15.12.2014 13:57 Uhr in Gesellschaft & Familie von Auswärtiges Amt

Rede von Michael Roth, Staatsminister für Europa

Kurzfassung: Rede von Michael Roth, Staatsminister für Europa, anlässlich der Begegnung mit Besuchergruppen aus Griechenland und Vertretern der deutschen Zivilgesellschaft am 15. Dezember 2014es gilt das gesproc ...
[Auswärtiges Amt - 15.12.2014] Rede von Michael Roth, Staatsminister für Europa, anlässlich der Begegnung mit Besuchergruppen aus Griechenland und Vertretern der deutschen Zivilgesellschaft am 15. Dezember 2014

es gilt das gesprochene Wort
Herzlich willkommen im Auswärtigen Amt! Ich freue mich, mit Ihnen heute ins Gespräch zu kommen.
Die deutsch-griechischen Beziehungen sind mir ein ganz besonderes Herzensanliegen. In dem knappen Jahr meiner Amtszeit als Staatsminister für Europa habe ich Griechenland bereits sechs Mal besucht. Mir war es wichtig, damit ein Zeichen zu setzen: Deutschland steht fest an der Seite Griechenlands - gerade auch in der schweren wirtschaftlichen und sozialen Krise, die das Land seit Jahren durchlebt.
Am Herzen liegt mir gerade auch der Dialog mit der griechischen Zivilgesellschaft, insbesondere mit den Vertreterinnen und Vertretern der Opfergemeinden. Im Januar dieses Jahres hatte ich die Ehre, in Thessaloniki auf Einladung der dortigen jüdischen Gemeinde die Rede zum Holocaust-Gedenktag zu halten.
Im März habe ich Bundespräsident Gauck bei seinem Staatsbesuch nach Griechenland begleitet, der uns auch nach Ioannina und Lingiades führte - Orte, an denen von Deutschen und in deutschem Namen unfassbares Leid verübt und Unrecht begangen wurde. Es war auch für mich ein bewegender Moment, als der Bundespräsident in Lingiades um Verzeihung für die Verbrechen der Nazis und der Wehrmacht gebeten hat.
Das Wort der Entschuldigung hat der Bundespräsident so deutlich ausgesprochen wie kein anderer deutscher Politiker vor ihm in Griechenland. Er hat es aber auch verbunden mit dem Angebot der Zusammenarbeit, der Versöhnung und der gemeinsamen Aufarbeitung unserer wechselhaften Geschichte.
Seitdem haben wir viel unternommen, um diesen Worten konkrete Taten folgen zu lassen: Das Auswärtige Amt hat den deutsch-griechischen Zukunftsfonds ins Leben gerufen, der uns hilft, eine gemeinsame Kultur des Erinnerns zu entwickeln und konkrete Gesten der Versöhnung zu ermöglichen. Ebenso haben wir den Grundstein für das deutsch-griechische Jugendwerk gelegt. Solche Jugendwerke gibt es bislang nur mit unseren Nachbarländern Frankreich und Polen. Daran wird deutlich, welch große Bedeutung wir unserem Partner Griechenland zumessen.
Zu den ersten Projekten, die wir im Rahmen des Zukunftsfonds fördern, zählen diese Reisen, für die wir Sie, also vor allem Menschen aus den jüdischen Gemeinden und Opferdörfern, gewinnen konnten. Wir freuen uns, dass Sie dieses Angebot angenommen haben! Diese Reisen sollen Ihnen helfen, Netzwerke mit Gleichgesinnten aus Deutschland zu bilden. Ich bin überzeugt: Mit einer solchen Vernetzung können wir langfristig dazu beitragen, uns besser zu verstehen.
Ich denke dabei auch an die Jugendarbeitslosigkeit, die beispielsweise in Westmakedonien bei über 60 Prozent liegt. Vielleicht können wir schon bald eine Veranstaltung organisieren, bei der die wirtschaftlichen und sozialen Perspektiven in Ihren Gemeinden im Mittelpunkt stehen.
