BSG erschwert Praxisverkauf

BSG erschwert Praxisverkauf
Kurzfassung: Das Bundessozialgericht (BSG) hat dem bisherigen Prozedere bei Praxisübergaben durch das sogenannte Verzichtsmodell zugunsten einer Anstellung einen Dämpfer verpasst. Es wird komplizierter, aber nicht unmöglich, sofern Ärzte sich professionell beraten lassen.
[BfM - Beratung für Mediziner - 31.05.2016] Das Versorgungsstärkungsgesetz aus dem vergangenen Jahr und die Medienberichte über die kolportierte Überversorgung in Großstädten wie Berlin verunsichern immer noch die Ärzteschaft. Niedergelassene Ärzte haben in gesperrten Planungsgebieten dennoch grundsätzlich drei Möglichkeiten ihre Praxis zu verkaufen:

1. Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens und die sich daran anschließende Ausschreibung der Zulassung

2. Verzicht auf die Zulassung zugunsten einer Anstellung in einem medizinischen Versorgungszentrums (MVZ)

3. Verzicht auf die Zulassung zugunsten einer Anstellung bei einem Vertragsarzt

Durch das Versorgungsstärkungsgesetz ist gerade bei Punkt 1) in überversorgten Gebieten einiges in Bewegung geraten. Der Zulassungsausschuss kann die Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens ablehnen, wenn der Sitz aus Versorgungsgründen aus Sicht der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) nicht notwendig ist oder wenn der Versorgungsgrad in der jeweiligen Fachgruppe im Planungsbereich bei 140 Prozent oder darüber liegt. In einem solchen Fall sieht das Gesetz vor, dass die Kassenärztlichen Vereinigungen den Sitz einziehen und dem bisherigen Praxisinhaber eine Entschädigung in der Höhe des Verkehrswertes zahlen.

Auf Seiten der KV zeichnet sich hinsichtlich dieser Problematik die Tendenz ab, dass die Gebiete Berlins mit geringerem Versorgungsgrad gestärkt werden sollen, also eine Sitzverlegung von einem überversorgten Gebiet hin zu einem schlechter versorgten Gebiet eindeutig präferiert wird und es also nicht zum tatsächlichen Sitzeinzug kommt. Wenn einer der potenziellen Praxisnachfolger bereit ist, den Standort in ein geringer versorgtes Gebiet zu verlegen, dann hat ohnehin die Ausschreibung stattzufinden. Denn damit wird der Wunsch der KV, Abbau in überversorgten Gebieten und Stärkung der Versorgung in Gebieten mit niedrigeren Versorgungsgraden, entsprechend Realität.

Gefahr des Einzuges

Die theoretische Gefahr des Einzugs einer Vertragsarztzulassung ist nur beseitigt, wenn der Praxisnachfolger ein naher Angehöriger oder Mitgesellschafter in einer Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) ist. Ebenso ist der Einzug nicht möglich, wenn der Nachfolger Angestellter der Abgeberpraxis (Job-Sharing) ist. Wobei hierbei das Angestelltenverhältnis bzw. der gemeinschaftliche Praxisbetrieb mindestens drei Jahre bestanden haben muss.

Verzicht statt Einzug

Aufgrund der oben beschriebenen Tatsachen ist innerhalb Berlins die Tendenz zu erkennen, dass viele Ärzte auf ihre Zulassung verzichten und sich stattdessen in einem MVZ oder bei einem niedergelassenen Arzt anstellen lassen, also oben beschriebene Variante 2) und 3) wählen. Dieses Verzichtsmodell hat den Vorteil, dass seitens der KV auch keine Möglichkeit besteht, den Sitz einzuziehen. Bei dem Verzichtsmodell scheidet der Arzt (Zulassungsabgeber) in aller Regel nach sechs Monaten aus dem Angestelltenverhältnis. Der Arbeitgeber, also das MVZ oder der niedergelassene Arzt, hat dann die Möglichkeit die frei werdende Arztstelle neu zu besetzen. Diese Vorgehensweise fand bisher uneingeschränkt die Akzeptanz des Zulassungsausschusses bei der KV in Berlin. Doch das gehört nun leider der Vergangenheit an.

Bundessozialgericht erteilt Absage

Denn durch ein aktuelles Urteil des Bundessozialgerichts vom 4. Mai 2016 (Az. B 6 KA 21/15 R) ist erwähnter Weg nun versperrt. Nach dem BSG kann eine Nachbesetzung der Arztstelle im MVZ (beziehungsweise in einer Vertragsarztpraxis) nur dann erfolgen, wenn der Vertragsarzt tatsächlich als angestellter Arzt im MVZ tätig geworden ist. Das BSG will damit verhindern, dass ein Vertragsarzt im Zuge des Verzichtsmodells seiner Tätigkeit in einem MVZ nicht tatsächlich und nachhaltig nachgeht. Durch das Urteil muss der Vertragsarzt, der auf die Zulassung verzichtet und in die Anstellung geht, nun eine Tätigkeitsdauer im MVZ von mindestens drei Jahren haben. In Abständen von einem Jahr kann zwar der Tätigkeitsumfang um Viertelstellen reduziert werden, aber lediglich sechs Monate Tätigkeit wie bisher, wird künftig nicht mehr möglich sein. Es besteht Bestandsschutz. Alle vor dem 4. Mai erteilten Anstellungsgenehmigungen bleiben von der neuen Rechtsprechung unberührt.

