Beschluss des SPD-Parteivorstandes: Familie und Beruf partnerschaftlich besser vereinbaren

  • Pressemitteilung der Firma SPD, 09.05.2011
Pressemitteilung vom: 09.05.2011 von der Firma SPD aus Berlin

Kurzfassung: Der Parteivorstand der SPD hat in seiner heutigen Sitzung folgenden Beschluss einstimmig gefasst: I. Präambel Für eine soziale, solidarische und wirtschaftlich erfolgreiche Gesellschaft brauchen wir eine neue Verbindung von Arbeit und Leben, von ...

[SPD - 09.05.2011] Beschluss des SPD-Parteivorstandes: Familie und Beruf partnerschaftlich besser vereinbaren


Der Parteivorstand der SPD hat in seiner heutigen Sitzung folgenden Beschluss einstimmig gefasst:

I. Präambel

Für eine soziale, solidarische und wirtschaftlich erfolgreiche Gesellschaft brauchen wir eine neue Verbindung von Arbeit und Leben, von Familie und Beruf. Wirtschaftlicher Fortschritt muss mit gesellschaftlichem Fortschritt einhergehen. Deshalb muss steigende Flexibilität im Arbeitsleben auch mehr Flexibilität und Freiräume für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bringen, ihr Leben jenseits der Arbeit nach ihren Wünschen zu gestalten. Dazu zählt für die meisten Menschen auch, Zeit und Kraft für die Familie zu haben.

Familie ist für uns dort, wo Menschen Verantwortung füreinander übernehmen. Dazu gehören Paare – ob mit oder ohne Kinder und Trauschein – ebenso wie Alleinerziehende, Patchwork- und Regenbogenfamilien sowie der Single, der für seine pflegebedürftigen Eltern sorgt.

Zeit für die Familie wird dabei von immer mehr Menschen nicht als Alternative zu Beruf und Karriere gesehen. Die meisten Frauen wollen sich nicht auf die Familie beschränken und eine wachsende Zahl von Männern nicht auf den Beruf. Sie wünschen sich die partnerschaftliche Teilung der Aufgaben auf Augenhöhe sowohl in der Familie als auch in der Arbeitswelt.

Für uns geht gesellschaftlicher Fortschritt deshalb einher mit besseren Rahmenbedingungen für eine partnerschaftliche Arbeitsteilung in Familie und Arbeitswelt. Dazu gehören sowohl Maßnahmen für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf als auch eine konsequente Gleichstellungspolitik, um gleiche Entwicklungs- und Teilhabechancen im Beruf zu gewährleisten. Echte Partnerschaftlichkeit führt für Frauen und Männer zu einer stärkeren Balance zwischen Beruf, Familie, Freizeit, Bildung und ehrenamtlichem Engagement, von der beide Geschlechter profitieren. Diese Entwicklung bietet neben einem selbstbestimmten Leben und mehr gesellschaftlicher Gleichstellung auch große Chancen für unsere Wirtschaft. Die steigende Erwerbstätigkeit von Frauen trägt zum Wirtschaftswachstum und zur Deckung des Fachkräftebedarfs bei. Motivierte und engagierte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind das Rückgrat unserer Wirtschaft. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Beruf und Familie miteinander verbinden können, sind ein Gewinn für unsere Gesellschaft. Das Ziel der SPD ist es, dafür die politischen Voraussetzungen zu schaffen.

Denn heute erleben zu viele Menschen, dass ihnen – sofern sie Arbeit haben – ihr Beruf alles abverlangt und die Grenzen zwischen Arbeit und Leben verschwimmen: immer höhere Leistungserfordernisse und Verfügbarkeit rund um die Uhr, mehr Wochenendarbeit, Schichtarbeit und steigende tatsächliche Wochenarbeitszeiten, unabhängig von tariflich festgelegten Arbeitszeiten. Das gilt sowohl für hochqualifizierte Wissensarbeiter/innen als auch für Beschäftigte im Niedriglohnbereich.

