11.02.2015 14:08 Uhr in Gesellschaft & Familie von Deutsche Gesellschaft für Neurologie
Körperliche Aktivität schützt die Nerven: Bewegungsmuffel erkranken häufiger an Parkinson
Kurzfassung: Körperliche Aktivität schützt die Nerven: Bewegungsmuffel erkranken häufiger an ParkinsonMorbus Parkinson zählt zu den neurodegenerativen Erkrankungen. Im Gehirn sterben nach und nach Nervenzelle ...
[Deutsche Gesellschaft für Neurologie - 11.02.2015] Körperliche Aktivität schützt die Nerven: Bewegungsmuffel erkranken häufiger an Parkinson
Morbus Parkinson zählt zu den neurodegenerativen Erkrankungen. Im Gehirn sterben nach und nach Nervenzellen ab, die den Botenstoff Dopamin produzieren - es kommt zu einem Dopaminmangel in der im Mittelhirn gelegenen Substantia nigra, der sogenannten schwarzen Substanz. Die Nervenzellen in diesem Areal enthalten Melanin und sind dunkel gefärbt - daher der Name. Dopamin hat viele Aufgaben im Gehirn - unter anderem ist der Neurotransmitter für reibungslose Bewegungsabläufe zuständig. Wenn 50 bis 60 Prozent der Dopamin-produzierenden Zellen abgestorben sind, machen sich die ersten Krankheitszeichen von Parkinson bemerkbar. Die typischen Symptome sind Muskelzittern in Ruhephasen, verlangsamte Bewegungen und Steifheit der Muskeln. Warum ein Mensch an Parkinson erkrankt und der andere nicht, ist noch weitgehend unklar. Diskutiert werden erbliche Faktoren und Umweltgifte, welche die Substantia nigra schädigen. Eine Prävention gegen die neurodegenerative Erkrankung gibt es nicht.
Alltagsaktivitäten in Haushalt, Beruf und Freizeit
Das schwedische Forscherteam um Karin Wirdefeldt nahm nun den Zusammenhang zwischen körperlicher Aktivität und dem Risiko, an Parkinson zu erkranken, in einer Studie (1) genauer unter die Lupe. Sie werteten die Daten von mehr als 43.000 Schweden aus, die an einer großen Krebsvorbeugungsstudie teilnahmen. Insgesamt wurden 27.863 Frauen und 15.505 Männer, die im Schnitt 50 Jahre alt waren, von 1997 bis zum Ende des Jahres 2010 beobachtet. Keiner der Probanden war zu Beginn der Studie an Parkinson erkrankt.
In einem 36-seitigen Fragebogen machten sie detaillierte Angaben zu ihren körperlichen Aktivitäten: im Haushalt, auf dem Weg zur Arbeit, in Beruf und Freizeit sowie zu ihrer täglichen Gesamtaktivität. Zusätzlich gaben sie Auskunft darüber, wie körperlich aktiv sie in bestimmten Altersperioden gewesen waren. Als Maß für die körperliche Aktivität dienten sogenannte Metabolische Äquivalente (MET, Metabolic Equivalent of Task) in Stunden pro Tag. Die Basis dafür war die Messung der körperlichen Belastung über den geschätzten Sauerstoffverbrauch, der mit den verschiedenen Aktivitäten einhergeht.
Die MET-Punkte für Haushalt, Pendeln zum Job und Freizeitaktivität wurden als "allgemeine körperliche Aktivität" summiert. Dann ermittelten die Forscher das Risiko für eine Parkinsonerkrankung in Abhängigkeit von ihrer körperlichen Aktivität. "Eine Stärke der Studie ist, dass wir damit das gesamte Spektrum des täglichen Energieverbrauchs berücksichtigt haben, statt uns nur auf bestimmte Bewegungsarten zu fokussieren", so die Forscher.
Sechs Stunden Bewegung pro Woche reduziert das Parkinson-Risiko um bis zu 45 Prozent
Im Beobachtungszeitraum von durchschnittlich 12,6 Jahren erkrankten 286 der insgesamt 43.368 Studienteilnehmer an Parkinson laut nationalem schwedischen Patientenregister - 158 davon waren Männer. Personen, die mehr als sechs Stunden pro Woche im Haushalt und auf dem Weg zum Arbeitsplatz körperlich aktiv waren, hatten ein 43 Prozent niedrigeres Risiko an Parkinson zu erkranken als Probanden, die auf diese Aktivitäten weniger als zwei Stunden wöchentlich verwendeten. Bei Männern sank das Risiko sogar um 45 Prozent. "Schon tägliche moderate Bewegung im Alltag kann das Parkinsonrisiko deutlich senken", schlussfolgern die schwedischen Forscher. Das Studienergebnis erhärtete sich, als die Forscher zusätzlich bereits veröffentlichte prospektive Kohortenstudien (2) analysierten. Auch hier zeigte es sich, dass moderate Bewegung das Parkinsonrisiko bei Männern und Frauen senkt.
