Anleihekäufe der EZB: Scheinheilige Haftungsregeln

Kurzfassung: Anleihekäufe der EZB: Scheinheilige HaftungsregelnNach dem Beschluss der Europäischen Zentralbank, Staatsanleihen für rund eine Billion Euro zu kaufen, ist eine Debatte über die Haftung entbrannt. ...
[Institut für Weltwirtschaft an der Universität Kiel (IfW) - 23.01.2015] Anleihekäufe der EZB: Scheinheilige Haftungsregeln

Nach dem Beschluss der Europäischen Zentralbank, Staatsanleihen für rund eine Billion Euro zu kaufen, ist eine Debatte über die Haftung entbrannt. Formal sieht das jüngste EZB-Programm vor, dass im Falle einer Staatsinsolvenz die Gemeinschaft nur zu 20 Prozent haftet, während 80 Prozent die jeweilige nationale Notenbank trägt. Der Leiter des Prognosezentrums am IfW in Kiel, Prof. Dr. Stefan Kooths, bezeichnet diese Regelung als monetären Münchhausen-Trick. Am Ende hafte in einer Währungsunion immer die Gemeinschaft, weil sich die Verluste über alle Geldnutzer verteilten. Damit wäre Deutschland zu etwa 30 Prozent an allen Ausfällen beteiligt.
Prof. Dr. Stefan Kooths, Leiter des IfW-Prognosezentrums: "Die beschlossenen Staatsanleihekäufe führen im Ergebnis zu einer Vergemeinschaftung der nationalen Staatsschulden. Ob die Käufe am Primärmarkt oder Sekundärmarkt erfolgen, ist dabei ebenso einerlei, wie die Frage, ob die Staatsanleihen von der EZB oder den nationalen Notenbanken des Eurosystems gekauft werden. Hier einen gegenteiligen Eindruck zu erwecken, führt die Öffentlichkeit in die Irre. Wenn Primärmarktkäufer davon ausgehen können, die erworbenen Anleihen schon nach kurzer Zeit wieder an das Eurosystem veräußern zu können, dann werden sich die Interventionen am Sekundärmarkt 1:1 auf den Primärmarkt übertragen. Damit die Kapitalmärkte bei der Staatsfinanzierung ihre Kontrollfunktion wahrnehmen können, müssen Anleger über die gesamte Laufzeit die Solvenz der jeweiligen Staaten einschätzen und das Ausfallrisiko übernehmen. Eine Überbrückung von wenigen Tagen oder Wochen ist volkswirtschaftlich witzlos.
Noch abenteuerlicher ist der Vorschlag, eine Vergemeinschaftung der Haftung angeblich dadurch auszuschließen, dass nationale Zentralbanken das Ausfallrisiko auf ihre jeweiligen Bilanzen nehmen. Materiell können Zentralbanken überhaupt nicht "haften" - sie können nur Geld drucken, aber kein Kapital. Muss die Zentralbank eines insolventen Staates im Zuge eines Schuldenschnittes auf Forderungen verzichten, so gehen dabei die zuvor mit ihren nationalen Staatsanleihekäufen in den Umlauf gebrachten Euro nicht ebenfalls unter, sondern sie bestehen fort und bleiben Teil der gemeinschaftlichen Zentralbankgeldmenge. Bei diesem monetären Münchhausen-Trick (die Zentralbank kauft Staatspapiere und verzichtet später auf die Rückzahlung) werden die Verluste in Form einer verschlechterten Qualität der monetären Basis auf alle Geldhalter im Euroraum verteilt. Das ist das Gegenteil von "nationaler Haftung". Kleinere Verluste aus Wertberichtigungen können Zentralbanken zwar über ihr Eigenkapital auf die Steuerzahler ihrer Länder abwälzen. Im Falle einer Staatsinsolvenz ist dieser Weg aber versperrt, weil dann die Verluste das Eigenkapital der Zentralbank um ein Vielfaches übersteigen (für einen nur homöopathischen Schuldenerlass würde man kaum eine Staatsinsolvenz erklären). Damit bricht die Doppelrolle des Staates als Eigentümer und Schuldner der Zentralbank in sich zusammen: Ein Schuldner kann nicht gleichzeitig sein eigener Bürge sein. Wer immer in einem gemeinsamen Währungsraum Zugang zur Notenpresse hat, nimmt damit bei jeder Geldschöpfung im großen Stil die Partner mit ins gemeinsame Haftungsboot."
Ansprechpartner: Guido Warlimont und Prof. Dr. Stefan Kooths

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