25.11.2017 14:09 Uhr in Energie & Umwelt und in Wissenschaft & Forschung von Wildtierschutz Deutschland e.V.
Wölfe in Deutschland - Sehr geehrter Herr Minister Backhaus
Offener Brief an Till Backhaus wegen WolfshetzeKurzfassung: Till Backhaus ist Minister für Landwirtschaft und Umwelt in Mecklenburg-Vorpommern. Im Vorfelder der Konferenz der Umweltminister in Potsdam äußerte er sich der Presse gegenüber auch zum Wolf. Ulrich Wotschikowsky, Förster und Wolfsexperte, hat ihm aufs Maul geschaut und entlarvt den Minister als Hetzer. Hier der offene Brief von Ulrich Wotschikowsky
"Herr Minister, warum beschwören Sie Gefahren herauf, die sich statistisch gar nicht greifen lassen? " Bild: Michael Hamann
[Wildtierschutz Deutschland e.V. - 25.11.2017] Sehr geehrter Herr Minister Backhaus,
im Vorfeld der Konferenz der Umweltminister der Länder am 16./17.11. in Potsdam haben Sie in verschiedenen Interviews Stellung zum Thema Wölfe bezogen. Sie reden klaren Text, einige Ihrer Amtskollegen übernehmen Ihre Position, Verbandsvertreter benutzen Ihre Argumente. So bündeln sich, so bündeln Sie eine Position zur Entwicklung der Wölfe in Deutschland. An dieser Position gibt es einiges zu hinterfragen.
Die Rückkehr des Wolfes, sagen Sie, sei "ein Erfolg für den Artenschutz und auch für die Landwirtschaft." Für die Landwirtschaft? Herr Minister - wollen Sie mir das bitte erklären? So schön das wäre - ich fürchte, mit dieser Ansicht stehen Sie ganz alleine da.
"Niemand," sagen Sie, "sucht die Konfrontation mit den Natur- und Tierschützern." Doch. Sie tun genau das, indem Sie Sachverhalte verdrehen und mit unhaltbaren Zahlen argumentieren.
Sie meinen, "wir müssen gegen auffällige Wölfe vorgehen." Wovon reden Sie?
Wir blicken jetzt zurück auf etwa 250 Rudeljahre, und wie viele auffällige Wölfe hat es in diesem Zeitraum gegeben? Genau einen, nämlich MT6 in Niedersachsen. Der wurde erschossen. In jedem Wolfsmanagementplan, auch in dem Ihres Landes Mecklenburg-Vorpommern, für das Sie zuständig sind, ist festgeschrieben, dass verhaltensauffällige Wölfe entnommen (sprich getötet) werden sollen. Die Kriterienliste, von Fachleuten erstellt und international akzeptiert, ist auf Seite 30 nachzulesen. Wie eine Entnahme zu handhaben ist - das ist Ländersache. Warum also regeln Sie das nicht endlich selbst?
Im Übrigen ist ein verhaltensauffälliger Wolf so selten wie ein Weißer Hirsch. Warum beschwören Sie Gefahren herauf, die sich statistisch gar nicht greifen lassen?
Sie behaupten, wir hätten allein in Deutschland über eintausend Wölfe. Würden Sie mir bitte erklären, wie Sie zu dieser Zahl kommen? Wenn Sie die Monitoringergebnisse der Länder ernst nehmen, hatten wir im April 2017 63 Rudel. Mit einer plausiblen Schätzung, wie viele Wölfe das insgesamt sein könnten, kommt man dann auf höchstens 570 Tiere. Das ist eher hoch gegriffen. Wenn sich diese 63 Rudel inzwischen auf etwa 80 vermehrt haben sollten (eine Zunahme von etwa 30 % pro Jahr unterstellt, wie wir sie seit Jahren beobachten), wären das 720 Wölfe. Aber noch lange nicht "über eintausend."
