13.07.2015 14:17 Uhr in Wirtschaft & Finanzen von Oxfam Deutschland e.V.
Dank geballter Lobbyarbeit der Finanzbranche droht die neue EU-Finanzmarktrichtlinie ins Leere zu laufen
Kurzfassung: Dank geballter Lobbyarbeit der Finanzbranche droht die neue EU-Finanzmarktrichtlinie ins Leere zu laufenOxfam: Finanzindustrie höhlt Regeln gegen Nahrungsmittelspekulation ausIm Vorfeld der abschlieà ...
[Oxfam Deutschland e.V. - 13.07.2015] Dank geballter Lobbyarbeit der Finanzbranche droht die neue EU-Finanzmarktrichtlinie ins Leere zu laufen
Oxfam: Finanzindustrie höhlt Regeln gegen Nahrungsmittelspekulation aus
Im Vorfeld der abschließenden Beratung zur Umsetzung der EU-Finanzmarktrichtlinie wirft Oxfam der Finanzindustrie vor, die Regeln zur Eindämmung der Nahrungsmittelspekulation aushöhlen zu wollen. Die EU plant, dieser Spekulation mit der 2014 verabschiedeten Finanzmarktrichtlinie (Markets in Financial Instruments Directive, kurz MiFID II), einen Riegel vorzuschieben. Doch die Ausarbeitung der technischen Details hat sie der Europäischen Finanzmarktaufsichtsbehörde (ESMA) überlassen. Wie eine aktuelle Analyse von Oxfam belegt, tragen diese eindeutig die Handschrift von Banken, Börsen und den Verbänden der Finanzindustrie.
"Durch intensive Lobbyarbeit hat es die Finanzindustrie geschafft, zahlreiche Ausnahmen und Schlupflöcher hinzuzufügen. Das ursprüngliche Ziel des Gesetzgebers, Marktverzerrungen und Preisschwankungen zu verhindern, hat sie damit untergraben", sagt David Hachfeld, Experte für Wirtschaft und Globalisierung bei Oxfam Deutschland. "Es ist zu befürchten, dass der Profithunger mächtiger Finanzakteure auch weiterhin zu Preisexplosionen bei Agrarrohstoffen führen kann. Darunter leiden die Ärmsten der Armen, für die Grundnahrungsmittel wie Mais oder Weizen dann unerschwinglich werden können."
Kernpunkt der Richtlinie sind sogenannte Positionslimits. Diese sollen verhindern, dass einzelne Spekulanten eine marktverzerrende Position erlangen. Der aktuelle Entwurf der technischen Standards kann dies jedoch nicht garantieren. Hier zwei Beispiele:
1. Hedgefonds oder Investmentfonds dürfen bis zu 40 Prozent eines Rohstoffmarktes kontrollieren, so dass ein einzelner Spekulant zum Beispiel Weizenderivate halten könnte, die 40 Prozent des lieferbaren Weizens entsprechen. Massive Marktverzerrungen und gravierende Preissprünge könnten die Folge sein.
2. Positionen sollen teilweise auf mehrere Tochtergesellschaften aufgeteilt werden können. Dies könnte im Extremfall dazu führen, dass einzelne Finanzkonzerne Rohstoffderivate halten, die den Umfang der verfügbaren Liefermenge sogar noch übersteigen und ihnen massive Macht auf die Preisgestaltung geben.
"Die technischen Standards lesen sich wie eine Wunschliste der Finanzindustrie. Das ist nicht verwunderlich, wenn man sich den Entstehungsprozess anschaut", kommentiert David Hachfeld. In den Beirat ihrer Abteilung für Rohstoffderivate berief die ESMA 21 Personen. Zehn von ihnen vertreten die Finanzindustrie, sieben den Energie- und Rohstoffsektor. Hinzu kommen zwei unabhängige Berater. Nur je einen Platz durften ein Agrarproduzentenverband sowie eine Nichtregierungsorganisation besetzen.
Zudem stammen nach Oxfam-Berechnungen von den 170 Eingaben der letzten ESMA-MiFID-Konsultationen 94 Prozent von Unternehmen und Unternehmensverbänden, der überwiegende Teil von der Finanzindustrie (69 Prozent). Von öffentlichen Aufsichtsbehörden und NGOs kommen hingegen jeweils nur vier Eingaben, von Bauernverbänden und Agrargenossenschaften nur zwei.