"Zusammen mit weiteren Studien, die in dieselbe Richtung weisen, ist dies der Einstieg in eine wissenschaftlich abgesicherte Vorbeugung von neurodegenerativen Erkrankungen - jenen Krankheiten, bei denen die Nervenzellen im Gehirn zugrunde gehen", kommentiert Deuschl, Direktor der Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein in Kiel und Präsident der European Academy of Neurology (EAN). "Bewegung in den Alltag zu integrieren, fällt vermutlich den meisten Menschen leichter, als gezielt regelmäßig Sport zu treiben, und könnte positive Langzeiteffekte für die Gesundheit haben. Die Mechanismen für diese Wirkung sind noch nicht klar. Körperliche Bewegung hat viele positive Effekte, darunter die Freisetzung von Wachstumsfaktoren, verminderte Entzündungsaktivität, höhere Vitamin-D-Produktion", so der Parkinson-Experte.
Parkinson tritt in der Regel in höherem Lebensalter auf. Die Diagnose wird meist zwischen dem 50. und 60. Lebensjahr gestellt. Es gibt allerdings auch jüngere Parkinsonpatienten - etwa 10 Prozent sind bei der Diagnose noch keine 40 Jahre alt. Bei den über 60-Jährigen erkrankt etwa einer von 100 Menschen an Morbus Parkinson. Insgesamt wird die Zahl der betroffenen Patienten in Deutschland auf 240.000 bis 280.000 geschätzt. Nach der Alzheimer-Krankheit ist Parkinson damit die zweithäufigste neurodegenerative Erkrankung. Männer erkranken etwas häufiger als Frauen. Mit der steigenden Lebenserwartung wird die Anzahl der Parkinsonpatienten in den nächsten Jahren deutlich zunehmen. Der Grund: die steigende Lebenserwartung der Bevölkerung.
Quellen
1) Wirdefeldt, K. et al (2015). Physical activity and risk of Parkinson's disease in the Swedish National March Cohort. Brain: A Journal of Neurology 2015: 138; 269-275, DOI: 10.1093/brain/awu323
2) Xu Q, Park Y, Huang X, et al. Physical activities and future risk of Parkinson disease. Neurology 2010;75(4):341-348.
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Prof. Dr. med. Günther Deuschl
Direktor der Neurologischen Universitätsklinik Schleswig-Holstein in Kiel
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sieht sich als neurologische Fachgesellschaft in der gesellschaftlichen Verantwortung, mit ihren mehr als 7700 Mitgliedern die neurologische Krankenversorgung in Deutschland zu sichern. Dafür fördert die DGN Wissenschaft und Forschung sowie Lehre, Fort- und Weiterbildung in der Neurologie. Sie beteiligt sich an der gesundheitspolitischen Diskussion. Die DGN wurde im Jahr 1907 in Dresden gegründet. Sitz der Geschäftsstelle ist seit 2008 die Bundeshauptstadt Berlin.
www.dgn.org
1. Vorsitzender: Prof. Dr. med. Ralf Gold
2. Vorsitzender: Prof. Dr. med. Martin Grond
3. Vorsitzender: Prof. Dr. med. Gereon R. Fink
Geschäftsführer: Dr. rer. nat. Thomas Thiekötter
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Morbus Parkinson zählt zu den neurodegenerativen Erkrankungen. Im Gehirn sterben nach und nach Nervenzellen ab, die den Botenstoff Dopamin produzieren - es kommt zu einem Dopaminmangel in der im Mittelhirn gelegenen Substantia nigra, der sogenannten schwarzen Substanz. Die Nervenzellen in diesem Areal enthalten Melanin und sind dunkel gefärbt - daher der Name. Dopamin hat viele Aufgaben im Gehirn - unter anderem ist der Neurotransmitter für reibungslose Bewegungsabläufe zuständig. Wenn 50 bis 60 Prozent der Dopamin-produzierenden Zellen abgestorben sind, machen sich die ersten Krankheitszeichen von Parkinson bemerkbar. Die typischen Symptome sind Muskelzittern in Ruhephasen, verlangsamte Bewegungen und Steifheit der Muskeln. Warum ein Mensch an Parkinson erkrankt und der andere nicht, ist noch weitgehend unklar. Diskutiert werden erbliche Faktoren und Umweltgifte, welche die Substantia nigra schädigen. Eine Prävention gegen die neurodegenerative Erkrankung gibt es nicht.
Alltagsaktivitäten in Haushalt, Beruf und Freizeit
Das schwedische Forscherteam um Karin Wirdefeldt nahm nun den Zusammenhang zwischen körperlicher Aktivität und dem Risiko, an Parkinson zu erkranken, in einer Studie (1) genauer unter die Lupe. Sie werteten die Daten von mehr als 43.000 Schweden aus, die an einer großen Krebsvorbeugungsstudie teilnahmen. Insgesamt wurden 27.863 Frauen und 15.505 Männer, die im Schnitt 50 Jahre alt waren, von 1997 bis zum Ende des Jahres 2010 beobachtet. Keiner der Probanden war zu Beginn der Studie an Parkinson erkrankt.
