22.09.2015 10:31 Uhr in Gesellschaft & Familie von Bundesverfassungsgericht
Grundsatz der Spiegelbildlichkeit von Parlament und Ausschüssen gilt nicht für Arbeitsgruppen des Vermittlungsausschusses
Kurzfassung: Grundsatz der Spiegelbildlichkeit von Parlament und Ausschüssen gilt nicht für Arbeitsgruppen des VermittlungsausschussesUrteil vom 22. September 2015 - 2 BvE 1/11Der Grundsatz der Spiegelbildlichke ...
[Bundesverfassungsgericht - 22.09.2015] Grundsatz der Spiegelbildlichkeit von Parlament und Ausschüssen gilt nicht für Arbeitsgruppen des Vermittlungsausschusses
Urteil vom 22. September 2015 - 2 BvE 1/11
Der Grundsatz der Spiegelbildlichkeit von Parlament und Ausschüssen gilt nicht für Arbeitsgruppen des Vermittlungsausschusses. Dies hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts heute in einem Organstreitverfahren zweier ehemaliger Bundestagsabgeordneter sowie der Fraktion "DIE LINKE" gegen den Vermittlungsausschuss, den Deutschen Bundestag und den Bundesrat entschieden. Der Antrag ist teilweise bereits unzulässig. Insbesondere ist die Einrichtung einer Arbeitsgruppe im Dezember 2010 ohne Beteiligung der Antragsteller nicht dem Bundestag oder dem Bundesrat zurechenbar, sondern nur dem Vermittlungsausschuss. Auch insoweit ist der Antrag jedoch unbegründet. Zur Vorbereitung eines politischen Kompromisses zwischen Bundestag und Bundesrat darf sich der Vermittlungsausschuss formeller und informeller Gremien bedienen, die nach anderen Kriterien als dem der Spiegelbildlichkeit zusammengesetzt sind.
Sachverhalt und Verfahrensgang:
Antragsteller sind zwei ehemalige Abgeordnete des Deutschen Bundestages, die zugleich Mitglieder des Vermittlungsausschusses waren, sowie die Fraktion "DIE LINKE" im Deutschen Bundestag. Gegenstand des Organstreitverfahrens ist der Ausschluss der Antragsteller von der Mitwirkung an einer Arbeitsgruppe und einer informellen Gesprächsrunde, die im Rahmen des Vermittlungsverfahrens über das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch eingerichtet wurden. Für weitere Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Pressemitteilung Nr. 12/2015 vom 4. März 2015 verwiesen.
Wesentliche Erwägungen des Senats:
1. Richter Müller ist im vorliegenden Verfahren nach 18 Abs. 1 Nr. 2 BVerfGG von der Ausübung seines Richteramtes ausgeschlossen. Er ist in derselben Sache bereits von Amts oder Berufs wegen tätig gewesen. Als Ministerpräsident des Saarlandes und Mitglied des Vermittlungsausschusses war er an dem streitgegenständlichen Vermittlungsverfahren und den angegriffenen Beschlüssen beteiligt. Seine Beteiligung kann nicht als bloße Mitwirkung im Gesetzgebungsverfahren im Sinne von 18 Abs. 3 Nr. 1 BVerfGG angesehen werden, die nicht zum Ausschluss von der Ausübung des Richteramtes führen würde. Diese Vorschrift findet keine Anwendung, wenn sich das verfassungsgerichtliche Verfahren nicht gegen das unter Beteiligung des Richters zustande gekommene Gesetz richtet, sondern - wie hier - gegen einen bestimmten Vorgang innerhalb des Gesetzgebungsverfahrens, an dem der Richter beteiligt war.
2. Die Anträge sind nur teilweise zulässig.
a) Richtiger Antragsgegner ist nur der Vermittlungsausschuss und dieser auch nur hinsichtlich des Antrages zu 1 über die Besetzung der Arbeitsgruppe.