Der im aktuellen Urteil genannte Zeithorizont von drei Jahren zeigt die Orientierung an der Regelung des § 103 Abs. 3a SGB V, welcher besagt, dass ein Nachbesetzungsverfahren auch in einem überversorgten Gebiet, also mit einem Versorgungsgrad von 140 Prozent aufwärts, durchzuführen ist und zwar wenn ein Angestelltenverhältnis oder der gemeinschaftliche Praxisbetrieb mindestens drei Jahre andauerte.

Längerfristige Planung essenziell für Erfolg

"Die Rechtsprechung und die gesetzlichen Vorgaben haben den Spielraum für Praxisübernahmen in den vergangenen Jahren immer weiter eingeschränkt. Das aktuelle Urteil des Bundessozialgerichts setzt diesen Trend fort, ist aber kein Grund zur Beunruhigung", erläutert Elke Wendland, Beraterin und Expertin auf der Gebiet der Praxisübernahmen bei der Berliner Beratung für Mediziner (BfM). Es zeigt sich erneut, was ohnehin schon der Ratschlag seitens BfM an alle Mandanten ist: "Praxisübergaben müssen längerfristig geplant werden. Ein Zeitraum von zwei Jahren sollten allein wegen der KV-Bearbeitungszeiten mindestens eingeplant werden. Wer als Praxisabgeber auf die Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens verzichten möchte, muss nun sogar wie oben beschrieben noch mehr Zeit einkalkulieren und sollte ein solches Vorhaben nicht ohne professionelle Unterstützung angehen", rät René Deutschmann, Inhaber von BfM, an alle Praxisabgeber und -erwerber.

Umsetzung durch Zulassungsausschuss bleibt abzuwarten

Unklar ist noch wie der Zulassungsausschuss die BSG-Entscheidung konkret umsetzen wird. Aber es verbleibt zumindest ein kleines Schlupfloch. Denn der Vertragsarzt, der Verzicht auf seine Zulassung zugunsten einer Anstellung übt, muss (lediglich) die Absicht äußern, drei Jahre im MVZ (beziehungsweise der Vertragsarztpraxis) tätig zu sein. Nicht prognostizierbare Erkrankungen oder auch arbeitsrechtliche Differenzen, die nicht beseitigt werden können, werden zur Beendigung des Angestelltenverhältnisses führen und somit den Weg frei machen für die Nachbesetzung.

Worauf bei Arbeitsverträgen und Zahlung des Kaufpreises zu achten ist

Durch die neue Regelung werden Arbeitsverträge, welche eine Laufzeit von weniger als drei Jahren haben, künftig nicht mehr durch den Zulassungsausschuss genehmigt werden. Für den Praxiserwerber, der den Weg über das Verzichtsmodell gehen muss, wird es wichtig sein, dass der Arbeitsvertrag eine ordentliche, fristgerechte Kündigung des Angestelltenverhältnisses innerhalb der ersten drei Jahre ausschließt. Denn nur so hat der Praxiserwerber die Sicherheit, dass der angestellte Arzt nicht ohne besondere Umstände vor Ablauf der drei Jahre kündigt und somit den Praxisverkauf gefährdet.

Eine weitere Schwierigkeit ergibt sich hinsichtlich des Zeitpunkts der Entrichtung des Kaufpreises. Denn zum Zeitpunkt der Genehmigung der Anstellung, also nun aktuell drei Jahre vor Zulassungsübertragung, wird nicht feststehen, ob die Arztstelle nach dem Ausscheiden des Praxisabgebers aus dem Angestelltenverhältnis auch tatsächlich nachbesetzt werden kann. Der Praxisabgeber wird nur schwerlich damit einverstanden sein, dass Risiko der Nachbesetzung mitzutragen und erst nach drei Jahren seinen Kaufpreis zu bekommen. Wahrscheinlicher ist es daher, dass der Abgeber bei Genehmigung der Anstellung die Kaufpreiszahlung einfordert.

Für Ärzte und MVZ gelten also nun beim "Zulassungsverzichtsmodell" neue Regeln, welche einen erhöhten Beratungsbedarf offenbaren. Es bedarf künftig einer sorgfältigen Abwägung und kompetenten Beratung bei solchen Vorhaben in Abhängigkeit der zu erwartenden Spruchpraxis der Zulassungsausschüsse.
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