10.11.2014 14:34 Uhr in Energie & Umwelt von Universität Leipzig
Aggressiv oder zahm - die Gene entscheiden mit
Kurzfassung: Aggressiv oder zahm - die Gene entscheiden mit"Es wurde schon lange angenommen, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Verhalten und der Genetik gibt, aber jetzt konnte der molekulare Beweis für ein ...
[Universität Leipzig - 10.11.2014] Aggressiv oder zahm - die Gene entscheiden mit
"Es wurde schon lange angenommen, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Verhalten und der Genetik gibt, aber jetzt konnte der molekulare Beweis für ein polygen-bedingtens Verhaltensmuster angetreten werden", sagt Prof. Dr. Torsten Schöneberg, der den Lehrstuhl für Molekulare Biochemie in Leipzig inne hat. Gemeinsam mit dem Biochemiker Henrike Heyne, mit Frank Albert und Svante Pääbo vom Leipziger Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie sowie Kooperationspartnern in Schweden, Großbritannien, Russland und den USA untersuchten Wissenschaftler des Instituts Ratten und analysierten Teile ihres Erbguts. "Es wurden verschiedene Orte im Genom identifiziert, die mit dafür verantwortlich sind, wie stark Aggressivität oder Zahmheit ausgebildet sind", erläutert Schöneberg. "Wir hatten das Glück, dass wir auf Forschungsergebnissen russischer Wissenschaftler aufbauen konnten."
Bereits in den 1970er Jahren hätten russische Experten sich mit der Frage beschäftigt, wie etwa die Pelzwirtschaft in Sibirien optimiert werden könnte. "Die Kollegen haben sich gefragt, ob und wie zum Beispiel ein Silberfuchs domestiziert, also zum Haus- beziehungsweise Nutztier gemacht werden könnte", beschreibt er die Ausgangssituation. Als Modellspezies wurden unter anderem wilde Ratten herangezogen, da diese sich kostengünstig halten lassen und gut vermehren. "Sie haben die Tiere bei Nowosibirsk gefangen und so gezüchtet, dass diese den Umgang mit der menschlichen Hand duldeten oder ablehnten", erläutert Schöneberg. Über mehr als 70 Generationen hinweg wurden so zwei Stämme gezüchtet, von denen einer gezähmt und der andere aggressiv war.
Toleranz gegenüber dem Menschen
Die Leipziger Forscher importierten Ratten der beiden Stämme aus Sibirien und kartierten und analysierten deren Genome. Dann brachten sie Nachkommen beider Stämme durch Kreuzung auch in den jeweiligen anderen Stamm ein, so dass es möglich wurde, die Unterschiede in den Genomen der beiden Stämme mit den Verhaltensunterschieden zu vergleichen. In der aktuellen Studie wurden die Genome von rund 150 Tieren genau angeschaut und untersucht, wie sich die Unterschiede in den Genomen auf die Aktivität von Genen im Gehirn auswirken. "Dabei wurden auch ganz konkrete Gene identifiziert, die wahrscheinlich dazu beitragen, wie stark sich Aggressivität oder Zahmheit durchsetzen." Diese wurden an unterschiedlichen Stellen im Genom entdeckt, so dass zunächst noch die Frage offen bleibt, wie das Zusammenspiel der Gene das Verhalten der Tiere beeinflusst. "Durch die Arbeit ist nun zwar die Landkarte beschrieben, die genaue Wechselwirkungen der Genprodukte müssen jedoch in weiteren Untersuchungen noch geklärt werden", beschreibt es der Biochemiker. Ein erweitertes Kontrollexperiment wäre nach seinen Worten nun, die jeweiligen "Aggressivitäts-" und "Zahmheits"-Gene auf andere Tiere zu übertragen - was jedoch derzeit technisch nur sehr schwer umsetzbar ist.
Dennoch können die Ergebnisse der Untersuchungen, die in erster Linie von Henrike Heyne von der Universität Leipzig und Frank Albert vom Max-Planck-Institut generiert wurden, der Ausgangspunkt für eine ganze Reihe weiterer Forschungsvorhaben werden. Vorstellbar ist nach Schönebergs Worten nun zum Beispiel, dass auch bei anderen Tierarten untersucht wird, ob sich das natürliche aggressive und das zahme Verhalten auf den gleichen oder eventuell auf ganz anderen Wegen durchsetzt. "Wir haben einen Mechanismus aufgedeckt, der in vielen Spezies existiert, können damit aber dennoch bisher nicht den exakten Weg aufzeigen, wie Toleranz gegenüber dem Menschen entsteht." Zudem, so gibt er zu bedenken, ist Verhalten immer eine Kombination aus genetischer Veranlagung und antrainiertem Handeln. Sicher sei jedoch zum jetzigen Zeitpunkt auch, dass bestimmte Arten wie etwa der sibirische Tiger oder Zebras vermutlich nicht durch Zucht domestiziert werden können. "Es sei denn, es würde gelingen, eine Art mit natürlichem Flucht- oder Verteidigungsverhalten durch Genmanipulation zu domestizieren", sagt der Wissenschaftler. Dies sei jedoch absolute Zukunftsmusik. (Jörg Aberger)
Fachveröffentlichung:
Genetic Influences on Brain Gene Expression in Rats Selected for Tameness and Aggression, doi: 10.1534/genetics.114.168948
Weitere Informationen:
Prof. Dr. Torsten Schöneberg
Telefon: +49 341 97-22150
torsten.schoeneberg@medizin.uni-leipzig.de
"Es wurde schon lange angenommen, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Verhalten und der Genetik gibt, aber jetzt konnte der molekulare Beweis für ein polygen-bedingtens Verhaltensmuster angetreten werden", sagt Prof. Dr. Torsten Schöneberg, der den Lehrstuhl für Molekulare Biochemie in Leipzig inne hat. Gemeinsam mit dem Biochemiker Henrike Heyne, mit Frank Albert und Svante Pääbo vom Leipziger Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie sowie Kooperationspartnern in Schweden, Großbritannien, Russland und den USA untersuchten Wissenschaftler des Instituts Ratten und analysierten Teile ihres Erbguts. "Es wurden verschiedene Orte im Genom identifiziert, die mit dafür verantwortlich sind, wie stark Aggressivität oder Zahmheit ausgebildet sind", erläutert Schöneberg. "Wir hatten das Glück, dass wir auf Forschungsergebnissen russischer Wissenschaftler aufbauen konnten."