Die Einrichtung der Arbeitsgruppe zum Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und ihre Besetzung unter Ausschluss von Abgeordneten der Fraktion "DIE LINKE" ist dem Vermittlungsausschuss zuzurechnen. Der Beschluss wurde auf einem Treffen der Mitglieder des Vermittlungsausschusses gefasst, zu dem der Vorsitzende des Vermittlungsausschusses eingeladen hatte. Gegenstand des Beschlusses war die Einrichtung einer Arbeitsgruppe des Vermittlungsausschusses. Dass der Beschluss nicht in einer förmlichen Sitzung des Ausschusses, sondern bei einem informellen Treffen seiner Mitglieder gefasst wurde, ändert an der Zurechnung ebenso wenig wie der Umstand, dass eine Person, die nicht Mitglied des Vermittlungsausschusses war, an dem Treffen teilnahm. Entscheidend ist vielmehr, dass insgesamt hinreichende Umstände gegeben sind, um dem Vermittlungsausschuss die Zusammenkunft und die Beschlussfassung zuzuordnen.
Unzulässig ist der Antrag zu 1 hingegen, soweit er sich gegen den Deutschen Bundestag und den Bundesrat richtet. Diesen kann die Einrichtung einer informellen Arbeitsgruppe des Vermittlungsausschusses nicht zugerechnet werden. Der Vermittlungsausschuss ist zwar ein gemeinsames Gremium von Deutschem Bundestag und Bundesrat. Die in den Vermittlungsausschuss entsandten Mitglieder sind aber nicht an Weisungen dieser Organe gebunden.
b) Der Antrag zu 2 ist unzulässig. Nach diesem sollen die Antragsgegner die Rechte der Antragsteller dadurch verletzt haben, dass sie es ablehnten, die Antragstellerin Dagmar Enkelmann zum Mitglied einer informellen Gesprächsrunde zu ernennen und ihr die Möglichkeit zur Mitwirkung in dieser Gesprächsrunde zu geben. Es handelt sich jedoch nicht um eine Maßnahme, die einem der Antragsgegner zuzurechnen wäre.
Auch nach dem Vorbringen der Antragsteller ist davon auszugehen, dass einerseits nicht sämtliche Mitglieder des Vermittlungsausschusses und andererseits auch Personen an den Gesprächen teilgenommen haben, die nicht Mitglied des Vermittlungsausschusses waren. Nach dem unbestrittenen Vortrag der Antragsgegner wurde die Aufnahme dieser Gespräche weder von dem Vermittlungsausschuss beschlossen noch von ihm initiiert. Auch die Durchführung der Gespräche hat der Vermittlungsausschuss nicht organisiert. Entsprechendes gilt für den Deutschen Bundestag und den Bundesrat. Es ist zudem weder dargelegt noch ersichtlich, wie die Antragsgegner auf den Teilnehmerkreis der Gespräche hätten Einfluss nehmen oder derartige Gespräche unterbinden können. Allein dadurch, dass an den Gesprächen Mitglieder des Vermittlungsausschusses teilgenommen haben und dass in der ersten Besprechung Räumlichkeiten des Bundesrats genutzt worden sein sollen, erreichen die Gespräche nicht einen Grad an formeller und organisatorischer Ähnlichkeit mit einem Verfahren eines Antragsgegners, der es rechtfertigen könnte, die Gespräche einem von ihnen zuzurechnen.
3. Der zulässige Teil des Antrags zu 1 ist unbegründet. Der Vermittlungsausschuss hat keine Rechte der Antragsteller aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 77 Abs. 2 GG verletzt, indem er es abgelehnt hat, die Abgeordnete Katja Kipping zum Mitglied der Arbeitsgruppe des Vermittlungsausschusses zu bestimmen und ihr die Möglichkeit zur Mitwirkung zu geben.
a) Nach Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG sind die Abgeordneten des Deutschen Bundestages Vertreter des ganzen Volkes. Dies setzt die gleiche Mitwirkungsbefugnis aller Abgeordneten voraus und umfasst das Recht auf gleiche Teilhabe am Prozess der parlamentarischen Willensbildung. Die Mitwirkungsbefugnis bezieht sich nicht nur auf die Beschlussfassung, sondern auch auf die Beratung. Öffentliches Verhandeln von Argument und Gegenargument ist ein wesentliches Element des demokratischen Parlamentarismus.