Die meisten Frauen und Männer wünschen sich außerdem Kinder, wollen sie fördern und partnerschaftlich erziehen und sich in Kita, Schule oder Verein ehrenamtlich engagieren. Gleichzeitig müssen sie für ihren eigenen Lebensunterhalt sorgen und brauchen eine soziale Absicherung. Immer mehr Familien stehen zudem vor der Situation, Verantwortung für Menschen mit Betreuungs- und Pflegebedarf zu übernehmen. Damit treffen im Alltag zwei Welten aufeinander: Familien brauchen verlässliche Strukturen, gemeinsame freie Zeiten, aber auch zeitliche Flexibilität am Arbeitsplatz, je nach häuslicher Situation. Viele Arbeitgeber dagegen wollen immer geringere Personalkosten und Arbeitnehmer/innen, deren Flexibilität sich an Auftragslagen, Ladenöffnungs- und Maschinenlaufzeiten orientiert. Eine bessere Balance von Arbeit, Familie und Freizeit und damit eine neue "soziale Lebenslaufpolitik" (Prof. Dr. Gerd Naegele) sind daher dringend geboten.

Bisher machen vor allem Mittelständler und auch einige Großunternehmen vor, wie es gehen kann: mit qualitativ hochwertigen Betriebskindergärten und familienfreundlichen Arbeitszeitmodellen werben und binden sie ihre Beschäftigten langfristig an sich. In einzelnen Branchen haben Gewerkschaften und Arbeitgeber auch überregional vorbildliche Regelungen im Sinne einer besseren Vereinbarkeit von Arbeit und anderen Lebensbereichen getroffen. Dagegen gingen die Vorschläge von Verbänden und Großunternehmen in den aktuellen Fachkräftedebatten insbesondere mit der Forderung nach einer Verlängerung der Wochenarbeitszeit über 40 Stunden hinaus eher in Richtung weniger statt mehr Familienfreundlichkeit.

Aber bereits heute sind Erwerbs- und Familienarbeit zwischen Frauen und Männern in Deutschland so ungleich verteilt wie in kaum einem anderen europäischen Land. Diese Spaltung in jene (meist Männer), die trotz Familie immer mehr arbeiten, und andere (meist Frauen), die sich um Kinder und Angehörige kümmern und damit zeitlebens von guten Verdienst- und Aufstiegsmöglichkeiten ausgeschlossen bleiben, darf sich nicht noch weiter vertiefen.

Wir wollen, dass Frauen und Männer an einem erfüllten Leben teilhaben können, und dass gleichzeitig die bestausgebildete Frauengeneration aller Zeiten ihre Ressourcen und Karrierechancen nutzen kann. Das bringt auch einen volkswirtschaftlichen Nutzen. Wir wollen, dass Frauen und Männer mit Familienverantwortung künftig so arbeiten können, dass Familienarbeit und Berufstätigkeit partnerschaftlich vereinbar sind.

II. Rahmenbedingungen für Partnerschaft in Beruf und Familie schaffen

Wir wollen die Rahmenbedingungen für eine partnerschaftliche Aufteilung von Familien- und Erwerbsarbeit für Frauen und Männer schaffen. Dabei geht es um Gute Arbeit für alle ebenso wie um die notwendige Infrastruktur, um Zeit für die Familie und auch um gezielte finanzielle Unterstützung.

II.1. Gute Arbeit

Gute Arbeit bedeutet auch familienfreundliche Arbeit. Wenn wir mehr unbefristete, gut entlohnte und sozial abgesicherte Arbeit schaffen, schaffen wir auch die Voraussetzung für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

Befristete Arbeitsverträge sind vor allem für junge Menschen zur Regel und einem der wesentlichen Hemmnisse bei der Familiengründung geworden: Mehr als 25% der 35jährigen waren nach einer IG-Metall-Studie bisher ausschließlich befristet beschäftigt. Jeder zweite neue Arbeitsvertrag ist befristet. Wer aber ständig um seine Existenz bangt und sich nicht langfristig an einen Ort binden kann, entscheidet sich nur schwer für Kinder. Diese Praxis muss wieder auf ein begründetes Maß zurückgeführt und das Normalarbeitsverhältnis zur Regel gemacht werden. Deshalb wollen wir den Missbrauch der Leiharbeit beenden, indem der Grundsatz "Gleiches Geld für gleichwertige Arbeit" endlich ohne Ausnahme durchgesetzt wird, und wieder eine Höchstüberlassungsdauer im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz festschreiben.

