26.01.2015 11:45 Uhr in Gesellschaft & Familie von Bertelsmann Stiftung
Deutsche blicken skeptisch auf Israel
Kurzfassung: Deutsche blicken skeptisch auf IsraelSeit der Aufnahme diplomatischer Beziehungen vor 50 Jahren haben sich Israel und Deutschland einander in erstaunlicher Weise angenähert. Allerdings sehen Deutsche ...
[Bertelsmann Stiftung - 26.01.2015] Deutsche blicken skeptisch auf Israel
Seit der Aufnahme diplomatischer Beziehungen vor 50 Jahren haben sich Israel und Deutschland einander in erstaunlicher Weise angenähert. Allerdings sehen Deutsche Israel deutlich kritischer als umgekehrt. Und gerade bei der jüngeren Generation in beiden Ländern gibt es einen Trend zur Entfremdung.
50 Jahre nach Aufnahme der diplomatischen Beziehungen haben 36 Prozent der Deutschen eine gute Meinung, 48 Prozent hingegen haben eine schlechte Meinung über Israel. Unter den 18- bis 29-Jährigen sind es sogar 54 Prozent. Deutlich ablehnend ist die Haltung zur israelischen Regierung. 62 Prozent der Deutschen bewerten sie negativ. Damit ist die Haltung der Deutschen zu Israel ablehnender als die Haltung jüdischer Israelis gegenüber Deutschland. Das sind Ergebnisse der Studie der Bertelsmann Stiftung "Deutschland und Israel heute: Verbindende Vergangenheit, trennende Gegenwart?".
Der Studie zufolge bestimmt die Wahrnehmung des israelisch-palästinensischen Konflikts zunehmend das Israel-Bild der Deutschen. Zwar meinen Israelis (74 Prozent) und Deutsche (61 Prozent) mehrheitlich, dass sich aus der Geschichte eine besondere Verantwortung Deutschlands ergibt. Auseinander gehen jedoch die Erwartungen, wie die deutsche Politik diese Verantwortung wahrnehmen soll. So erhoffen sich 84 Prozent der Israelis von der Bundesregierung eine politische Unterstützung ihrer Position im Nahostkonflikt. Jeder zweite Deutsche lehnt dies allerdings ab. 82 Prozent der Israelis wünschen sich deutsche Waffenlieferungen an ihr Land. 68 Prozent der befragten Deutschen sind dagegen.
Unterschiedliche Schlussfolgerungen aus der Geschichte
Gründe für die unterschiedlichen Erwartungen sieht Stephan Vopel, Israel-Experte der Bertelsmann Stiftung, vor allem in den jeweils unterschiedlichen Sicherheitslagen, aber auch in den politischen Kulturen beider Länder. Israelis und Deutsche haben, so Vopel, aus der Geschichte unterschiedliche Schlüsse gezogen: "Für die Deutschen gilt die Maxime 'nie wieder Krieg', für die Israelis heißt es 'nie wieder Opfer'."
Allerdings sehen die Deutschen die israelische Regierung nicht mehr so stark in der alleinigen Verantwortung, zur Lösung des Nahostkonfliktes beizutragen. Zu Beginn der 90er Jahre hatte noch jeder vierte Bundesbürger gefordert, nur die Israelis müssten im Konflikt mit den Palästinensern nachgeben. Heute sagt das nur noch jeder sechste. 73 Prozent der Deutschen glauben, Israelis und Palästinenser müssten gleichermaßen aufeinander zugehen, um Frieden zu schließen. Das glaubt auch eine Mehrheit der israelischen Befragten (53 Prozent).
"Wir müssen mehr Gelegenheiten schaffen für direkte Begegnungen zwischen den Jugendlichen beider Länder."