Die Mitwirkungsbefugnis aller Abgeordneten erstreckt sich grundsätzlich auch auf Ausschüsse des Deutschen Bundestages. Da diese einen wesentlichen Teil der parlamentarischen Arbeit leisten, muss grundsätzlich jeder Ausschuss ein verkleinertes Abbild des Plenums sein und in seiner Zusammensetzung die Zusammensetzung des Plenums widerspiegeln. Der Grundsatz der Spiegelbildlichkeit erfordert eine möglichst getreue Abbildung der Stärke der im Plenum vertretenen Fraktionen. Er gilt auch für Unterausschüsse, nicht aber für Gremien und Funktionen, die lediglich organisatorischer Art sind.
Der Grundsatz der Spiegelbildlichkeit gilt auch für die Wahl der Mitglieder des Bundestages im Vermittlungsausschuss. Dieser ist zwar als gemeinsamer Ausschuss zweier Verfassungsorgane nicht ohne weiteres mit einem Ausschuss des Bundestages vergleichbar. Seine Bedeutung im Gesetzgebungsverfahren steht aber der Aufgabenwahrnehmung durch Ausschüsse des Bundestages nicht nach.
b) Der Grundsatz der Spiegelbildlichkeit von Parlament und Ausschüssen gilt jedoch nicht für Arbeitsgruppen des Vermittlungsausschusses, unabhängig davon, ob diese durch einen förmlichen Beschluss des Ausschusses oder durch eine informelle Entscheidung eingerichtet werden.
aa) Grundsätzlich unterfällt die Ausgestaltung der Organisation und des Geschäftsgangs dieser Arbeitsgruppen der - nach Art. 77 Abs. 2 Satz 2 GG Bundestag und Bundesrat gemeinsam zustehenden - Geschäftsordnungsautonomie für das Verfahren des Vermittlungsausschusses. Die Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses enthält in 9 lediglich die Aussage, dass der Ausschuss Unterausschüsse einsetzen kann. Aufgrund des mit der Geschäftsordnungsautonomie verbundenen weiten Gestaltungsspielraums ist diese Regelung verfassungsgerichtlich nur darauf zu überprüfen, ob zwingende verfassungsrechtliche Vorgaben für die Besetzung und die Mitwirkungsbefugnisse in diesen Gremien eingehalten sind.
bb) Solche zwingenden Vorgaben sind aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 77 Abs. 2 GG nicht abzuleiten. Weder erstreckt sich die grundsätzlich gleiche Mitwirkungsbefugnis aller Abgeordneten des Deutschen Bundestages an der parlamentarischen Willensbildung auf Arbeitsgruppen des Vermittlungsausschusses, noch sind diese dergestalt in die Repräsentation des Volkes durch das Parlament einbezogen, dass eine möglichst getreue Abbildung der Stärke der im Plenum des Bundestages vertretenen Fraktionen in diesen Arbeitsgruppen erforderlich wäre.
Die Arbeitsgruppen des Vermittlungsausschusses sind zwar nicht rein organisatorischer Natur, sondern haben die Aufgabe, durch intensive Sacharbeit an der Findung eines mehrheitsfähigen Kompromisses zu einem Gesetzgebungsvorhaben mitzuwirken. Durch ihre Kompromissvorschläge kommt es auch zweifellos zu einer inhaltlichen Vorformung der Willensbildung im Vermittlungsausschuss. Dies entspricht aber der spezifischen Arbeitsweise im Vermittlungsausschuss, die weder mit dem deliberativen Verfahren im Deutschen Bundestag noch mit der Entscheidungsfindung im Bundesrat gleichzusetzen ist.
