13.11.2015 14:52 Uhr in Gesellschaft & Familie von Bundesverfassungsgericht
Ablehnung von Beratungshilfe erfordert einzelfallbezogene Begründung
Kurzfassung: Ablehnung von Beratungshilfe erfordert einzelfallbezogene BegründungBeschluss vom 07. Oktober 2015Die nachträgliche Gewährung von Beratungshilfe für die Einlegung und Begründung eines Widerspruch ...
[Bundesverfassungsgericht - 13.11.2015] Ablehnung von Beratungshilfe erfordert einzelfallbezogene Begründung
Beschluss vom 07. Oktober 2015
Die nachträgliche Gewährung von Beratungshilfe für die Einlegung und Begründung eines Widerspruchs darf nicht mit dem pauschalen Hinweis darauf abgelehnt werden, dass die antragstellende Person den Widerspruch selbst hätte einlegen können. Dies hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts mit heute veröffentlichtem Beschluss bekräftigt. Da die Erfolgsaussichten eines Widerspruchs auch von dessen sorgfältiger Begründung abhängen, bedarf die Ablehnung der Beratungshilfe in solchen Fällen einer einzelfallbezogenen Begründung. Einer Verfassungsbeschwerde hat die Kammer stattgegeben und die Sache an das Amtsgericht zurückverwiesen.
Sachverhalt und Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer beantragte über seinen bevollmächtigten Rechtsanwalt beim Amtsgericht die nachträgliche Gewährung von Beratungshilfe für einen Widerspruch gegen die Ablehnung seines Antrags auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation. Er wies darauf hin, dass der Bevollmächtigte den Widerspruch bereits eingelegt habe. Der Antrag wurde zunächst durch Verfügung der Rechtspflegerin und - auf die Erinnerung des Beschwerdeführers - durch richterlichen Beschluss abgelehnt. Die Inanspruchnahme der Beratungshilfe sei mutwillig; zudem sei es dem Beschwerdeführer ohne weiteres möglich und zumutbar gewesen, den Widerspruch selbst beim Rentenversicherungsträger einzulegen.
Wesentliche Erwägungen der Kammer:
Die angegriffenen Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer in seinem Anspruch auf Rechtswahrnehmungsgleichheit.
1. Das Grundgesetz verbürgt in Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 und Abs. 3 GG die Rechtswahrnehmungsgleichheit von Bemittelten und Unbemittelten auch im außergerichtlichen Bereich. Dabei brauchen Unbemittelte nur solchen Bemittelten gleichgestellt zu werden, die bei ihrer Entscheidung für die Inanspruchnahme von Rechtsrat auch die hierdurch entstehenden Kosten berücksichtigen und vernünftig abwägen. Kostenbewusste Rechtsuchende werden dabei insbesondere prüfen, inwieweit sie fremde Hilfe zur effektiven Ausübung ihrer Verfahrensrechte brauchen oder selbst dazu in der Lage sind. Ob diese zur Beratung notwendig ist oder Rechtsuchende zumutbar auf Selbsthilfe verwiesen werden können, hat das Fachgericht unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls abzuwägen.
2. Das Amtsgericht hat ohne die verfassungsrechtlich gebotene Einzelfallprüfung den Beratungshilfeantrag des Beschwerdeführers abgelehnt und sein Beratungshilfebegehren sogar für mutwillig erachtet. Es verweist den Beschwerdeführer für die Einlegung des Widerspruchs auf die Selbsthilfe, ohne konkret zu prüfen, ob ein bemittelter Rechtsuchender die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe für das Widerspruchsverfahren in Betracht ziehen würde. Der richterliche Beschluss lässt zudem den Vortrag des Beschwerdeführers in seiner Erinnerung außer Acht, dass er die anwaltliche Hilfe auch für die Begründung des Widerspruchs beantrage. Das Amtsgericht verkennt, dass regelmäßig nicht bereits die bloße Erhebung des Widerspruchs zur begehrten Änderung der angefochtenen Entscheidung führt, sondern erst dessen sorgfältige Begründung. Den Entscheidungen ist keine Begründung dazu zu entnehmen, warum die beantragte Beratung für die Durchführung des Widerspruchsverfahrens entbehrlich gewesen sein soll und der Beschwerdeführer deshalb zumutbar auf Selbsthilfe verwiesen werden konnte.
Erst recht trägt der pauschale Hinweis auf ein angebliches Bestreben des Beschwerdeführers, für jegliche Lebenslagen eine anwaltliche Vertretung zu erlangen, die Annahme einer Mutwilligkeit des Antrags auf Beratungshilfe für das konkrete Widerspruchsverfahren wegen der Ablehnung einer Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation nicht.
Kontakt:
Bundesverfassungsgericht
Schloßbezirk 3
76131 Karlsruhe
Deutschland
Telefon: 0721/91010
Telefax: 0721/9101-382
Mail: bverfg@bundesverfassungsgericht.de
URL: http://www.bundesverfassungsgericht.de
Beschluss vom 07. Oktober 2015
Die nachträgliche Gewährung von Beratungshilfe für die Einlegung und Begründung eines Widerspruchs darf nicht mit dem pauschalen Hinweis darauf abgelehnt werden, dass die antragstellende Person den Widerspruch selbst hätte einlegen können. Dies hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts mit heute veröffentlichtem Beschluss bekräftigt. Da die Erfolgsaussichten eines Widerspruchs auch von dessen sorgfältiger Begründung abhängen, bedarf die Ablehnung der Beratungshilfe in solchen Fällen einer einzelfallbezogenen Begründung. Einer Verfassungsbeschwerde hat die Kammer stattgegeben und die Sache an das Amtsgericht zurückverwiesen.