Im September fand eine erste Reise für Journalistinnen und Journalisten aus Ihren Gemeinden sowie von Mitgliedern des Jugendnetzwerkes der Opferorte statt. Ich erinnere mich gerne an die kontroversen Gespräche. Es würde mich freuen, wenn dieses Jugendnetzwerk auch Partnerschaften zu jungen Menschen in Deutschland aufbauen könnte.
Für das kommende Jahr wollen wir orthodoxe Priester aus Ihren Gemeinden nach Deutschland einladen. Erst kürzlich lernte ich den Metropoliten Barnabas von Napoli kennen.
Unter uns befinden sich heute zwei evangelische Pfarrerinnen, die wichtige Pionierarbeit im Jugendaustausch mit Opferdörfern leisten. Ich bin überzeugt: Es lohnt sich, die Zusammenarbeit unserer Kirchen zu vertiefen.
Nun also sind Sie hier:
- Die Historiker unter Ihnen haben deutsche Kolleginnen und Kollegen in München, Nürnberg und Berlin getroffen.
- Die Gruppe von Künstlern hat gemeinsam mit deutsche Kolleginnen und Kollegen in Köln und Berlin spannende Ideen entwickelt.
- Die Gruppe, der die Zukunft unserer Jugend besonders am Herzen liegt, hat sich mit verschiedenen Konzepten des Jugendaustauschs beschäftigt. Sie können sicher wichtige Impulse für das neue Jugendwerk geben. Denn es ist nicht ein Jugendwerk von "denen da oben". Gestalten Sie seinen Aufbau kreativ mit!
Mein jüngster Besuch in Griechenland führte mich im Oktober erneut nach Thessaloniki. Ich kam mit vielen wichtigen Eindrücken zurück nach Berlin, zunächst von der Begegnung mit Heinz Kounio, dem Holocaust-Überlebenden. Heinz Kounio ist Vordenker und Mahner für die Versöhnung und auch für den Austausch der Jugend. Eine beeindruckende Persönlichkeit!
Ich stand vor dem Mahnmal für die Opfer in Hortiatis. Ich führte ein nicht ganz einfaches Gespräch mit Jugendlichen in Hortiatis. Es hat mich in meiner Überzeugung bestärkt: Wir sind auf dem richtigen Weg - mit der Gründung des Jugendwerks, dem Zukunftsfonds, aber auch mit unseren Angeboten zur Zusammenarbeit in der beruflichen Bildung, beispielsweise an der Deutschen Schule in Thessaloniki.
Wir müssen zusammenarbeiten, und wir wollen zusammenarbeiten. Wir meinen es ernst! Bitte richten Sie, die Sie aus den Opferorten und den jüdischen Gemeinden kommen, das in Ihrer Heimat aus. Jugendwerk und Zukunftsfonds sind erst einmal nur Angebote meiner Regierung. Ob Sie Erfolg haben, hängt maßgeblich auch von Ihrer Unterstützung und kritischen Begleitung ab.
Es geht um unsere gemeinsame Zukunft in Europa. Und Zukunft braucht eben auch Erinnerung. Es geht darum, dass deutsche und griechische Jugendliche mehr erfahren über das Leid, das von den deutschen Nationalsozialisten ausging. Wir müssen verhindern, dass solches Gedankengut in Europa wieder an Boden gewinnt. Denn Antisemitismus, Fremdenhass und Homophobie sind mitnichten Probleme von gestern, sie machen sich auch heute noch in unseren Gesellschaften breit. Wir dürfen nicht wegschauen, wenn Menschen wegen ihrer Religion, Hautfarbe oder sexuellen Orientierung diskriminiert werden. Wir dürfen auch nicht zulassen, dass junge Menschen im Schatten der Krise in die Radikalität abdriften, weil sie für ihre Zukunft keine Perspektiven mehr sehen.
Ich freue mich, jetzt von Ihren Eindrücken der zurückliegenden Tage zu hören - von Ihren bisherigen Gesprächen mit deutschen Freundinnen und Freunden, von Ihren Besuchen verschiedener Einrichtungen und auch über die Gespräche, die Sie heute hier im Auswärtigen Amt führen konnten. Ich bin neugierig, welche Vorschläge Sie für eine Zusammenarbeit entwickelt haben!

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