Gute Arbeit bedeutet gleiche Bezahlung für Frauen und Männer. Solange erwerbstätige Frauen schlechter bezahlt werden als Männer – im Durchschnitt 23%, bei gleicher Tätigkeit 13% - kann es eine partnerschaftliche Rollenverteilung auch in der Familie nicht geben. Denn die Frage, wer zugunsten familiärer Aufgaben beruflich kürzer tritt oder zeitweise ganz aussteigt, müssen Familien heute überlebensnotwendig auch nach finanziellen Kriterien entscheiden.

Wir wollen einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn als absolute Lohnuntergrenze einführen. Das Prinzip gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit wollen wir durchsetzen und so genannte typische Frauenberufe aufwerten. Um die bestehende Lohnungleichheit zwischen Frauen und Männern zu beseitigen, bedarf es eines Entgeltgleichheitsgesetzes. Bei den Mini-Jobs wollen wir zunächst die wöchentlich zulässige Arbeitszeit wieder begrenzen, um Lohndumping zu verhindern.

Das Ehegattensplitting zementiert in Kombination mit der Minijob-Regelung das Modell des männlichen Haupternährers und der weiblichen Zuverdienerin: Unter dem Strich ist es damit für viele Familien vor allem in der Mittelschicht kurzfristig betrachtet scheinbar erheblich vernünftiger, ein Haupteinkommen mit Minijob zu kombinieren, der für wenige Stunden am Vormittag, abends oder am Wochenende ausgeübt wird, als dass einer oder gar beide sozialversicherte Teilzeitbeschäftigung ausüben. Tatsächlich birgt dieser Weg jedoch erhebliche persönliche Risiken: keine eigene soziale Absicherung, kein nennenswerter eigener Rentenanspruch, drohende Armut im Falle von Trennung oder Scheidung, in der Regel keine berufliche Entwicklungsmöglichkeit.

Wir wollen daher Anreize für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf setzen. Anstelle des Ehegattensplittings müssen beide Ehegatten individuell besteuert werden. Das soll aus Gründen des Vertrauensschutzes nur für künftige Ehen gelten. Gegenseitige Unterhaltverpflichtungen werden steuerlich angerechnet.

II.2 Gute Bildung und Betreuung

Beruf und Familie lassen sich nur vereinbaren, wenn es bedarfsgerechte und hochwertige Bildungs- und Betreuungsangebote für Kinder aller Altersgruppen gibt. Gute Kindertagesstätten sind zudem eine wichtige Voraussetzung für die frühe Förderung aller Kinder unabhängig von ihrer sozialen Herkunft. Hier können herkunftsbedingte Benachteiligungen frühzeitig ausgeglichen und wichtige Grundlagen für eine erfolgreiche Bildungslaufbahn gelegt werden. Kitas sind Bildungsstätten. Verstärkte Investitionsanstrengungen in diesem Bereich helfen Folgekosten zu vermeiden und zahlen sich ökonomisch und sozial zukünftig aus.

Im Bund und in den SPD-geführten Ländern haben wir in den vergangenen Jahren wichtige Fortschritte erreicht:

Wir haben durchgesetzt, dass es ab 2013 für alle Kinder ab dem ersten Geburtstag einen Rechtsanspruch auf einen Platz in der Kita oder Tagespflege gibt. Wir haben in den Ländern in die Qualität der frühkindlichen Bildung investiert und ein bzw. mehrere Kita-Jahre von Elternbeiträgen befreit und Familien damit entlastet. Und wir haben 2003-2009 mit dem "Zukunftsprogramm Bildung und Betreuung" im Umfang von 4 Mrd. Euro die Initialzündung für den Ausbau von Ganztagsschulen gegeben.

Die Umsetzung des Rechtsanspruches ab dem ersten Geburtstag für alle Kinder muss nun gesichert werden. Derzeit stehen bundesweit für 23% der Kinder unter drei Jahren Betreuungsplätze zur Verfügung. Selbst von den zunächst bis 2013 angestrebten 35% ist dies noch weit entfernt. Und alle Experten gehen davon aus, dass insbesondere in städtischen Regionen der Bedarf nach und nach auf 40-60% steigen wird.

Bund und Länder müssen daher eine aktuelle Bedarfsprognose erstellen und im Rahmen eines Nationalen Bildungspakts die Mittel des Bundes (Sondervermögen Kinderbetreuungsausbau sowie Beteiligung des Bundes an den Betriebskosten ab 2014) entsprechend aufstocken. Um den zusätzlichen Fachkräftebedarf in Zukunft decken zu können, ist darüber hinaus eine breit angelegte Fachkräfteoffensive für Erzieherinnen und Erzieher dringend erforderlich.

