14.08.2015 10:07 Uhr in Wirtschaft & Finanzen von Bertelsmann Stiftung
Wenig Hoffnung für notleidende Städte und Kreise
Kurzfassung: Wenig Hoffnung für notleidende Städte und KreiseStädte, Gemeinden und Kreise müssten eigentlich kollektiv aufatmen. Denn addiert man die Ergebnisse aller Kommunalhaushalte, schreiben die Kämmerer ...
[Bertelsmann Stiftung - 14.08.2015] Wenig Hoffnung für notleidende Städte und Kreise
Städte, Gemeinden und Kreise müssten eigentlich kollektiv aufatmen. Denn addiert man die Ergebnisse aller Kommunalhaushalte, schreiben die Kämmerer seit drei Jahren schwarze Zahlen. Das allerdings darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass rund ein Viertel der Kommunen immer tiefer in die Schuldenspirale gerät.
Zum dritten Mal in Folge erwirtschafteten die Städte, Gemeinden und Kreise im vergangenen Jahr einen Überschuss. 240 Millionen Euro betrug im vergangenen Jahr das bundesweite Plus in den Kommunalhaushalten. Doch der Kommunale Finanzreport der Bertelsmann Stiftung belegt: Von allgemeiner finanzieller Gesundung kann keine Rede sein. Denn die Kassenkredite steigen weiter und die Kluft zwischen Arm und Reich wächst.
Für die Jahre 2012 bis 2014 summiert sich das bundesweite Plus in den kommunalen Haushalten auf 4,6 Milliarden Euro. Die gute Nachricht: Drei von vier Kommunen sind überhaupt nicht auf Kassenkredite angewiesen. Die schlechte Nachricht: Beim übrigen Viertel sind zeitgleich trotz ambitionierter Sanierungsprogramme vieler Bundesländer die Kassenkredite von 47,4 auf 49 Milliarden Euro gestiegen. Diesen Krediten stehen keinerlei Werte oder Investitionen gegenüber. Sie sind - vergleichbar mit Dispo-Krediten - eine der letzten Möglichkeiten für notleidende Kommunen, kurzfristig ihre Zahlungsfähigkeit zu sichern.
Bestehende Haushaltskrisen verschärfen sich
Die Hälfte aller Kassenkredite verteilt sich auf lediglich 25 Städte. Keiner einzigen dieser Städte gelang es seit 2008 aus eigener Kraft, Kassenkredite abzubauen. Oberhausen, Pirmasens, Kaiserslautern, Hagen und Remscheid führen bereits seit Jahren die Liste der Städte mit den höchsten Kassenkrediten pro Einwohner an. Mit der Kredithöhe steigen die Zinsrisiken. So etwa für die Stadt Essen, die mit fast 2,2 Milliarden Euro allein vier Mal mehr Kassenkredite bedienen muss als alle Kommunen in Bayern, Baden-Württemberg und Sachsen zusammen.
Weil Kassenkredite kurze Laufzeiten haben, würden sich etwaige Zinsanstiege schnell in den Haushalten niederschlagen. Bereits heute zahlen die hessischen Kommunen vier Mal mehr Zinsen als jene in Sachsen. "Bestehende Haushaltskrisen verschärfen sich - trotz insgesamt guter Konjunktur und finanzpolitisch positiver Trends", sagte René Geißler, Finanzexperte der Bertelsmann Stiftung und Mitautor des Finanzreports.
Bayern zieht bundesweiten Saldo ins Plus
Die gegenläufige Entwicklung bestätigt ein Vergleich der Bundesländer. Während in sieben Ländern die Kommunen vergangenes Jahr ein Plus in ihren Etats verzeichneten, schlossen sie in den anderen sechs Flächenländern mit einem Minus ab. Den größten Überschuss verbuchten die bayerischen Kommunen mit 127 Euro je Einwohner. Der Gesamtüberschuss der bayerischen Kommunen ist sogar so hoch, dass er rechnerisch ganz allein die bundesweite Bilanz ins Plus zieht: Ohne Bayern läge der bundesweite Finanzierungssaldo 2014 bei minus 1,35 Milliarden Euro. Das größte Defizit pro Kopf vermelden die Kommunen im Saarland mit 319 Euro.
In der Folge sind etwa die Investitionen der Kommunen in Bayern und Baden-Württemberg 2,5-mal höher als die in Nordrhein-Westfalen und dem Saarland. "Für die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse ist diese Entwicklung bedrohlich. Die Unterschiede zwischen den Regionen werden fortgeschrieben", sagte Kirsten Witte, Kommunalexpertin der Bertelsmann Stiftung. Im Saarland, in Rheinland-Pfalz und in Nordrhein-Westfalen sind die Kassenkredite inzwischen höher als die Investitionskredite, die in Infrastruktur vor Ort fließen.