Sachverhalt und Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer beantragte über seinen bevollmächtigten Rechtsanwalt beim Amtsgericht die nachträgliche Gewährung von Beratungshilfe für einen Widerspruch gegen die Ablehnung seines Antrags auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation. Er wies darauf hin, dass der Bevollmächtigte den Widerspruch bereits eingelegt habe. Der Antrag wurde zunächst durch Verfügung der Rechtspflegerin und - auf die Erinnerung des Beschwerdeführers - durch richterlichen Beschluss abgelehnt. Die Inanspruchnahme der Beratungshilfe sei mutwillig; zudem sei es dem Beschwerdeführer ohne weiteres möglich und zumutbar gewesen, den Widerspruch selbst beim Rentenversicherungsträger einzulegen.
Wesentliche Erwägungen der Kammer:
Die angegriffenen Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer in seinem Anspruch auf Rechtswahrnehmungsgleichheit.
1. Das Grundgesetz verbürgt in Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 und Abs. 3 GG die Rechtswahrnehmungsgleichheit von Bemittelten und Unbemittelten auch im außergerichtlichen Bereich. Dabei brauchen Unbemittelte nur solchen Bemittelten gleichgestellt zu werden, die bei ihrer Entscheidung für die Inanspruchnahme von Rechtsrat auch die hierdurch entstehenden Kosten berücksichtigen und vernünftig abwägen. Kostenbewusste Rechtsuchende werden dabei insbesondere prüfen, inwieweit sie fremde Hilfe zur effektiven Ausübung ihrer Verfahrensrechte brauchen oder selbst dazu in der Lage sind. Ob diese zur Beratung notwendig ist oder Rechtsuchende zumutbar auf Selbsthilfe verwiesen werden können, hat das Fachgericht unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls abzuwägen.
2. Das Amtsgericht hat ohne die verfassungsrechtlich gebotene Einzelfallprüfung den Beratungshilfeantrag des Beschwerdeführers abgelehnt und sein Beratungshilfebegehren sogar für mutwillig erachtet. Es verweist den Beschwerdeführer für die Einlegung des Widerspruchs auf die Selbsthilfe, ohne konkret zu prüfen, ob ein bemittelter Rechtsuchender die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe für das Widerspruchsverfahren in Betracht ziehen würde. Der richterliche Beschluss lässt zudem den Vortrag des Beschwerdeführers in seiner Erinnerung außer Acht, dass er die anwaltliche Hilfe auch für die Begründung des Widerspruchs beantrage. Das Amtsgericht verkennt, dass regelmäßig nicht bereits die bloße Erhebung des Widerspruchs zur begehrten Änderung der angefochtenen Entscheidung führt, sondern erst dessen sorgfältige Begründung. Den Entscheidungen ist keine Begründung dazu zu entnehmen, warum die beantragte Beratung für die Durchführung des Widerspruchsverfahrens entbehrlich gewesen sein soll und der Beschwerdeführer deshalb zumutbar auf Selbsthilfe verwiesen werden konnte.
Erst recht trägt der pauschale Hinweis auf ein angebliches Bestreben des Beschwerdeführers, für jegliche Lebenslagen eine anwaltliche Vertretung zu erlangen, die Annahme einer Mutwilligkeit des Antrags auf Beratungshilfe für das konkrete Widerspruchsverfahren wegen der Ablehnung einer Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation nicht.
Kontakt:
Bundesverfassungsgericht
Schloßbezirk 3
76131 Karlsruhe
Deutschland
Telefon: 0721/91010
Telefax: 0721/9101-382
Mail: bverfg@bundesverfassungsgericht.de
URL: http://www.bundesverfassungsgericht.de
Weitere Informationen
Bundesverfassungsgericht,
, 76131 Karlsruhe, Deutschland
Tel.: 0721/91010; http://www.bundesverfassungsgericht.de
, 76131 Karlsruhe, Deutschland
Tel.: 0721/91010; http://www.bundesverfassungsgericht.de
Weitere Meldungen dieses Unternehmens
Pressefach abonnieren
via RSS-Feed abonnieren
via E-Mail abonnieren
Pressekontakt
Bundesverfassungsgericht
76131 Karlsruhe
Deutschland
Drucken
Weiterempfehlen
PDF
Schlagworte
Bundesverfassungsgericht
76131 Karlsruhe
Deutschland
https://www.prmaximus.de/pressefach/bundesverfassungsgericht-pressefach.html
Die Pressemeldung "Ablehnung von Beratungshilfe erfordert einzelfallbezogene Begründung" unterliegt dem Urheberrecht.
Jegliche Verwendung dieses Textes, auch auszugsweise, erfordert die vorherige schriftliche Erlaubnis des Autors.
Autor der Pressemeldung "Ablehnung von Beratungshilfe erfordert einzelfallbezogene Begründung" ist Bundesverfassungsgericht, vertreten durch .