Stephan Vopel, Israel-Experte der Bertelsmann Stiftung
Jüngere Israelis sehen Deutschland kritischer als ältere
Mit dem eher negativen Israelbild vieler Deutscher kontrastiert ein ausgesprochen positives Deutschlandbild der jüdischen Israelis. 68 Prozent von ihnen haben eine gute Meinung über Deutschland, nur 24 Prozent haben eine schlechte Meinung. Das aktuell sehr positive Deutschlandbild der Israelis belegt auch eine kürzlich veröffentlichte Studie der Konrad Adenauer Stiftung. 1991 hingegen hatten nur 48 Prozent der Israelis eine gute Meinung, 40 Prozent eine schlechte. Allerdings ist das Image Deutschlands bei den älteren Israelis besser als bei den Jüngeren: Während von den über 50-Jährigen rund 80 Prozent positiv über Deutschland urteilen, tun dies von den unter 30-Jährigen nur 53 Prozent.
Für Stephan Vopel sind diese Ergebnisse der Studie Warnsignal und Mutmacher zugleich: "In den vergangenen 50 Jahren wurde viel für das deutsch-israelische Verhältnis erreicht. Das gilt es zu bewahren und auszubauen. Wir müssen mehr Gelegenheiten schaffen für direkte Begegnungen zwischen den Jugendlichen beider Länder", sagte Vopel.
Auch die Arbeit der Bundesregierung wird von der Mehrheit der Israelis positiv gesehen. 63 Prozent der Israelis bewerten sie anerkennend, nur 18 Prozent sehen sie negativ. Dennoch bleibt das deutsch-israelische Verhältnis durch den Holocaust beeinträchtigt. 77 Prozent der Israelis bestätigen eine entsprechende Frage. Drei Viertel der Israelis lehnen es auch ab, einen Schlussstrich unter die Vergangenheit zu ziehen, nur jeder Fünfte bejaht diese Forderung. In Deutschland fordern 58 Prozent der Befragten, einen Schlussstrich zu ziehen, 38 Prozent lehnen dies ab.
Die Studie untersucht anhand einzelner Fragen auch Aspekte antisemitischer Einstellungen, ohne den Anspruch zu erheben, das komplexe Phänomen Antisemitismus vollständig zu erfassen. Dafür müssten mehr Fragen erhoben und zusammengefasst werden. Hier werden also nur einzelne Indikatoren berichtet, aber nicht Antisemitismus als Ganzes. Die Ergebnisse fallen daher tendenziell höher aus als in vergleichbaren Studien zum Antisemitismus. Dennoch lässt die Studie den Schluss zu, dass klassische antisemitische Einstellungen schwächer werden. 23 Prozent der Deutschen meinen, Juden hätten auf der Welt zu viel Einfluss. Zu Beginn der 90er Jahre sagten das noch 36 Prozent. Anlass zur Sorge bereiten auch Äußerungen eines israelbezogenen Antisemitismus. 35 Prozent der Bundesbürger setzen die israelische Politik gegenüber den Palästinensern mit dem Nationalsozialismus gleich. Im Vergleich dazu eine Erhebung von 2007, damals taten dies 30 Prozent. Für beide Befunde gilt: Je niedriger der Bildungsstand, desto größer die Vorurteile.
Zur Studie:
Die Studie "Deutschland und Israel heute: Verbindende Vergangenheit, trennende Gegenwart?" beruht auf repräsentativen demoskopischen Befragungen von TNS Emnid in Deutschland und TNS Teleseker unter jüdischen Israelis in Israel, die im Januar 2013 im Auftrag der Bertelsmann Stiftung durchgeführt wurden. Als Vergleich dienten Erhebungen aus den Jahren 1991 und 2007. Die Autoren, Dr. Roby Nathanson vom Macro Center for Political Economics in Israel und Dr. Steffen Hagemann von der TU Kaiserslautern analysieren und bewerten die quantitativen Ergebnisse und ordnen sie in die aktuellen und historischen Zusammenhänge ein.
Methodischer Hinweis: Um zu prüfen, ob sich seit der ursprünglichen Erhebung der Daten - insbesondere in Folge des Gaza-Kriegs im Sommer 2014 - in der Meinung der deutschen Bevölkerung wesentliche Veränderungen ergeben haben, wurden sieben der Fragen im Oktober 2014 in Deutschland erneut erhoben. Die Ergebnisse zeigen, dass viele der Einstellungen im Wesentlichen relativ stabil sind (zum Trendvergleich s. S. 66 ff. der Studie). Der größeren Aktualität halber werden in der vorliegenden Pressemeldung die jeweils neuesten verfügbaren Daten zitiert, also für Israel Daten aus 2013, für Deutschland überwiegend Daten aus 2014.