Der Rechtsanspruch auf Bildung für Kinder ab drei Jahren besteht in Westdeutschland zwar bereits seit 1996, er ist dort jedoch meist noch als Anspruch auf einen Halbtagsplatz ausgestaltet. Bundesweit sind nur rund 60% der Kindertageseinrichtungen in Deutschland am Tag sieben Stunden oder länger geöffnet. Der überwiegende Teil davon findet sich in den ostdeutschen Bundesländern. Darin liegt insbesondere für Alleinerziehende eine entscheidende Hürde für die Sicherung des Lebensunterhaltes durch eigene Erwerbstätigkeit und ein massives Hemmnis für eine höhere Erwerbsbeteiligung von Frauen.

Wir fordern daher schon seit längerem, den Rechtsanspruch auf Bildung zu einem Ganztagsanspruch zu erweitern. In einem ersten Schritt ab 2013 soll dies mindestens für Alleinerziehende gelten. Die Infrastruktur für Bildung und Betreuung muss flächendeckend qualitativ hochwertig, bedarfsgerecht vorhanden sein. Dazu gehören auch flexible Lösungen beispielsweise für Schichtdienstarbeiterinnen und –arbeiter.

Ganztagsangebote für Schulkinder sind inzwischen an gut 34% aller Schulen vorhanden. Das ist ein riesiger Fortschritt, nicht nur für die Vereinbarkeit, sondern auch für die Qualität der Bildung. Denn die Ganztagsschule ist ein Ort des Lernens und des sozialen Miteinanders, wo mehr Zeit zur Verfügung steht für die individuelle Förderung der Kinder und Jugendlichen.

Ganztagsschulen sind in Deutschland regional und nach Schulformen sehr unterschiedlich verteilt und bieten nicht überall tatsächlich ein Angebot bis in den späten Nachmittag. In Kommunen mit Schuleinzugsbezirken entscheidet damit nicht selten der Zufall über die Chancen für Kinder und Eltern, zumal im Westen Deutschlands auch Hortplätze bzw. Nachmittagsangebote Mangelware sind.

Wir brauchen daher einen Masterplan Ganztagsschule, mit dem in einem ersten Schritt bis 2015 zusätzlich 7.000 Ganztagsschulen – also ganztägige Lehr- und Betreuungsangebote – geschaffen werden. In einem zweiten Schritt wird bis zum Jahr 2020 ein flächendeckendes und bedarfsgerechtes Angebot an Ganztagsschulen sichergestellt. Für den Zeitraum 2012 bis 2015 sind hierfür Investitions- und Personalmittel in Höhe von jeweils etwa 4 Mrd. Euro notwendig. Für die 2. Stufe bis 2020 müssen nach ersten Schätzungen weitere rd. 23 Mrd. Euro veranschlagt werden.

Diese Zahlen machen deutlich, dass der flächendeckende Ausbau der Ganztagsangebote in Deutschland eine enorme Kraftanstrengung bedeutet. Den Investitionen in die Betreuungs- und Bildungsinfrastruktur muss sowohl aus sozialer als auch aus ökonomischer Sicht dringend politische Priorität eingeräumt werden. Sie sind weder allein Aufgabe der kommunalen Daseinsfürsorge noch der Bildungspolitik, sondern vielmehr eine Gemeinschaftsaufgabe, der sich Bund, Länder und Kommunen gemeinsam stellen müssen. Denn neben der besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf und der großen bildungspolitischen Bedeutung haben diese Zukunftsinvestitionen einen hohen ökonomischen Ertrag. Sie sind Grundvoraussetzung dafür, dass Eltern einer existenzsichernden Beschäftigung nachgehen und damit auch spätere Rentenansprüche erwerben können. Sie sind ein wichtiges Instrument dafür, den Standort Deutschland attraktiver zu machen und damit den Fachkräftemangel aktiv zu bekämpfen.

Wir wollen den Rechtsanspruch auf Ganztagsangebote in Kitas und Schulen bis 2020 verwirklichen. Für alle Familien, die dies wollen, muss überall in Deutschland ein Ganztagsangebot vorhanden sein. Damit Länder und Kommunen dieses Ziel erreichen können, muss der Bund ausreichend Finanzmittel zur Verfügung stellen. Dies vorausgesetzt, schlagen wir folgenden Stufenplan vor:

1. Stufe:

Realisierung des Rechtsanspruchs auf Bildung und Betreuung für Kinder ab Eins bis 2013 durch zusätzliches finanzielles Engagement des Bundes auf der Basis einer aktualisierten Bedarfsprognose.

