Kalkalgen als Vorbild für zellfreie Biomineralisation

Kurzfassung: Kalkalgen als Vorbild für zellfreie BiomineralisationDas Rasterelektronenmikroskop macht die filigranen dreidimensionalen Gebilde sichtbar, die die Alge Emiliania huxleyi aus Calcium und Bicarbonat b ...
[Karlsruher Institut für Technologie - 09.03.2015] Kalkalgen als Vorbild für zellfreie Biomineralisation
Das Rasterelektronenmikroskop macht die filigranen dreidimensionalen Gebilde sichtbar, die die Alge Emiliania huxleyi aus Calcium und Bicarbonat bildet. Ioanna Hariskos, Doktorandin am KIT-Institut für Bio- und Lebensmitteltechnik, Bereich Bioverfahrenstechnik, vergleicht die außergewöhnliche Struktur der Calcitscheibchen mit flachen, feinen Waschbecken-Sieben, die durch einen mittleren Tunnel verbunden sind. "Diese komplizierte unregelmäßige Struktur der Coccolithen kann bislang nur die Natur produzieren, sie lässt sich weder durch das Mahlen von Kalkstein noch durch das Ausfällen von Kalkmilch erreichen", sagt Hariskos. Die Biotechnologin forscht am KIT im Zuge des interdisziplinären Kooperationsprojekts "Zellfreie Biomineralisation am Beispiel von Calciumcarbonat: Ein Weg zur in-vitro Synthese von hochstrukturierten Komposit-Materialien (ZeBiCa)". Ziel ist es, die Coccolithenbildung bioverfahrenstechnisch nach dem Vorbild der Kalkalgen, aber ohne Lebewesen nachzubilden. Im Fokus stehen insbesondere mögliche industrielle Anwendungen: Die Mikrostruktur der Oberfläche sowie besondere chemische und physikalische Eigenschaften der Kalkpartikel bergen Potenzial für die Verwendung in innovativen Produkten. "Die chemische Komposition der Coccolithen ist vermutlich beinflussbar, was sich gezielt für die resultierenden mechanischen Eigenschaften nutzen ließe", so die Wissenschaftlerin. Denkbar sei, die Kalkpartikel als neuartige Farbträger zu verwenden. Coccolithen könnten Papier besondere Farb- und Glanzeigenschaften verleihen oder in Schleifpapieren zum Einsatz kommen. Die Doppelbrechung von Calcit - die Eigenschaft Licht in zwei Strahlenbündel aufzuspalten - lasse auch an eine Anwendung in der Optik denken, so Hariskos. "Wenn wir die Grundlagen des Bioprozesses verstehen, durch den Coccolithen gebildet werden, kann es uns gelingen, weitere Materialien, Strukturen und Eigenschaften herzustellen", erklärt die Biotechnologin.
Hariskos hat mit einem kleinen Team von Studierenden ein Kultivierungsverfahren entwickelt, mit dem sich Coccolithen in großer Menge herstellen lassen. Sie züchtet die Kalkalge Emiliania huxleyi, ein einzelliges Phytoplankton, im Bioreaktor mit modifiziertem künstlichem Meerwasser. In der Natur finden sich 1.000 bis maximal 100.000 Zellen der mikroskopisch kleinen Kalkbildner pro Milliliter Meerwasser. "Im Labor ist es uns gelungen, 50 bis 100 Millionen Zellen pro Milliliter zu züchten, das ist eine sensationell hohe Ausbeute", sagt Hariskos. "Wir können den Algen eine bessere Umgebung anbieten als das Meer", erklärt die Biotechnologin. Neben der kontrollierten Nährstoffzufuhr spielt Licht eine wesentliche Rolle. "Im Bioreaktor können wir den Photosynthese betreibenden Algen 24 Stunden Licht anbieten und die Lichtintensität der jeweiligen Kulturdichte anpassen", so Hariskos. Dabei kommt auch eine am KIT entwickelte Leuchtdioden-Ummantelung zum Einsatz.
Für seine Forschung in dem bis 2016 laufende Projekt ZeBiCa wird das Institut für Bio- und Lebensmitteltechnik des KIT vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit insgesamt 410.000 Euro über drei Jahre gefördert. Neben dem Institut für Bio- und Lebensmitteltechnik sind an dem Verbundprojekt ZeBiCa das Institut für funktionale Grenzflächen des KIT sowie das Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung, das Centrum für Biotechnologie der Universität Bielefeld und das Institut für Systemdynamik der Universität Stuttgart beteiligt. Industriepartner ist das Unternehmen Schaefer Kalk im rheinland-pfälzischen Diez.

Margarete Lehné
Karlsruher Institut für Technologie
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Das Karlsruher Institut für Technologie, kurz KIT, ist eine Technische Universität des Landes Baden-Württemberg und nationales Forschungszentrum in der Helmholtz-Gemeinschaft.
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