und Verstehens gehen.
Dieser Weg ist besonders wichtig in diesen Zeiten von Krisen und Konflikten - insbesondere der Ukraine-Krise, in denen Distanz und Sprachlosigkeit zwischen Ost und West zurück zu kehren drohen. In wenigen Tagen feiern wir zum 25. Mal den Fall der Berliner Mauer - und damit das Ende der jahrzehntelangen Spaltung Europas. Wir sollten alles dafür tun, dass ausgerechnet in diesem Jahr nicht ein neuer Eiserner Vorhang zwischen Ost und West zurückkehrt.
Ich freue mich, dass Andrei Plesu hier ist, der als scharfsinniger Beobachter in der literarischen wie der politischen Welt zu Hause ist. Sie haben einmal klare Unterschiede zwischen dem Europa des Westens und dem des Ostens konstatiert: "eine Asymmetrie der Erfahrungen, der Mentalitäten, der Offenheit zwischen Ost und West". In diesen beiden Teilen Europas, die sich schwertun, einander zu verstehen, - so Ihre Worte - "gehen die Uhren einfach anders".
Es sind Initiativen wie Traduki, die einen wertvollen Beitrag dazu leisten, dass angesichts solcher Unterschiede Verständnis und Verständigung zwischen Menschen entstehen kann. Traduki ist in seiner Form - als breites Netzwerk für Literatur und Übersetzung - einzigartig. Menschen aus den Ländern des Westlichen Balkan, die sich noch vor wenigen Jahrzehnten in bewaffneten Konflikten miteinander befanden, sind durch die Kraft des Wortes - und in Achtung vor dem Wort - hier zusammengekommen. Das ist eines der größten Verdienste von Traduki. Sie alle haben daran Anteil.
Dieses einzigartige Vorhaben wäre noch vor einigen Jahren undenkbar gewesen. Aber Gott sei Dank hat sich das Klima im Südosten Europas gewandelt. Die Menschen der Region haben sich auf den Weg nach Europa gemacht. Fast überall hat sich dieser Aufbruch als ein Katalysator für politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Reformen erwiesen. Bei allen Schwierigkeiten, die noch vor uns liegen: Neue Nähe unter Nachbarn ist entstanden. Hundert Jahre nach den Schüssen von Sarajewo, 15 Jahre nach dem Kosovo-Konflikt ist das ein wahrer Lichtblick.
Die gute Nachricht dieses Tages ist: Traduki wächst weiter. Heute nehmen wir Serbien in das Netzwerk auf. Lieber Kulturminister Ivan Tasovac, seien Sie uns herzlich willkommen.
Genauso wichtig ist: Neue Partner aus der Zivilgesellschaft denken darüber nach, sich einzubringen. Lieber Michael Schäfer, lieber Herr Thoss, kann ich nur versichern: Es lohnt sich!
Für uns im Auswärtigen Amt steht jedenfalls fest: Wir werden unser Engagement fortsetzen.
Wenn ich morgen bei der Westbalkan-Konferenz des Aspen-Instituts mit meinen Kollegen aus der Region zusammentreffe, dann begleitet mich der Gedanke von Traduki - das Über-setzen und Verständlichmachen - auch bei meiner Arbeit dort, wenn wir über die Vertiefung der regionalen Zusammenarbeit mit dem Ziel einer europäischen Integration der ganzen Region nachdenken.
Das intellektuelle und politische Potential des Traduki-Netzwerks kann Verbindungen schaffen, wo vorher unüberbrückbare Hindernisse waren. Ich wünsche mir, dass wir gemeinsam weiterhin erfolgreich als Übersetzer und "Über-Setzer" in der Welt - der literarischen und der politischen - wirken.
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