Zweck und Ziel des Vermittlungsverfahrens ist das Erzielen eines politischen Kompromisses zwischen den beiden Gesetzgebungskörperschaften. Es dient nicht der öffentlichen parlamentarischen Verhandlung und Beschlussfassung. Vielmehr eröffnet das Grundgesetz um der Effizienz der Gesetzgebung willen die Möglichkeit, die Beratung von Vorlagen einem Ausschuss zu übertragen, der nach seiner Zusammensetzung und seinem Verfahren in besonderem Maße geeignet ist, einen Kompromiss zu erarbeiten. Um die Aufgabe erfüllen zu können, ist diesem Ausschuss - innerhalb des Rahmens seiner Geschäftsordnung - ein weiter Spielraum autonomer Verfahrensgestaltung eingeräumt. Damit verbunden ist die Befugnis, sich formeller und informeller Gremien zur Vorbereitung der Beschlussfassung zu bedienen, die im Hinblick auf das jeweils anstehende Thema nach anderen Kriterien als demjenigen der Spiegelbildlichkeit zusammengesetzt sind.
Die Suche nach einem Konsens prägt auch faktisch den Verfahrensablauf. In der Praxis des Vermittlungsausschusses dient die Einsetzung von Arbeitsgruppen bei schwierigen und komplexen Materien vor allem der Einbeziehung externen Fachwissens, etwa durch die Beteiligung der Fachpolitiker der Fraktionen, von Fachbeamten der Ministerien oder sonstigen Sachverständigen. Die flexible Besetzung und der informale Charakter dieser Arbeitsgruppen führt zu einer Öffnung des Beratungsprozesses und zur Einbeziehung neuer Aspekte. Hierdurch wird die Wahrscheinlichkeit einer Einigung erhöht. Dem Vermittlungsausschuss steht es frei, die Ergebnisse der Arbeitsgruppen zu übernehmen, insgesamt abzulehnen oder abzuändern. Dabei können sämtliche Mitglieder eigene Vorschläge einbringen, auch diejenigen Mitglieder, die in den Arbeitsgruppen nicht vertreten waren. Dass Mitglieder kleinerer Fraktionen im Regelfall ihre Änderungsvorschläge nicht werden durchsetzen können, ist keine Besonderheit des Vermittlungsverfahrens, sondern gleichermaßen den parlamentarischen Beratungen und Beschlussfassungen im Deutschen Bundestag und in seinen Ausschüssen eigen.
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Urteil vom 22. September 2015 - 2 BvE 1/11
Der Grundsatz der Spiegelbildlichkeit von Parlament und Ausschüssen gilt nicht für Arbeitsgruppen des Vermittlungsausschusses. Dies hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts heute in einem Organstreitverfahren zweier ehemaliger Bundestagsabgeordneter sowie der Fraktion "DIE LINKE" gegen den Vermittlungsausschuss, den Deutschen Bundestag und den Bundesrat entschieden. Der Antrag ist teilweise bereits unzulässig. Insbesondere ist die Einrichtung einer Arbeitsgruppe im Dezember 2010 ohne Beteiligung der Antragsteller nicht dem Bundestag oder dem Bundesrat zurechenbar, sondern nur dem Vermittlungsausschuss. Auch insoweit ist der Antrag jedoch unbegründet. Zur Vorbereitung eines politischen Kompromisses zwischen Bundestag und Bundesrat darf sich der Vermittlungsausschuss formeller und informeller Gremien bedienen, die nach anderen Kriterien als dem der Spiegelbildlichkeit zusammengesetzt sind.
Sachverhalt und Verfahrensgang:
Antragsteller sind zwei ehemalige Abgeordnete des Deutschen Bundestages, die zugleich Mitglieder des Vermittlungsausschusses waren, sowie die Fraktion "DIE LINKE" im Deutschen Bundestag. Gegenstand des Organstreitverfahrens ist der Ausschluss der Antragsteller von der Mitwirkung an einer Arbeitsgruppe und einer informellen Gesprächsrunde, die im Rahmen des Vermittlungsverfahrens über das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch eingerichtet wurden. Für weitere Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Pressemitteilung Nr. 12/2015 vom 4. März 2015 verwiesen.