"Diese geballte Lobbykraft hat bei der ESMA offensichtlich Wirkung hinterlassen", sagt David Hachfeld. Das bestätigt indirekt sogar Verena Ross, Exekutivdirektorin der ESMA. In einer Rede vor Vertretern der Finanzindustrie im Juni 2015 versicherte sie den Anwesenden: "Ihre Eingaben haben signifikante Veränderungen bewirkt."
Hintergrund:
Am 15. und 16. Juli berät der zuständige Ausschuss für Wirtschaft und Währung im Europäischen Parlament zum letzten Mal über die Rohstoff-Regeln. Im September wird die ESMA ihren endültigen Bericht vorlegen. Eine Annahme gilt dann als wahrscheinlich.
Die Spekulation mit Agrarrohstoffen ist ein Milliardengeschäft. Allein die Allianz verwaltete 2014 in ihren Fonds 4,7 Milliarden Euro, mehr als jedes andere deutsche Finanzinstitut. Starke Preisschwankungen und unvorhersehbare Preissprünge bei Nahrungsmitteln gefährden jedoch das Leben und die Gesundheit von Menschen. Die Preisentwicklungen bei Nahrungsmitteln werden durch viele Faktoren beeinflusst. Doch gibt es zahlreiche Hinweise dafür, dass Rohstofffonds und andere spekulative Finanzprodukte zur Preis-Achterbahn der letzten Jahre beigetragen haben. Für in Armut lebende Menschen, die bis zu 80 Prozent ihres Einkommens für Essen aufwenden müssen, sind die Folgen katastrophal. Während zahlreiche deutsche Finanzinstitute inzwischen aus dem Geschäft mit Agrarrohstoffen ausgestiegen sind, halten die Deutsche Bank und die Allianz daran fest. Offiziell bestreiten sie einen Zusammenhang zwischen Spekulationen, hohen Lebensmittelpreisen und drohenden Hungersnöten. Interne Papiere der beiden Institute, die 2013 durch foodwatch an die Öffentlichkeit kamen, belegen jedoch, dass die hauseigenen Experten das anders sehen. In einem Deutsche-Bank-Papier von 2010 heißt es etwa: "Solche Spekulationen können für Landwirte und Verbraucher gravierende Folgen haben und sind im Prinzip nicht akzeptabel."
Das Oxfam-Hintergrundpapier "Schlupflöcher im Kleingedruckten" finden sie hier.
Pressekontakt
Sebastian Meyer
Arbeitsrechte, CSR, Handel, Oxfam EINS, Welternährung
030-45 30 69 711
smeyer@oxfam.de
Oxfam: Finanzindustrie höhlt Regeln gegen Nahrungsmittelspekulation aus
Im Vorfeld der abschließenden Beratung zur Umsetzung der EU-Finanzmarktrichtlinie wirft Oxfam der Finanzindustrie vor, die Regeln zur Eindämmung der Nahrungsmittelspekulation aushöhlen zu wollen. Die EU plant, dieser Spekulation mit der 2014 verabschiedeten Finanzmarktrichtlinie (Markets in Financial Instruments Directive, kurz MiFID II), einen Riegel vorzuschieben. Doch die Ausarbeitung der technischen Details hat sie der Europäischen Finanzmarktaufsichtsbehörde (ESMA) überlassen. Wie eine aktuelle Analyse von Oxfam belegt, tragen diese eindeutig die Handschrift von Banken, Börsen und den Verbänden der Finanzindustrie.
"Durch intensive Lobbyarbeit hat es die Finanzindustrie geschafft, zahlreiche Ausnahmen und Schlupflöcher hinzuzufügen. Das ursprüngliche Ziel des Gesetzgebers, Marktverzerrungen und Preisschwankungen zu verhindern, hat sie damit untergraben", sagt David Hachfeld, Experte für Wirtschaft und Globalisierung bei Oxfam Deutschland. "Es ist zu befürchten, dass der Profithunger mächtiger Finanzakteure auch weiterhin zu Preisexplosionen bei Agrarrohstoffen führen kann. Darunter leiden die Ärmsten der Armen, für die Grundnahrungsmittel wie Mais oder Weizen dann unerschwinglich werden können."
