Live-Schaltung in die Nervenzelle - Forscher beobachten erstmals direkt Proteinabbau in Neuronen

Kurzfassung: Live-Schaltung in die Nervenzelle - Forscher beobachten erstmals direkt Proteinabbau in NeuronenWissenschaftler schätzen, dass unser Gehirn aus etwa zehn bis einhundert Milliarden Nervenzellen besteh ...
[Max-Planck-Institut für Biochemie - 23.01.2015] Live-Schaltung in die Nervenzelle - Forscher beobachten erstmals direkt Proteinabbau in Neuronen
Wissenschaftler schätzen, dass unser Gehirn aus etwa zehn bis einhundert Milliarden Nervenzellen besteht. Damit sie möglichst lange ihre Funktionen im Gehirn wahrnehmen können, müssen sie die Proteine in ihrem Inneren stets auf Qualität und Funktionalität prüfen und gegebenenfalls ersetzen. Andernfalls drohen diese zu verklumpen und so die Zelle zu lähmen oder im schlimmsten Fall zu deren Absterben zu führen. Erkennt die Zelle ein defektes Protein, markiert sie dieses zum Abbau. Das so gekennzeichnete Protein wird von einer Art molekularen Schreddern, sogenannten Proteasomen, erkannt und in seine recylebaren Einzelteile zerlegt.
Was bisher hauptsächlich im Reagenzglas untersucht wurde, konnten Forscher nun erstmals direkt aus intakten Nervenzellen in einem dreidimensionalen Computermodell abbilden. Möglich werden die Aufnahmen maßgeblich durch die sogenannte Elektronenkryotomographie. Dabei wurden die Zellen zunächst innerhalb von Bruchteilen einer Sekunde schockgefroren, ihr Inneres aus mehreren Winkeln aufgenommen und am Computer dann dreidimensional abgebildet.
"Zum ersten Mal in intakten Zellen"
Durch gezielte technische Neuerungen gelang den Forschern in der aktuellen Studie eine bislang unerreichte Qualität in der Bildgebung, die es erlaubt, einzelne Proteasomen innerhalb der Zellen zu unterscheiden. "Es ist zum ersten Mal möglich, diesen wichtigen Enzymkomplex innerhalb einer intakten Zelle qualitativ und quantitativ zu beschreiben", ordnet Asano die Ergebnisse ein.
In den folgenden Experimenten konzentrierten sich die Wissenschaftler nun darauf, die Aktivität der Proteasomen zu untersuchen. Dazu muss man wissen: an den Enden eines Proteasoms finden sich spezielle kappenartige Strukturen, die regulatorischen Partikel (s. Abbildung). Sie binden das zum Abbau markierte Protein und ändern dabei Ihre Form. Die Wissenschaftler konnten zwischen diesen verschiedenen Zuständen der regulatorischen Partikel unterscheiden und so auswerten, welche der Proteasomen sich momentan bei der Arbeit befanden.
Neue Möglichkeiten für die Zukunft
Das Fazit der Forscher: befindet sich die Nervenzelle wie im aktuellen Experiment im Ruhezustand, ist nur eine Minderheit der Proteasomen aktiv. Konkret zeigten die Ergebnisse, dass nur jedes vierte Proteasom Proteine schredderte, während die übrigen zum gleichen Zeitpunkt ungenutzt blieben. Künftig wollen die Wissenschaftler insbesondere die strukturellen Zustände der Proteasomen unter zellulärem Stress untersuchen, wie er bei neurodegenerativen Krankheiten auftritt. "Diese Studie zeigt die neuen Möglichkeiten, Proteinkomplexe in ihrer Gesamtheit in der Zelle aufzulösen und ihre gegenseitigen funktionellen Verzahnungen zu studieren", gibt Wolfgang Baumeister, Leiter der Studie, die Agenda für die Zukunft vor. [HS]
Originalpublikation:
Asano S, Fukuda Y, Beck F, Aufderheide A, Förster F, Danev R and Baumeister W: A molecular census of 26S proteasomes in intact neurons. Science, January 23, 2015
Doi: 10.1126/science.1261197

Kontakt:
Prof. Dr. Wolfgang Baumeister
Molekulare Strukturbiologie
Max-Planck-Institut für Biochemie
Am Klopferspitz 18
82152 Martinsried
E-Mail: baumeist@biochem.mpg.de
www.biochem.mpg.de/baumeister
Anja Konschak
Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für Biochemie
Am Klopferspitz 18
82152 Martinsried
Tel. +49 89 8578-2824
E-Mail: konschak@biochem.mpg.de
www.biochem.mpg.de
Weitere Informationen
Max-Planck-Institut für Biochemie
Proteine sind die molekularen Bausteine und Motoren der Zelle und an fast allen Lebensprozessen beteiligt. Die Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Biochemie (MPIB) untersuchen die Struktur und Funktion von Proteinen – von einzelnen Molekülen bis hin zu komplexen Organismen. Mit ungefähr 850 Mitarbeitern aus 45 verschiedenen Nationen ist das MPIB eines der größten Institute innerhalb der Max-Planck-Gesellschaft. In derzeit acht Abteilungen und rund 25 Forschungsgruppen tragen die Wissenschaftler zu den neuesten Erkenntnissen in den Bereichen Biochemie, Zellbiologie, Strukturbiologie, Biophysik und Molekularwissenschaft bei. Bei ihrer Arbeit werden sie von verschiedenen wissenschaftlichen, administrativen und technischen Serviceeinrichtungen unterstützt.
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