Wesentliche Erwägungen des Senats:
1. Richter Müller ist im vorliegenden Verfahren nach 18 Abs. 1 Nr. 2 BVerfGG von der Ausübung seines Richteramtes ausgeschlossen. Er ist in derselben Sache bereits von Amts oder Berufs wegen tätig gewesen. Als Ministerpräsident des Saarlandes und Mitglied des Vermittlungsausschusses war er an dem streitgegenständlichen Vermittlungsverfahren und den angegriffenen Beschlüssen beteiligt. Seine Beteiligung kann nicht als bloße Mitwirkung im Gesetzgebungsverfahren im Sinne von 18 Abs. 3 Nr. 1 BVerfGG angesehen werden, die nicht zum Ausschluss von der Ausübung des Richteramtes führen würde. Diese Vorschrift findet keine Anwendung, wenn sich das verfassungsgerichtliche Verfahren nicht gegen das unter Beteiligung des Richters zustande gekommene Gesetz richtet, sondern - wie hier - gegen einen bestimmten Vorgang innerhalb des Gesetzgebungsverfahrens, an dem der Richter beteiligt war.
2. Die Anträge sind nur teilweise zulässig.
a) Richtiger Antragsgegner ist nur der Vermittlungsausschuss und dieser auch nur hinsichtlich des Antrages zu 1 über die Besetzung der Arbeitsgruppe.
Die Einrichtung der Arbeitsgruppe zum Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und ihre Besetzung unter Ausschluss von Abgeordneten der Fraktion "DIE LINKE" ist dem Vermittlungsausschuss zuzurechnen. Der Beschluss wurde auf einem Treffen der Mitglieder des Vermittlungsausschusses gefasst, zu dem der Vorsitzende des Vermittlungsausschusses eingeladen hatte. Gegenstand des Beschlusses war die Einrichtung einer Arbeitsgruppe des Vermittlungsausschusses. Dass der Beschluss nicht in einer förmlichen Sitzung des Ausschusses, sondern bei einem informellen Treffen seiner Mitglieder gefasst wurde, ändert an der Zurechnung ebenso wenig wie der Umstand, dass eine Person, die nicht Mitglied des Vermittlungsausschusses war, an dem Treffen teilnahm. Entscheidend ist vielmehr, dass insgesamt hinreichende Umstände gegeben sind, um dem Vermittlungsausschuss die Zusammenkunft und die Beschlussfassung zuzuordnen.
Unzulässig ist der Antrag zu 1 hingegen, soweit er sich gegen den Deutschen Bundestag und den Bundesrat richtet. Diesen kann die Einrichtung einer informellen Arbeitsgruppe des Vermittlungsausschusses nicht zugerechnet werden. Der Vermittlungsausschuss ist zwar ein gemeinsames Gremium von Deutschem Bundestag und Bundesrat. Die in den Vermittlungsausschuss entsandten Mitglieder sind aber nicht an Weisungen dieser Organe gebunden.
b) Der Antrag zu 2 ist unzulässig. Nach diesem sollen die Antragsgegner die Rechte der Antragsteller dadurch verletzt haben, dass sie es ablehnten, die Antragstellerin Dagmar Enkelmann zum Mitglied einer informellen Gesprächsrunde zu ernennen und ihr die Möglichkeit zur Mitwirkung in dieser Gesprächsrunde zu geben. Es handelt sich jedoch nicht um eine Maßnahme, die einem der Antragsgegner zuzurechnen wäre.