2. Stufe:

Einführung eines Rechtsanspruchs auf ganztägige Bildung und Betreuung in Kitas für Kinder von Alleinerziehenden ab 2013.

3. Stufe:

Rechtsanspruch auf Ganztagsangebote für alle Kinder im Vorschulalter bis 2017.

4. Stufe:

Ausbau eines flächendeckenden und bedarfsgerechten ganztätigen Angebots an Schulen. In einem ersten Schritt um 7.000 zusätzliche Ganztagsschulen bis 2015. Ab 2020 Einführung eines Rechtsanspruchs auf Ganztagsschule.

II.3 Familie braucht Zeit

Partnerschaft, die Erziehung von Kindern, die Pflege, ehrenamtliches Engagement oder auch allein das Kümmern um Familienmitglieder braucht Zeit. Es ist ein riesiger gesellschaftlicher Fortschritt, wenn es uns gelingt, die Arbeitswelt mit politischen Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass die Menschen in unserem Land mehr Zeit für Familie haben, ohne dass dies zu Lasten ihrer beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten geht. Dafür brauchen wir eine veränderte Arbeitskultur, eine Stärkung der partnerschaftlichen Arbeitsteilung von Frauen und Männern und bessere Möglichkeiten für einen befristeten Ausstieg aus dem Beruf, eine befristete Reduzierung der Arbeitszeit und eine Arbeitskultur, die auch familiengerechte Vollzeit ermöglicht.

Wir haben die Elternzeit seit 1998 entscheidend modernisiert und damit endlich das Niveau europäischer Nachbarländer erreicht. Das gilt für die Flexibilisierung der Inanspruchnahme im Jahr 2001, insbesondere aber natürlich für die Einführung des Elterngeldes für 14 Monate, davon zwei Partnermonate, im Jahr 2007. 96% der Mütter nehmen Elterngeld in Anspruch und inzwischen auch 23% der Väter. Das ist ein erheblicher Schritt hin zu mehr Partnerschaftlichkeit in der frühen Familienphase, aber im Vergleich zu den skandinavischen Ländern mit einer Väterbeteiligung von über 90% noch relativ gering.

Wir wollen zusätzliche Anreize für eine partnerschaftliche Aufteilung der Elternzeit geben ohne die wirtschaftliche Situation der Familien aus den Augen zu verlieren. Dazu müssen dringend auch beide Eltern gleichzeitig 14 Monate lang in der Elternzeit Teilzeit arbeiten können (statt wie bisher nur sieben Monate). D.h. sie sollen im ersten Lebensjahr ihres Kindes zeitgleich ihre Arbeitszeit reduzieren und jeweils einen Teil des Tages oder der Woche bei ihrem Kind sein können.

Wir wollen eine bezahlte 10-tägige Pflegezeit einführen. Wir haben den 10tägigen Pflegesonderurlaub für neu eintretende Pflegefälle eingeführt, damit Angehörige kurzfristig Zeit für die Organisation der neuen Lebenssituation haben. Dabei handelt es sich – aufgrund des damaligen Widerstands der Union - um eine unbezahlte Freistellung. Wir wollen dafür eine Lohnersatzleistung schaffen, die dem Kinderkrankengeld entspricht.

Darüber hinaus haben wir die Pflegezeit eingeführt, bei der Arbeitnehmer/innen mit einem Pflegefall in der Familie einen Rechtsanspruch auf vollständige oder teilweise Arbeitfreistellung für maximal sechs Monate haben und danach automatisch in ihr Vollzeitarbeitsverhältnis zurückkehren. Dabei ist für Arbeitnehmer/innen auch eine Absicherung in der Rentenversicherung geregelt, so dass keine rentenrechtliche Lücke entsteht.

Die Pflegezeit wollen wir zukünftig sozial besser absichern und für einen gewissen Zeitraum mit einer Lohnersatzleistung ausstatten. Die Betreuung pflegebedürftiger Menschen muss von der Gesellschaft ähnlich anerkannt werden wie die Erziehung von Kindern. Das konkrete Konzept muss so ausgestaltet sein, dass es nicht zur Verdrängung von Frauen aus dem Erwerbsleben führt.