Weiter beziehen Sie sich auf eine Empfehlung der IUCN, eintausend Wölfe als Mindestzahl für eine Population in günstigem Erhaltungszustand anzustreben. Das ist falsch. Denn die IUCN spricht von eintausend erwachsenen Tieren. Solche nehmen in einer Wolfspopulation nur etwa ein Drittel ein. Derzeit haben wir nicht über eintausend, sondern zwischen 190 (bei 63 Rudeln) und 240 (bei 80 Rudeln) erwachsene Wölfe in Deutschland. Und wenn wir die westpolnischen Wölfe hinzunehmen (was Sinn macht, weil sie zusammen mit unseren eine Population bilden), dann haben wir - vielleicht - vier- oder fünfhundert.
Wir sind, Herr Backhaus, noch weit, weit entfernt von einem günstigen Erhaltungszustand der zentraleuropäischen Population. Ich würde Ihnen allerdings sofort zustimmen, wenn Sie sagten, ein solcher Zustand könnte schon in wenigen Jahren erreicht sein. Was dann? Brauchen wir, wie Sie meinen, eine Obergrenze?
Bisher haben Sie diesem Ansinnen stets widersprochen. Was hat Sie dazu bewogen, nun die Seiten zu wechseln und ins gleiche Horn zu stoßen wie die Opposition in Ihrem Land? Und das bei gerademal drei (!) Wolfsrudeln in M-V? Und glauben Sie im Ernst, Herr Minister, dass sich eine Wolfspopulation - wenn sie diesen Namen verdienen soll - auf "Naturschutzgebiete, Nationalparke, Biosphärenreservate, stillgelegte Truppenübungsplätze" beschränken kann? Nein, denn natürlich wissen Sie, dass solche Gebiete in den meisten Fällen nicht einmal Platz bieten für ein einziges Rudel. Haben Sie denn keine fachlichen Berater?
Am meisten erstaunt mich Ihre Feststellung, dass "die Politik Lösungen anbieten" müsse, um Herden und Landwirte zu schützen. Das wissen wir schon lange. Wir wissen auch, wer zum Beispiel in Ihrem Land die höchste Verantwortung und Entscheidungsbefugnis hat: Der Umwelt- bzw. Landwirtschaftsminister.
Also, Herr Minister, sorgen Sie endlich dafür, dass der Herdenschutz funktioniert. Das wird doch bei drei Rudeln nicht so schwer sein. Und machen Sie Schluss mit Ihrer Jagd auf Problemwölfe. Damit lösen Sie keine Probleme.
Ihr
Ulrich Wotschikowsky
im Vorfeld der Konferenz der Umweltminister der Länder am 16./17.11. in Potsdam haben Sie in verschiedenen Interviews Stellung zum Thema Wölfe bezogen. Sie reden klaren Text, einige Ihrer Amtskollegen übernehmen Ihre Position, Verbandsvertreter benutzen Ihre Argumente. So bündeln sich, so bündeln Sie eine Position zur Entwicklung der Wölfe in Deutschland. An dieser Position gibt es einiges zu hinterfragen.
Die Rückkehr des Wolfes, sagen Sie, sei "ein Erfolg für den Artenschutz und auch für die Landwirtschaft." Für die Landwirtschaft? Herr Minister - wollen Sie mir das bitte erklären? So schön das wäre - ich fürchte, mit dieser Ansicht stehen Sie ganz alleine da.
"Niemand," sagen Sie, "sucht die Konfrontation mit den Natur- und Tierschützern." Doch. Sie tun genau das, indem Sie Sachverhalte verdrehen und mit unhaltbaren Zahlen argumentieren.
Sie meinen, "wir müssen gegen auffällige Wölfe vorgehen." Wovon reden Sie?
Wir blicken jetzt zurück auf etwa 250 Rudeljahre, und wie viele auffällige Wölfe hat es in diesem Zeitraum gegeben? Genau einen, nämlich MT6 in Niedersachsen. Der wurde erschossen. In jedem Wolfsmanagementplan, auch in dem Ihres Landes Mecklenburg-Vorpommern, für das Sie zuständig sind, ist festgeschrieben, dass verhaltensauffällige Wölfe entnommen (sprich getötet) werden sollen. Die Kriterienliste, von Fachleuten erstellt und international akzeptiert, ist auf Seite 30 nachzulesen. Wie eine Entnahme zu handhaben ist - das ist Ländersache. Warum also regeln Sie das nicht endlich selbst?
