24.03.2015 17:43 Uhr in Gesundheit & Wellness von Deutsche AIDS-Hilfe

Deutsche AIDS-Hilfe: Wegweisendes Urteil zu HIV-Übertragung in Aachen

Kurzfassung: Deutsche AIDS-Hilfe: Wegweisendes Urteil zu HIV-Übertragung in Aachen- Erstmals wertet ein deutsches Gericht eine HIV-Übertragung als fahrlässige und nicht als vorsätzliche Körperverletzung.Das L ...
[Deutsche AIDS-Hilfe - 24.03.2015] Deutsche AIDS-Hilfe: Wegweisendes Urteil zu HIV-Übertragung in Aachen

- Erstmals wertet ein deutsches Gericht eine HIV-Übertragung als fahrlässige und nicht als vorsätzliche Körperverletzung.
Das Landgericht Aachen hat am Montag einen HIV-positiven Mann zu einer Bewährungsstrafe verurteilt, der ungeschützten Sex mit seiner Lebensgefährtin gehabt hatte, ohne sie über seine Infektion zu informieren. Dabei war es zur Übertragung des Virus gekommen.
Mit seinem Urteil betrat das Gericht in der Rechtsgeschichte der Bundesrepublik Neuland: Es wertete das Geschehen lediglich als fahrlässige Körperverletzung. Bisher gingen der Bundesgerichtshof wie auch Instanzgerichte in solchen Fällen stets von Vorsatz aus oder nahmen an, die Angeklagten hätten die Infektion ihrer Partner "billigend in Kauf genommen".
Keine Anhaltspunkte für Vorsatz
Der Richter sagte laut dpa, der Angeklagte habe seine Infektion aus Angst vor Verlust der Beziehung verschwiegen und gehofft, seine Partnerin werde sich nicht infizieren. Ein medizinischer Gutachter erklärte, das Übertragungsrisiko sei gering gewesen, da sich im Blut des Mannes nur relativ wenige HI-Viren befunden hätten. Der Angeklagte hatte zudem versucht, seine Partnerin zu schützen, war aber aufgrund der Umstände und seiner Angst gescheitert. Der Richter sah dementsprechend keine Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte vorsätzlich gehandelt habe (Details in Kürze auf aidshilfe.de).
Wegweisendes Zeichen gesetzt
Der Vorsitzende begann seine mündliche Urteilsbegründung mit den Worten: "Wir haben in diesem Verfahren viel über HIV gelernt."
Dazu sagt Manuel Izdebski vom Vorstand der Deutschen AIDS-Hilfe:
"Diese Urteilsbegründung ist ein Fortschritt von großem Wert: Erstmals erkennt ein Gericht an, dass man bei der HIV-Übertragung nicht automatisch von Vorsatz ausgehen darf. Fast immer ist - wie in diesem Fall - Angst der Grund dafür, dass Menschen ihre Infektion nicht thematisieren. Dem gilt es Rechnung zu tragen. Das Strafrecht ist dafür kein geeignetes Mittel. Das Gericht hat mit seiner Einschätzung ein wegweisendes Zeichen für eine Veränderung der Rechtsprechung gesetzt."
Freispruch in drei weiteren Fällen
Ebenfalls wegweisend: Das Gericht sprach den Angeklagten bezüglich drei weiterer Vorfälle mit zwei Frauen frei. Da zum Zeitpunkt des Geschehens aufgrund seiner HIV-Therapie keine Viren mehr in seinem Blut nachweisbar waren, konnte er HIV nicht mehr übertragen. Dieser Zusammenhang wurde von Gerichten bisher nicht zuverlässig anerkannt.
Die Deutsche AIDS-Hilfe lehnt die Strafbarkeit der HIV-Übertragung prinzipiell ab, weil diese der Verbreitung von HIV Vorschub leistet: Die Kriminalisierung konterkariert die erfolgreiche Botschaft, dass jeder Mensch selbst Verantwortung für seinen Schutz übernehmen muss, indem sie die Verantwortung einseitig den HIV-Positiven zuschreibt.

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