Auch nach dem Vorbringen der Antragsteller ist davon auszugehen, dass einerseits nicht sämtliche Mitglieder des Vermittlungsausschusses und andererseits auch Personen an den Gesprächen teilgenommen haben, die nicht Mitglied des Vermittlungsausschusses waren. Nach dem unbestrittenen Vortrag der Antragsgegner wurde die Aufnahme dieser Gespräche weder von dem Vermittlungsausschuss beschlossen noch von ihm initiiert. Auch die Durchführung der Gespräche hat der Vermittlungsausschuss nicht organisiert. Entsprechendes gilt für den Deutschen Bundestag und den Bundesrat. Es ist zudem weder dargelegt noch ersichtlich, wie die Antragsgegner auf den Teilnehmerkreis der Gespräche hätten Einfluss nehmen oder derartige Gespräche unterbinden können. Allein dadurch, dass an den Gesprächen Mitglieder des Vermittlungsausschusses teilgenommen haben und dass in der ersten Besprechung Räumlichkeiten des Bundesrats genutzt worden sein sollen, erreichen die Gespräche nicht einen Grad an formeller und organisatorischer Ähnlichkeit mit einem Verfahren eines Antragsgegners, der es rechtfertigen könnte, die Gespräche einem von ihnen zuzurechnen.
3. Der zulässige Teil des Antrags zu 1 ist unbegründet. Der Vermittlungsausschuss hat keine Rechte der Antragsteller aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 77 Abs. 2 GG verletzt, indem er es abgelehnt hat, die Abgeordnete Katja Kipping zum Mitglied der Arbeitsgruppe des Vermittlungsausschusses zu bestimmen und ihr die Möglichkeit zur Mitwirkung zu geben.
a) Nach Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG sind die Abgeordneten des Deutschen Bundestages Vertreter des ganzen Volkes. Dies setzt die gleiche Mitwirkungsbefugnis aller Abgeordneten voraus und umfasst das Recht auf gleiche Teilhabe am Prozess der parlamentarischen Willensbildung. Die Mitwirkungsbefugnis bezieht sich nicht nur auf die Beschlussfassung, sondern auch auf die Beratung. Öffentliches Verhandeln von Argument und Gegenargument ist ein wesentliches Element des demokratischen Parlamentarismus.
Die Mitwirkungsbefugnis aller Abgeordneten erstreckt sich grundsätzlich auch auf Ausschüsse des Deutschen Bundestages. Da diese einen wesentlichen Teil der parlamentarischen Arbeit leisten, muss grundsätzlich jeder Ausschuss ein verkleinertes Abbild des Plenums sein und in seiner Zusammensetzung die Zusammensetzung des Plenums widerspiegeln. Der Grundsatz der Spiegelbildlichkeit erfordert eine möglichst getreue Abbildung der Stärke der im Plenum vertretenen Fraktionen. Er gilt auch für Unterausschüsse, nicht aber für Gremien und Funktionen, die lediglich organisatorischer Art sind.
Der Grundsatz der Spiegelbildlichkeit gilt auch für die Wahl der Mitglieder des Bundestages im Vermittlungsausschuss. Dieser ist zwar als gemeinsamer Ausschuss zweier Verfassungsorgane nicht ohne weiteres mit einem Ausschuss des Bundestages vergleichbar. Seine Bedeutung im Gesetzgebungsverfahren steht aber der Aufgabenwahrnehmung durch Ausschüsse des Bundestages nicht nach.
b) Der Grundsatz der Spiegelbildlichkeit von Parlament und Ausschüssen gilt jedoch nicht für Arbeitsgruppen des Vermittlungsausschusses, unabhängig davon, ob diese durch einen förmlichen Beschluss des Ausschusses oder durch eine informelle Entscheidung eingerichtet werden.
aa) Grundsätzlich unterfällt die Ausgestaltung der Organisation und des Geschäftsgangs dieser Arbeitsgruppen der - nach Art. 77 Abs. 2 Satz 2 GG Bundestag und Bundesrat gemeinsam zustehenden - Geschäftsordnungsautonomie für das Verfahren des Vermittlungsausschusses. Die Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses enthält in 9 lediglich die Aussage, dass der Ausschuss Unterausschüsse einsetzen kann. Aufgrund des mit der Geschäftsordnungsautonomie verbundenen weiten Gestaltungsspielraums ist diese Regelung verfassungsgerichtlich nur darauf zu überprüfen, ob zwingende verfassungsrechtliche Vorgaben für die Besetzung und die Mitwirkungsbefugnisse in diesen Gremien eingehalten sind.