Das von Bundesfamilienministerin Schröder vorgelegte Gesetz zur Einführung einer Familienpflegezeit ist völlig unzulänglich. Es sieht nicht einmal einen Rechtsanspruch auf die Familienpflegezeit vor, sondern nur eine vage Kann-Bestimmung. Mit diesem Modell werden es erneut vor allem die Frauen sein, die zugunsten von Familienpflichten im Beruf aussetzen. Es macht die Pflege zu einer reinen Privatsache. Denn die pflegebedingten Auszeiten sollen allein von den Arbeitnehmer/innen finanziert werden, indem sie auf 25% ihres Gehaltes verzichten müssen. Zudem soll bei diesem Modell eine Versicherungspflicht eingeführt werden, deren Kosten Arbeitnehmer/innen ebenfalls einseitig tragen müssen. Das ist kein umfassendes Lösungsangebot für alle, sondern in Wahrheit ein Nischenangebot für eine sehr kleine Zielgruppe: Für diejenigen, die einen sicheren Arbeitsplatz haben und es sich leisten können, bis zu vier Jahre lang auf ein Viertel ihres Einkommens verzichten können.

Wir wollen Langzeitkonten besser für Kinderziehung und Pflege nutzen. Wir haben mit dem "Flexi-II-Gesetz" von 2009 mehr Möglichkeiten für die Nutzung von Arbeitszeitkonten geschaffen, mit denen Arbeitnehmer/innen zum Beispiel für die Freistellung oder Arbeitszeitreduzierung bei Kindererziehung, Pflege oder die Zeit vor dem Renteneintrittsalter durch Entgelt- und/oder Arbeitszeitanteile Guthaben ansparen können. In der Praxis hat sich diese Form der Flexibilisierung von Lebensarbeitszeit jedoch bislang nur begrenzt durchgesetzt – 2% der Arbeitnehmer/innen verfügen bislang über ein Langzeitkonto – und wird zudem überwiegend als reines Überstundenkonto für den Vorruhestand angeboten bzw. nachgefragt. Hinzu kommen die Schwierigkeiten für befristet Beschäftigte.

Um die Nutzung von Langzeitkonten für Kindererziehung oder Pflege stärker zu unterstützen, sind vor allem die Arbeitgeber gefragt, z.B. über attraktive Verzinsungen. Vor allem aber muss eine Lösung dafür gefunden werden, dass jüngere Arbeitnehmer/innen zumal bei längeren Ausbildungen meist keine Chance haben, nennenswerte Zeitguthaben für die Familiengründungsphase anzusparen. Langzeitkonten müssen daher auch so genutzt werden können, dass geringere Arbeitszeiten ohne Einkommensverlust zu einem späteren Zeitpunkt wieder eingearbeitet werden. Um die entstandenen Ausfallzeiten von Familien gegenüber ihren Arbeitgebern abzusichern, wollen wir eine gesetzliche Regelung finden, um nicht – wie jetzt die Bundesfamilienministerin mit der "Familienpflegzeit" – durch den Zwang zu einer privaten Versicherung die Kosten für Familien in die Höhe zu treiben.

Wir wollen partnerschaftliche Arbeitszeitmodelle ermöglichen, denn Vereinbarkeit von Kindererziehung und Beruf für Männer und Frauen ist mehr als Infrastruktur. Neben Krippen, Kitas und Ganztagsschulen ist eine kluge Zeitpolitik eine wichtige Voraussetzung für ein partnerschaftliches Familienmodell.

Teilzeitarbeit von Müttern ist in Deutschland seit langem die dominierende Vereinbarkeitsstrategie – und nimmt weiter zu. Die Teilzeitquote von Müttern ist von 53% im Jahr 1998 auf 69% im Jahr 2008 angestiegen und liegt damit 10mal so hoch wie die der Väter. Der deutliche Anstieg der Frauenerwerbstätigkeit in den letzten Jahren ist vor allem ein Anstieg von Teilzeitbeschäftigung: Insgesamt arbeiten nur 48% aller Frauen Vollzeit, 25% dagegen in sozialversicherungspflichtiger Teilzeit und sogar 27% in Minijobs. Der Anteil von Frauen in regulären Vollzeitarbeitsverhältnissen ist zugleich gesunken. Das heißt: Es sind zwar immer mehr Frauen erwerbstätig, sie teilen sich jedoch – anders als in fast allen anderen europäischen Ländern - ein nahezu gleichbleibendes Arbeitsvolumen.