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Seit der Aufnahme diplomatischer Beziehungen vor 50 Jahren haben sich Israel und Deutschland einander in erstaunlicher Weise angenähert. Allerdings sehen Deutsche Israel deutlich kritischer als umgekehrt. Und gerade bei der jüngeren Generation in beiden Ländern gibt es einen Trend zur Entfremdung.
50 Jahre nach Aufnahme der diplomatischen Beziehungen haben 36 Prozent der Deutschen eine gute Meinung, 48 Prozent hingegen haben eine schlechte Meinung über Israel. Unter den 18- bis 29-Jährigen sind es sogar 54 Prozent. Deutlich ablehnend ist die Haltung zur israelischen Regierung. 62 Prozent der Deutschen bewerten sie negativ. Damit ist die Haltung der Deutschen zu Israel ablehnender als die Haltung jüdischer Israelis gegenüber Deutschland. Das sind Ergebnisse der Studie der Bertelsmann Stiftung "Deutschland und Israel heute: Verbindende Vergangenheit, trennende Gegenwart?".
Der Studie zufolge bestimmt die Wahrnehmung des israelisch-palästinensischen Konflikts zunehmend das Israel-Bild der Deutschen. Zwar meinen Israelis (74 Prozent) und Deutsche (61 Prozent) mehrheitlich, dass sich aus der Geschichte eine besondere Verantwortung Deutschlands ergibt. Auseinander gehen jedoch die Erwartungen, wie die deutsche Politik diese Verantwortung wahrnehmen soll. So erhoffen sich 84 Prozent der Israelis von der Bundesregierung eine politische Unterstützung ihrer Position im Nahostkonflikt. Jeder zweite Deutsche lehnt dies allerdings ab. 82 Prozent der Israelis wünschen sich deutsche Waffenlieferungen an ihr Land. 68 Prozent der befragten Deutschen sind dagegen.
Unterschiedliche Schlussfolgerungen aus der Geschichte
Gründe für die unterschiedlichen Erwartungen sieht Stephan Vopel, Israel-Experte der Bertelsmann Stiftung, vor allem in den jeweils unterschiedlichen Sicherheitslagen, aber auch in den politischen Kulturen beider Länder. Israelis und Deutsche haben, so Vopel, aus der Geschichte unterschiedliche Schlüsse gezogen: "Für die Deutschen gilt die Maxime 'nie wieder Krieg', für die Israelis heißt es 'nie wieder Opfer'."
Allerdings sehen die Deutschen die israelische Regierung nicht mehr so stark in der alleinigen Verantwortung, zur Lösung des Nahostkonfliktes beizutragen. Zu Beginn der 90er Jahre hatte noch jeder vierte Bundesbürger gefordert, nur die Israelis müssten im Konflikt mit den Palästinensern nachgeben. Heute sagt das nur noch jeder sechste. 73 Prozent der Deutschen glauben, Israelis und Palästinenser müssten gleichermaßen aufeinander zugehen, um Frieden zu schließen. Das glaubt auch eine Mehrheit der israelischen Befragten (53 Prozent).
"Wir müssen mehr Gelegenheiten schaffen für direkte Begegnungen zwischen den Jugendlichen beider Länder."
Stephan Vopel, Israel-Experte der Bertelsmann Stiftung
Jüngere Israelis sehen Deutschland kritischer als ältere
Mit dem eher negativen Israelbild vieler Deutscher kontrastiert ein ausgesprochen positives Deutschlandbild der jüdischen Israelis. 68 Prozent von ihnen haben eine gute Meinung über Deutschland, nur 24 Prozent haben eine schlechte Meinung. Das aktuell sehr positive Deutschlandbild der Israelis belegt auch eine kürzlich veröffentlichte Studie der Konrad Adenauer Stiftung. 1991 hingegen hatten nur 48 Prozent der Israelis eine gute Meinung, 40 Prozent eine schlechte. Allerdings ist das Image Deutschlands bei den älteren Israelis besser als bei den Jüngeren: Während von den über 50-Jährigen rund 80 Prozent positiv über Deutschland urteilen, tun dies von den unter 30-Jährigen nur 53 Prozent.