Kaum eine notleidende Kommune schafft es, entscheidende Faktoren für finanzielle Handlungsspielräume mittelfristig wesentlich zu verbessern. Um das zu belegen, analysierte die Bertelsmann Stiftung erstmals die zeitliche und regionale Entwicklung von Steuerkraft und Hartz-IV-Wohnkosten. Letztere sind direkt abhängig vom Ausmaß der Langzeitarbeitslosigkeit und gelten als klassische kommunale Sozialleistung. Ergebnis für beide Faktoren: Jeweils 85 Prozent der Kommunen, die sich 2008 im schlechtesten Viertel befanden, steckten auch 2013 noch dort fest.
Nahezu jede zehnte Kommune war sowohl 2008 als auch 2013 mit beiden Faktoren im schlechtesten Viertel. Sie gehören dauerhaft zu den Kommunen mit den zugleich höchsten Hartz-IV-Wohnkosten und geringsten Steuereinnahmen. "Wenn diese Kommunen nicht abgehängt werden sollen, müssen Bund, Länder und Kommunen gemeinsam einen Aufholprozess ermöglichen", sagte Witte. Spürbare Entlastung brächte eine Übernahme der Hartz-IV-Wohnkosten durch den Bund. Zudem müsse der Länderfinanzausgleich fehlende Wirtschaftskraft stärker ausgleichen.
Positiv bewertet der Kommunale Finanzreport die Sanierungsprogramme, die inzwischen neun der 13 Flächenbundesländer für ihre Kommunen aufgelegt haben. Gegen harte Auflagen fließen zusätzliche Mittel aus den - meist ebenso klammen - Länderhaushalten. "Für die Städte bedeutet das schmerzhafte Maßnahmen, aber angesichts guter Konjunktur und niedriger Zinsen ist das Zeitfenster für die Sanierung günstig", so Geißler.
Zusatzinformationen
Der Kommunale Finanzreport der Bertelsmann Stiftung erscheint alle zwei Jahre. Er analysiert die Finanzentwicklung aller 398 kreisfreien Städte und Landkreise in Deutschland und basiert auf den jeweils aktuellsten amtlichen Finanzstatistiken (Kassenstatistiken 2013 und 2014, Schuldenstatistik, Realsteuerstatistik, Statistik der Grundsicherung für Arbeitsuchende). Der Kommunale Finanzreport wird erarbeitet in Kooperation mit dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung e. V. und Experten aus der Praxis.
Weitere Daten und Fakten aus dem Kommunalen Finanzreport 2015 finden Sie hier auf der Seite des Projektes "Nachhaltige Finanzen".
Ansprechpartner
Dr. René Geißler
Project Manager
Telefon: +49(5241)81-81467
Städte, Gemeinden und Kreise müssten eigentlich kollektiv aufatmen. Denn addiert man die Ergebnisse aller Kommunalhaushalte, schreiben die Kämmerer seit drei Jahren schwarze Zahlen. Das allerdings darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass rund ein Viertel der Kommunen immer tiefer in die Schuldenspirale gerät.
Zum dritten Mal in Folge erwirtschafteten die Städte, Gemeinden und Kreise im vergangenen Jahr einen Überschuss. 240 Millionen Euro betrug im vergangenen Jahr das bundesweite Plus in den Kommunalhaushalten. Doch der Kommunale Finanzreport der Bertelsmann Stiftung belegt: Von allgemeiner finanzieller Gesundung kann keine Rede sein. Denn die Kassenkredite steigen weiter und die Kluft zwischen Arm und Reich wächst.
Für die Jahre 2012 bis 2014 summiert sich das bundesweite Plus in den kommunalen Haushalten auf 4,6 Milliarden Euro. Die gute Nachricht: Drei von vier Kommunen sind überhaupt nicht auf Kassenkredite angewiesen. Die schlechte Nachricht: Beim übrigen Viertel sind zeitgleich trotz ambitionierter Sanierungsprogramme vieler Bundesländer die Kassenkredite von 47,4 auf 49 Milliarden Euro gestiegen. Diesen Krediten stehen keinerlei Werte oder Investitionen gegenüber. Sie sind - vergleichbar mit Dispo-Krediten - eine der letzten Möglichkeiten für notleidende Kommunen, kurzfristig ihre Zahlungsfähigkeit zu sichern.
Bestehende Haushaltskrisen verschärfen sich
Die Hälfte aller Kassenkredite verteilt sich auf lediglich 25 Städte. Keiner einzigen dieser Städte gelang es seit 2008 aus eigener Kraft, Kassenkredite abzubauen. Oberhausen, Pirmasens, Kaiserslautern, Hagen und Remscheid führen bereits seit Jahren die Liste der Städte mit den höchsten Kassenkrediten pro Einwohner an. Mit der Kredithöhe steigen die Zinsrisiken. So etwa für die Stadt Essen, die mit fast 2,2 Milliarden Euro allein vier Mal mehr Kassenkredite bedienen muss als alle Kommunen in Bayern, Baden-Württemberg und Sachsen zusammen.
