Sieben Gene für X-chromosomale geistige Behinderung

Kurzfassung: Sieben Gene für X-chromosomale geistige BehinderungDie sogenannte X-chromosomale geistige Behinderung ist eine Erkrankung, die sehr variabel ausfallen kann und vor allem Männer betrifft. Wissenschaf ...
[Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V. - 06.02.2015] Sieben Gene für X-chromosomale geistige Behinderung
Die sogenannte X-chromosomale geistige Behinderung ist eine Erkrankung, die sehr variabel ausfallen kann und vor allem Männer betrifft. Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für molekulare Genetik in Berlin haben sieben neue Gene gefunden, die diese Erbkrankheit auslösen können: Mutationen dieser Gene auf dem X-Chromosom führen zu verschiedenen Formen geistiger Behinderung. Die Forscher haben dazu eine Methode der Erbgutanalyse eingesetzt, die die Suche nach seltenen Gendefekten erheblich vereinfacht.
Die X-chromosomale geistige Behinderung wird durch Gendefekte auf dem X-Chromosom verursacht. Da Männer nur ein einziges X-Chromosom besitzen und die Erkrankung rezessiv vererbt wird, tritt die Erkrankung überwiegend bei Jungen auf. Frauen erkranken im allgemeinen nur, wenn beide X-Chromosomen den Gendefekt tragen. Frauen mit einem gesunden und einem mutierten X-Chromosom sind dagegen meist gesund, geben aber das mutierte X-Chromosom mit einer Wahrscheinlichkeit von 50% an ihre Nachkommen weiter.
Aufgrund der hohen Variabilität des Krankheitsbildes war bis vor wenigen Jahren die Suche nach dem verantwortlichen Gendefekt sehr mühsam. Einige der betroffenen Familien warten schon über 15 Jahre darauf, dass die Ursache der Erkrankung ihrer Angehörigen geklärt wird. Ein internationales Forscherteam rund um die Max-Planck-Wissenschaftlerin Vera Kalscheuer hat jetzt über 400 Familien untersucht, in denen Fälle von X-chromosomaler geistiger Behinderung auftreten. Die Forscher fanden Veränderungen in einer Reihe von Genen, für die der Zusammenhang mit geistiger Behinderung bereits bekannt war. Darüber hinaus konnten sie für sieben weitere Gene, die bislang nicht mit dieser Erkrankung in Verbindung gebracht worden waren, zeigen, dass auch hier Mutationen geistige Behinderung nach sich ziehen können.
Seit einigen Jahren hilft den Forschern die Hochdurchsatzsequenzierung, das "next generation sequencing", bei der Erforschung von Erbkrankheiten. Hierbei können eine große Anzahl von DNA-Abschnitten parallel entschlüsselt und Gendefekte identifiziert werden. Die Wissenschaftler haben mit dieser Methode alle DNA-Abschnitte des X-Chromosoms mit Protein-relevanter Information untersucht. "Wir haben neben bekannten Krankheitsgenen sieben neue Gene als Ursache für die X-chromosomale geistige Behinderung entdeckt und analysiert, zu welchen Signalwegen in den Zellen die dazugehörigen Proteine gehören", berichtet Kalscheuer. Das jeweilige Krankheitsbild und der Schweregrad der Erkrankung hängen den Forschern zufolge von dem verantwortlichen Gen und der Art der Mutation ab. Liegt die Mutation beispielsweise in einem für die Entwicklung des Gehirns und die Funktion des Proteins wichtigen Abschnitt, führt dies zu einem schweren Krankheitsverlauf.
Durch die systematische Sequenzierung sämtlicher X-chromosomalen Gene kann nach Ausschluß des Fragilen-X-Syndroms, bei dem die Ursache eine Verlängerung einer sich wiederholenden Sequenz ist, was mit der hier verwendeten Methode nicht erfasst werden kann, in rund 60 Prozent der Familien mit X-chromosomal vererbter geistiger Behinderung der verantwortliche Gendefekt identifiziert werden. Die Proteine der nun entdeckten Gene könnten den Wissenschaftlern zufolge auch an Epilepsie, Autismus oder Schizophrenie beteiligt sein. In Zukunft wollen die Forscher nun die Funktionen der verantwortlichen Proteine noch genauer untersuchen, um so die Entstehung dieser und ähnlicher Krankheitsbilder besser zu verstehen.
Originalveröffentlichung:
Hu H, et al.
X-exome sequencing of 405 unresolved families identifies seven novel intellectual disability genes
Molecular Psychiatry (2015). doi:10.1038/mp.2014.193

Ansprechpartner:
Dr. Vera M. Kalscheuer
Max-Planck-Institut für molekulare Genetik, Berlin
Telefon:+49 30 8413-1293
Fax:+49 30 8413-1383
E-Mail:kalscheu@molgen.mpg.de
Dr. Patricia Marquardt
Max-Planck-Institut für molekulare Genetik, Berlin
Telefon:+49 30 8413-1716
Fax:+49 30 8413-1671
E-Mail:patricia.marquardt@molgen.mpg.de
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