Kernpunkt der Richtlinie sind sogenannte Positionslimits. Diese sollen verhindern, dass einzelne Spekulanten eine marktverzerrende Position erlangen. Der aktuelle Entwurf der technischen Standards kann dies jedoch nicht garantieren. Hier zwei Beispiele:
1. Hedgefonds oder Investmentfonds dürfen bis zu 40 Prozent eines Rohstoffmarktes kontrollieren, so dass ein einzelner Spekulant zum Beispiel Weizenderivate halten könnte, die 40 Prozent des lieferbaren Weizens entsprechen. Massive Marktverzerrungen und gravierende Preissprünge könnten die Folge sein.
2. Positionen sollen teilweise auf mehrere Tochtergesellschaften aufgeteilt werden können. Dies könnte im Extremfall dazu führen, dass einzelne Finanzkonzerne Rohstoffderivate halten, die den Umfang der verfügbaren Liefermenge sogar noch übersteigen und ihnen massive Macht auf die Preisgestaltung geben.
"Die technischen Standards lesen sich wie eine Wunschliste der Finanzindustrie. Das ist nicht verwunderlich, wenn man sich den Entstehungsprozess anschaut", kommentiert David Hachfeld. In den Beirat ihrer Abteilung für Rohstoffderivate berief die ESMA 21 Personen. Zehn von ihnen vertreten die Finanzindustrie, sieben den Energie- und Rohstoffsektor. Hinzu kommen zwei unabhängige Berater. Nur je einen Platz durften ein Agrarproduzentenverband sowie eine Nichtregierungsorganisation besetzen.
Zudem stammen nach Oxfam-Berechnungen von den 170 Eingaben der letzten ESMA-MiFID-Konsultationen 94 Prozent von Unternehmen und Unternehmensverbänden, der überwiegende Teil von der Finanzindustrie (69 Prozent). Von öffentlichen Aufsichtsbehörden und NGOs kommen hingegen jeweils nur vier Eingaben, von Bauernverbänden und Agrargenossenschaften nur zwei.
"Diese geballte Lobbykraft hat bei der ESMA offensichtlich Wirkung hinterlassen", sagt David Hachfeld. Das bestätigt indirekt sogar Verena Ross, Exekutivdirektorin der ESMA. In einer Rede vor Vertretern der Finanzindustrie im Juni 2015 versicherte sie den Anwesenden: "Ihre Eingaben haben signifikante Veränderungen bewirkt."
Hintergrund:
Am 15. und 16. Juli berät der zuständige Ausschuss für Wirtschaft und Währung im Europäischen Parlament zum letzten Mal über die Rohstoff-Regeln. Im September wird die ESMA ihren endültigen Bericht vorlegen. Eine Annahme gilt dann als wahrscheinlich.
Die Spekulation mit Agrarrohstoffen ist ein Milliardengeschäft. Allein die Allianz verwaltete 2014 in ihren Fonds 4,7 Milliarden Euro, mehr als jedes andere deutsche Finanzinstitut. Starke Preisschwankungen und unvorhersehbare Preissprünge bei Nahrungsmitteln gefährden jedoch das Leben und die Gesundheit von Menschen. Die Preisentwicklungen bei Nahrungsmitteln werden durch viele Faktoren beeinflusst. Doch gibt es zahlreiche Hinweise dafür, dass Rohstofffonds und andere spekulative Finanzprodukte zur Preis-Achterbahn der letzten Jahre beigetragen haben. Für in Armut lebende Menschen, die bis zu 80 Prozent ihres Einkommens für Essen aufwenden müssen, sind die Folgen katastrophal. Während zahlreiche deutsche Finanzinstitute inzwischen aus dem Geschäft mit Agrarrohstoffen ausgestiegen sind, halten die Deutsche Bank und die Allianz daran fest. Offiziell bestreiten sie einen Zusammenhang zwischen Spekulationen, hohen Lebensmittelpreisen und drohenden Hungersnöten. Interne Papiere der beiden Institute, die 2013 durch foodwatch an die Öffentlichkeit kamen, belegen jedoch, dass die hauseigenen Experten das anders sehen. In einem Deutsche-Bank-Papier von 2010 heißt es etwa: "Solche Spekulationen können für Landwirte und Verbraucher gravierende Folgen haben und sind im Prinzip nicht akzeptabel."
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