Das Problem liegt vor allem darin, dass sich hinter diesen Teilzeit-Erwerbsverhältnissen von Müttern viele nicht existenzsichernde Stellen wie kleine Teilzeit unter 20 Stunden oder eben Mini-Jobs verbergen. Damit wird innerhalb der Familie die traditionelle Rollenverteilung mit der Frau als Zuverdienerin festgeschrieben - und im Falle von Trennung, Scheidung, Arbeitslosigkeit oder Tod des Hauptverdieners die Abhängigkeit von staatlichen Transfers programmiert. Die Mehrzahl der Familien in Deutschland lebt inzwischen nach diesem 1,5-Verdiener-Modell (44% gegenüber 23% Alleinverdiener-Familien, 16% mit beiden Elternteilen in Vollzeit und nur ca. 5% mit partnerschaftlichen Teilzeitmodellen). Die daraus erwachsende Altersarmut ist vor allem in Westdeutschland und verstärkt zukünftig auch im Osten weiblich.

Dabei wäre die Arbeitsteilung von Eltern deutlich partnerschaftlicher als sie es jetzt ist, wenn sie nur die Wahl hätten: 36% der vollzeitbeschäftigten Eltern mit Kindern unter 18 Jahren wünschen sich eine Arbeitszeit, die wenige Stunden unter ihrer jetzigen Arbeitszeit liegt. Umgekehrt würden von den Teilzeitbeschäftigten 31% gern mehr arbeiten, meist zwischen 30 und 35 Wochenstunden.

Wir prüfen daher die Einführung des Rechts auf eine so genannte "kurze Vollzeit" für Väter und Mütter. Freundliche Appelle zur Schaffung von 30-35-Stunden-Stellen für Eltern, wie sie die Bundesfamilienministerin an die Wirtschaft richtet, reichen nicht aus. Natürlich gibt es bereits viele gute Beispiele von freiwilligen Regelungen, aber Eltern brauchen Rechtssicherheit durch staatliche Rahmenbedingungen – und sie brauchen in bestimmten Einkommensbereichen auch finanzielle Unterstützung, um sich die Reduzierung ihrer Arbeitszeit leisten zu können. Das gilt insbesondere für Alleinerziehende. Wir diskutieren daher eine große Familienteilzeit für Frauen und Männer, die auch durch die Bundesanstalt für Arbeit gefördert werden kann. Dabei soll Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mit Kindern bis zu einer bestimmten Einkommensgrenze ermöglicht werden, die Arbeitszeit um 20% zu reduzieren und einen Lohnzuschuss von 10% des ursprünglichen Einkommens zu erhalten.

Teilzeit darf nicht zur Falle werden. Das Recht auf Teilzeit muss daher – wie jetzt schon im Pflegezeitgesetz –befristet möglich sein und damit einen Rechtsanspruch auf Wiederaufstockung der Arbeitszeit enthalten.

Eine Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die ihren Namen verdient, erfordert auch ein stärkeres Umdenken in vielen Betrieben. Die Unternehmen müssen erkennen, dass sie qualifizierte Beschäftigte dann besser und längerfristiger an den Betrieb binden können, wenn sie auf die unterschiedlichen Bedürfnisse in verschiedenen Lebensphasen stärker eingehen. Es gibt bereits heute viele beispielhafte Regelungen in Tarifverträgen, die über die gesetzlichen Möglichkeiten hinausgehen. Dies betrifft etwa die Umwandlung von Vollzeit- in Teilzeitarbeit und umgekehrt, die familienfreundliche Flexibilisierung von Beginn und Ende der Arbeitszeit und ihre Anpassung an die Notwendigkeit der Kindererziehung, bis zum Schutz vor familienfeindlichen Arbeitszeiten, wenn Kinderbetreuung nicht gewährleistet ist. Das muss verknüpft werden mit verbindlichen gleichstellungsrechtlichen Regelungen für die Unternehmen, damit Frauen und Männer mit Familienpflichten in gleichem Maße an Qualifizierung, beruflichem Aufstieg und beruflicher Entwicklung teilhaben.


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