Für Stephan Vopel sind diese Ergebnisse der Studie Warnsignal und Mutmacher zugleich: "In den vergangenen 50 Jahren wurde viel für das deutsch-israelische Verhältnis erreicht. Das gilt es zu bewahren und auszubauen. Wir müssen mehr Gelegenheiten schaffen für direkte Begegnungen zwischen den Jugendlichen beider Länder", sagte Vopel.
Auch die Arbeit der Bundesregierung wird von der Mehrheit der Israelis positiv gesehen. 63 Prozent der Israelis bewerten sie anerkennend, nur 18 Prozent sehen sie negativ. Dennoch bleibt das deutsch-israelische Verhältnis durch den Holocaust beeinträchtigt. 77 Prozent der Israelis bestätigen eine entsprechende Frage. Drei Viertel der Israelis lehnen es auch ab, einen Schlussstrich unter die Vergangenheit zu ziehen, nur jeder Fünfte bejaht diese Forderung. In Deutschland fordern 58 Prozent der Befragten, einen Schlussstrich zu ziehen, 38 Prozent lehnen dies ab.
Die Studie untersucht anhand einzelner Fragen auch Aspekte antisemitischer Einstellungen, ohne den Anspruch zu erheben, das komplexe Phänomen Antisemitismus vollständig zu erfassen. Dafür müssten mehr Fragen erhoben und zusammengefasst werden. Hier werden also nur einzelne Indikatoren berichtet, aber nicht Antisemitismus als Ganzes. Die Ergebnisse fallen daher tendenziell höher aus als in vergleichbaren Studien zum Antisemitismus. Dennoch lässt die Studie den Schluss zu, dass klassische antisemitische Einstellungen schwächer werden. 23 Prozent der Deutschen meinen, Juden hätten auf der Welt zu viel Einfluss. Zu Beginn der 90er Jahre sagten das noch 36 Prozent. Anlass zur Sorge bereiten auch Äußerungen eines israelbezogenen Antisemitismus. 35 Prozent der Bundesbürger setzen die israelische Politik gegenüber den Palästinensern mit dem Nationalsozialismus gleich. Im Vergleich dazu eine Erhebung von 2007, damals taten dies 30 Prozent. Für beide Befunde gilt: Je niedriger der Bildungsstand, desto größer die Vorurteile.
Zur Studie:
Die Studie "Deutschland und Israel heute: Verbindende Vergangenheit, trennende Gegenwart?" beruht auf repräsentativen demoskopischen Befragungen von TNS Emnid in Deutschland und TNS Teleseker unter jüdischen Israelis in Israel, die im Januar 2013 im Auftrag der Bertelsmann Stiftung durchgeführt wurden. Als Vergleich dienten Erhebungen aus den Jahren 1991 und 2007. Die Autoren, Dr. Roby Nathanson vom Macro Center for Political Economics in Israel und Dr. Steffen Hagemann von der TU Kaiserslautern analysieren und bewerten die quantitativen Ergebnisse und ordnen sie in die aktuellen und historischen Zusammenhänge ein.
Methodischer Hinweis: Um zu prüfen, ob sich seit der ursprünglichen Erhebung der Daten - insbesondere in Folge des Gaza-Kriegs im Sommer 2014 - in der Meinung der deutschen Bevölkerung wesentliche Veränderungen ergeben haben, wurden sieben der Fragen im Oktober 2014 in Deutschland erneut erhoben. Die Ergebnisse zeigen, dass viele der Einstellungen im Wesentlichen relativ stabil sind (zum Trendvergleich s. S. 66 ff. der Studie). Der größeren Aktualität halber werden in der vorliegenden Pressemeldung die jeweils neuesten verfügbaren Daten zitiert, also für Israel Daten aus 2013, für Deutschland überwiegend Daten aus 2014.
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