Weil Kassenkredite kurze Laufzeiten haben, würden sich etwaige Zinsanstiege schnell in den Haushalten niederschlagen. Bereits heute zahlen die hessischen Kommunen vier Mal mehr Zinsen als jene in Sachsen. "Bestehende Haushaltskrisen verschärfen sich - trotz insgesamt guter Konjunktur und finanzpolitisch positiver Trends", sagte René Geißler, Finanzexperte der Bertelsmann Stiftung und Mitautor des Finanzreports.
Bayern zieht bundesweiten Saldo ins Plus
Die gegenläufige Entwicklung bestätigt ein Vergleich der Bundesländer. Während in sieben Ländern die Kommunen vergangenes Jahr ein Plus in ihren Etats verzeichneten, schlossen sie in den anderen sechs Flächenländern mit einem Minus ab. Den größten Überschuss verbuchten die bayerischen Kommunen mit 127 Euro je Einwohner. Der Gesamtüberschuss der bayerischen Kommunen ist sogar so hoch, dass er rechnerisch ganz allein die bundesweite Bilanz ins Plus zieht: Ohne Bayern läge der bundesweite Finanzierungssaldo 2014 bei minus 1,35 Milliarden Euro. Das größte Defizit pro Kopf vermelden die Kommunen im Saarland mit 319 Euro.
In der Folge sind etwa die Investitionen der Kommunen in Bayern und Baden-Württemberg 2,5-mal höher als die in Nordrhein-Westfalen und dem Saarland. "Für die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse ist diese Entwicklung bedrohlich. Die Unterschiede zwischen den Regionen werden fortgeschrieben", sagte Kirsten Witte, Kommunalexpertin der Bertelsmann Stiftung. Im Saarland, in Rheinland-Pfalz und in Nordrhein-Westfalen sind die Kassenkredite inzwischen höher als die Investitionskredite, die in Infrastruktur vor Ort fließen.
Kaum eine notleidende Kommune schafft es, entscheidende Faktoren für finanzielle Handlungsspielräume mittelfristig wesentlich zu verbessern. Um das zu belegen, analysierte die Bertelsmann Stiftung erstmals die zeitliche und regionale Entwicklung von Steuerkraft und Hartz-IV-Wohnkosten. Letztere sind direkt abhängig vom Ausmaß der Langzeitarbeitslosigkeit und gelten als klassische kommunale Sozialleistung. Ergebnis für beide Faktoren: Jeweils 85 Prozent der Kommunen, die sich 2008 im schlechtesten Viertel befanden, steckten auch 2013 noch dort fest.
Nahezu jede zehnte Kommune war sowohl 2008 als auch 2013 mit beiden Faktoren im schlechtesten Viertel. Sie gehören dauerhaft zu den Kommunen mit den zugleich höchsten Hartz-IV-Wohnkosten und geringsten Steuereinnahmen. "Wenn diese Kommunen nicht abgehängt werden sollen, müssen Bund, Länder und Kommunen gemeinsam einen Aufholprozess ermöglichen", sagte Witte. Spürbare Entlastung brächte eine Übernahme der Hartz-IV-Wohnkosten durch den Bund. Zudem müsse der Länderfinanzausgleich fehlende Wirtschaftskraft stärker ausgleichen.
Positiv bewertet der Kommunale Finanzreport die Sanierungsprogramme, die inzwischen neun der 13 Flächenbundesländer für ihre Kommunen aufgelegt haben. Gegen harte Auflagen fließen zusätzliche Mittel aus den - meist ebenso klammen - Länderhaushalten. "Für die Städte bedeutet das schmerzhafte Maßnahmen, aber angesichts guter Konjunktur und niedriger Zinsen ist das Zeitfenster für die Sanierung günstig", so Geißler.
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Der Kommunale Finanzreport der Bertelsmann Stiftung erscheint alle zwei Jahre. Er analysiert die Finanzentwicklung aller 398 kreisfreien Städte und Landkreise in Deutschland und basiert auf den jeweils aktuellsten amtlichen Finanzstatistiken (Kassenstatistiken 2013 und 2014, Schuldenstatistik, Realsteuerstatistik, Statistik der Grundsicherung für Arbeitsuchende). Der Kommunale Finanzreport wird erarbeitet in Kooperation mit dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung e. V. und Experten aus der Praxis.
Weitere Daten und Fakten aus dem Kommunalen Finanzreport 2015 finden Sie hier auf der Seite des Projektes "Nachhaltige Finanzen".
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