bb) Solche zwingenden Vorgaben sind aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 77 Abs. 2 GG nicht abzuleiten. Weder erstreckt sich die grundsätzlich gleiche Mitwirkungsbefugnis aller Abgeordneten des Deutschen Bundestages an der parlamentarischen Willensbildung auf Arbeitsgruppen des Vermittlungsausschusses, noch sind diese dergestalt in die Repräsentation des Volkes durch das Parlament einbezogen, dass eine möglichst getreue Abbildung der Stärke der im Plenum des Bundestages vertretenen Fraktionen in diesen Arbeitsgruppen erforderlich wäre.
Die Arbeitsgruppen des Vermittlungsausschusses sind zwar nicht rein organisatorischer Natur, sondern haben die Aufgabe, durch intensive Sacharbeit an der Findung eines mehrheitsfähigen Kompromisses zu einem Gesetzgebungsvorhaben mitzuwirken. Durch ihre Kompromissvorschläge kommt es auch zweifellos zu einer inhaltlichen Vorformung der Willensbildung im Vermittlungsausschuss. Dies entspricht aber der spezifischen Arbeitsweise im Vermittlungsausschuss, die weder mit dem deliberativen Verfahren im Deutschen Bundestag noch mit der Entscheidungsfindung im Bundesrat gleichzusetzen ist.
Zweck und Ziel des Vermittlungsverfahrens ist das Erzielen eines politischen Kompromisses zwischen den beiden Gesetzgebungskörperschaften. Es dient nicht der öffentlichen parlamentarischen Verhandlung und Beschlussfassung. Vielmehr eröffnet das Grundgesetz um der Effizienz der Gesetzgebung willen die Möglichkeit, die Beratung von Vorlagen einem Ausschuss zu übertragen, der nach seiner Zusammensetzung und seinem Verfahren in besonderem Maße geeignet ist, einen Kompromiss zu erarbeiten. Um die Aufgabe erfüllen zu können, ist diesem Ausschuss - innerhalb des Rahmens seiner Geschäftsordnung - ein weiter Spielraum autonomer Verfahrensgestaltung eingeräumt. Damit verbunden ist die Befugnis, sich formeller und informeller Gremien zur Vorbereitung der Beschlussfassung zu bedienen, die im Hinblick auf das jeweils anstehende Thema nach anderen Kriterien als demjenigen der Spiegelbildlichkeit zusammengesetzt sind.
Die Suche nach einem Konsens prägt auch faktisch den Verfahrensablauf. In der Praxis des Vermittlungsausschusses dient die Einsetzung von Arbeitsgruppen bei schwierigen und komplexen Materien vor allem der Einbeziehung externen Fachwissens, etwa durch die Beteiligung der Fachpolitiker der Fraktionen, von Fachbeamten der Ministerien oder sonstigen Sachverständigen. Die flexible Besetzung und der informale Charakter dieser Arbeitsgruppen führt zu einer Öffnung des Beratungsprozesses und zur Einbeziehung neuer Aspekte. Hierdurch wird die Wahrscheinlichkeit einer Einigung erhöht. Dem Vermittlungsausschuss steht es frei, die Ergebnisse der Arbeitsgruppen zu übernehmen, insgesamt abzulehnen oder abzuändern. Dabei können sämtliche Mitglieder eigene Vorschläge einbringen, auch diejenigen Mitglieder, die in den Arbeitsgruppen nicht vertreten waren. Dass Mitglieder kleinerer Fraktionen im Regelfall ihre Änderungsvorschläge nicht werden durchsetzen können, ist keine Besonderheit des Vermittlungsverfahrens, sondern gleichermaßen den parlamentarischen Beratungen und Beschlussfassungen im Deutschen Bundestag und in seinen Ausschüssen eigen.
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