In einem 36-seitigen Fragebogen machten sie detaillierte Angaben zu ihren körperlichen Aktivitäten: im Haushalt, auf dem Weg zur Arbeit, in Beruf und Freizeit sowie zu ihrer täglichen Gesamtaktivität. Zusätzlich gaben sie Auskunft darüber, wie körperlich aktiv sie in bestimmten Altersperioden gewesen waren. Als Maß für die körperliche Aktivität dienten sogenannte Metabolische Äquivalente (MET, Metabolic Equivalent of Task) in Stunden pro Tag. Die Basis dafür war die Messung der körperlichen Belastung über den geschätzten Sauerstoffverbrauch, der mit den verschiedenen Aktivitäten einhergeht.
Die MET-Punkte für Haushalt, Pendeln zum Job und Freizeitaktivität wurden als "allgemeine körperliche Aktivität" summiert. Dann ermittelten die Forscher das Risiko für eine Parkinsonerkrankung in Abhängigkeit von ihrer körperlichen Aktivität. "Eine Stärke der Studie ist, dass wir damit das gesamte Spektrum des täglichen Energieverbrauchs berücksichtigt haben, statt uns nur auf bestimmte Bewegungsarten zu fokussieren", so die Forscher.
Sechs Stunden Bewegung pro Woche reduziert das Parkinson-Risiko um bis zu 45 Prozent
Im Beobachtungszeitraum von durchschnittlich 12,6 Jahren erkrankten 286 der insgesamt 43.368 Studienteilnehmer an Parkinson laut nationalem schwedischen Patientenregister - 158 davon waren Männer. Personen, die mehr als sechs Stunden pro Woche im Haushalt und auf dem Weg zum Arbeitsplatz körperlich aktiv waren, hatten ein 43 Prozent niedrigeres Risiko an Parkinson zu erkranken als Probanden, die auf diese Aktivitäten weniger als zwei Stunden wöchentlich verwendeten. Bei Männern sank das Risiko sogar um 45 Prozent. "Schon tägliche moderate Bewegung im Alltag kann das Parkinsonrisiko deutlich senken", schlussfolgern die schwedischen Forscher. Das Studienergebnis erhärtete sich, als die Forscher zusätzlich bereits veröffentlichte prospektive Kohortenstudien (2) analysierten. Auch hier zeigte es sich, dass moderate Bewegung das Parkinsonrisiko bei Männern und Frauen senkt.
"Zusammen mit weiteren Studien, die in dieselbe Richtung weisen, ist dies der Einstieg in eine wissenschaftlich abgesicherte Vorbeugung von neurodegenerativen Erkrankungen - jenen Krankheiten, bei denen die Nervenzellen im Gehirn zugrunde gehen", kommentiert Deuschl, Direktor der Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein in Kiel und Präsident der European Academy of Neurology (EAN). "Bewegung in den Alltag zu integrieren, fällt vermutlich den meisten Menschen leichter, als gezielt regelmäßig Sport zu treiben, und könnte positive Langzeiteffekte für die Gesundheit haben. Die Mechanismen für diese Wirkung sind noch nicht klar. Körperliche Bewegung hat viele positive Effekte, darunter die Freisetzung von Wachstumsfaktoren, verminderte Entzündungsaktivität, höhere Vitamin-D-Produktion", so der Parkinson-Experte.
Parkinson tritt in der Regel in höherem Lebensalter auf. Die Diagnose wird meist zwischen dem 50. und 60. Lebensjahr gestellt. Es gibt allerdings auch jüngere Parkinsonpatienten - etwa 10 Prozent sind bei der Diagnose noch keine 40 Jahre alt. Bei den über 60-Jährigen erkrankt etwa einer von 100 Menschen an Morbus Parkinson. Insgesamt wird die Zahl der betroffenen Patienten in Deutschland auf 240.000 bis 280.000 geschätzt. Nach der Alzheimer-Krankheit ist Parkinson damit die zweithäufigste neurodegenerative Erkrankung. Männer erkranken etwas häufiger als Frauen. Mit der steigenden Lebenserwartung wird die Anzahl der Parkinsonpatienten in den nächsten Jahren deutlich zunehmen. Der Grund: die steigende Lebenserwartung der Bevölkerung.
Quellen
1) Wirdefeldt, K. et al (2015). Physical activity and risk of Parkinson's disease in the Swedish National March Cohort. Brain: A Journal of Neurology 2015: 138; 269-275, DOI: 10.1093/brain/awu323
2) Xu Q, Park Y, Huang X, et al. Physical activities and future risk of Parkinson disease. Neurology 2010;75(4):341-348.
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1. Vorsitzender: Prof. Dr. med. Ralf Gold
2. Vorsitzender: Prof. Dr. med. Martin Grond
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