Bereits in den 1970er Jahren hätten russische Experten sich mit der Frage beschäftigt, wie etwa die Pelzwirtschaft in Sibirien optimiert werden könnte. "Die Kollegen haben sich gefragt, ob und wie zum Beispiel ein Silberfuchs domestiziert, also zum Haus- beziehungsweise Nutztier gemacht werden könnte", beschreibt er die Ausgangssituation. Als Modellspezies wurden unter anderem wilde Ratten herangezogen, da diese sich kostengünstig halten lassen und gut vermehren. "Sie haben die Tiere bei Nowosibirsk gefangen und so gezüchtet, dass diese den Umgang mit der menschlichen Hand duldeten oder ablehnten", erläutert Schöneberg. Über mehr als 70 Generationen hinweg wurden so zwei Stämme gezüchtet, von denen einer gezähmt und der andere aggressiv war.
Toleranz gegenüber dem Menschen
Die Leipziger Forscher importierten Ratten der beiden Stämme aus Sibirien und kartierten und analysierten deren Genome. Dann brachten sie Nachkommen beider Stämme durch Kreuzung auch in den jeweiligen anderen Stamm ein, so dass es möglich wurde, die Unterschiede in den Genomen der beiden Stämme mit den Verhaltensunterschieden zu vergleichen. In der aktuellen Studie wurden die Genome von rund 150 Tieren genau angeschaut und untersucht, wie sich die Unterschiede in den Genomen auf die Aktivität von Genen im Gehirn auswirken. "Dabei wurden auch ganz konkrete Gene identifiziert, die wahrscheinlich dazu beitragen, wie stark sich Aggressivität oder Zahmheit durchsetzen." Diese wurden an unterschiedlichen Stellen im Genom entdeckt, so dass zunächst noch die Frage offen bleibt, wie das Zusammenspiel der Gene das Verhalten der Tiere beeinflusst. "Durch die Arbeit ist nun zwar die Landkarte beschrieben, die genaue Wechselwirkungen der Genprodukte müssen jedoch in weiteren Untersuchungen noch geklärt werden", beschreibt es der Biochemiker. Ein erweitertes Kontrollexperiment wäre nach seinen Worten nun, die jeweiligen "Aggressivitäts-" und "Zahmheits"-Gene auf andere Tiere zu übertragen - was jedoch derzeit technisch nur sehr schwer umsetzbar ist.
Dennoch können die Ergebnisse der Untersuchungen, die in erster Linie von Henrike Heyne von der Universität Leipzig und Frank Albert vom Max-Planck-Institut generiert wurden, der Ausgangspunkt für eine ganze Reihe weiterer Forschungsvorhaben werden. Vorstellbar ist nach Schönebergs Worten nun zum Beispiel, dass auch bei anderen Tierarten untersucht wird, ob sich das natürliche aggressive und das zahme Verhalten auf den gleichen oder eventuell auf ganz anderen Wegen durchsetzt. "Wir haben einen Mechanismus aufgedeckt, der in vielen Spezies existiert, können damit aber dennoch bisher nicht den exakten Weg aufzeigen, wie Toleranz gegenüber dem Menschen entsteht." Zudem, so gibt er zu bedenken, ist Verhalten immer eine Kombination aus genetischer Veranlagung und antrainiertem Handeln. Sicher sei jedoch zum jetzigen Zeitpunkt auch, dass bestimmte Arten wie etwa der sibirische Tiger oder Zebras vermutlich nicht durch Zucht domestiziert werden können. "Es sei denn, es würde gelingen, eine Art mit natürlichem Flucht- oder Verteidigungsverhalten durch Genmanipulation zu domestizieren", sagt der Wissenschaftler. Dies sei jedoch absolute Zukunftsmusik. (Jörg Aberger)
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Genetic Influences on Brain Gene Expression in Rats Selected for Tameness and Aggression, doi: 10.1534/genetics.114.168948
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