Im Übrigen ist ein verhaltensauffälliger Wolf so selten wie ein Weißer Hirsch. Warum beschwören Sie Gefahren herauf, die sich statistisch gar nicht greifen lassen?
Sie behaupten, wir hätten allein in Deutschland über eintausend Wölfe. Würden Sie mir bitte erklären, wie Sie zu dieser Zahl kommen? Wenn Sie die Monitoringergebnisse der Länder ernst nehmen, hatten wir im April 2017 63 Rudel. Mit einer plausiblen Schätzung, wie viele Wölfe das insgesamt sein könnten, kommt man dann auf höchstens 570 Tiere. Das ist eher hoch gegriffen. Wenn sich diese 63 Rudel inzwischen auf etwa 80 vermehrt haben sollten (eine Zunahme von etwa 30 % pro Jahr unterstellt, wie wir sie seit Jahren beobachten), wären das 720 Wölfe. Aber noch lange nicht "über eintausend."
Weiter beziehen Sie sich auf eine Empfehlung der IUCN, eintausend Wölfe als Mindestzahl für eine Population in günstigem Erhaltungszustand anzustreben. Das ist falsch. Denn die IUCN spricht von eintausend erwachsenen Tieren. Solche nehmen in einer Wolfspopulation nur etwa ein Drittel ein. Derzeit haben wir nicht über eintausend, sondern zwischen 190 (bei 63 Rudeln) und 240 (bei 80 Rudeln) erwachsene Wölfe in Deutschland. Und wenn wir die westpolnischen Wölfe hinzunehmen (was Sinn macht, weil sie zusammen mit unseren eine Population bilden), dann haben wir - vielleicht - vier- oder fünfhundert.
Wir sind, Herr Backhaus, noch weit, weit entfernt von einem günstigen Erhaltungszustand der zentraleuropäischen Population. Ich würde Ihnen allerdings sofort zustimmen, wenn Sie sagten, ein solcher Zustand könnte schon in wenigen Jahren erreicht sein. Was dann? Brauchen wir, wie Sie meinen, eine Obergrenze?
Bisher haben Sie diesem Ansinnen stets widersprochen. Was hat Sie dazu bewogen, nun die Seiten zu wechseln und ins gleiche Horn zu stoßen wie die Opposition in Ihrem Land? Und das bei gerademal drei (!) Wolfsrudeln in M-V? Und glauben Sie im Ernst, Herr Minister, dass sich eine Wolfspopulation - wenn sie diesen Namen verdienen soll - auf "Naturschutzgebiete, Nationalparke, Biosphärenreservate, stillgelegte Truppenübungsplätze" beschränken kann? Nein, denn natürlich wissen Sie, dass solche Gebiete in den meisten Fällen nicht einmal Platz bieten für ein einziges Rudel. Haben Sie denn keine fachlichen Berater?
Am meisten erstaunt mich Ihre Feststellung, dass "die Politik Lösungen anbieten" müsse, um Herden und Landwirte zu schützen. Das wissen wir schon lange. Wir wissen auch, wer zum Beispiel in Ihrem Land die höchste Verantwortung und Entscheidungsbefugnis hat: Der Umwelt- bzw. Landwirtschaftsminister.
Also, Herr Minister, sorgen Sie endlich dafür, dass der Herdenschutz funktioniert. Das wird doch bei drei Rudeln nicht so schwer sein. Und machen Sie Schluss mit Ihrer Jagd auf Problemwölfe. Damit lösen Sie keine Probleme.
Ihr
Ulrich Wotschikowsky
Weitere Informationen
Wildtierschutz Deutschland e.V., Herr Lovis Kauertz
Am Goldberg 5 5, 55435 Gau-Algesheim, Deutschland
Tel.: 01777230086; https://www.wildtierschutz-deutschland.de
Am Goldberg 5 5, 55435 Gau-Algesheim, Deutschland
Tel.: 01777230086; https://www.wildtierschutz-deutschland.de
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Autor der Pressemeldung "Wölfe in Deutschland - Sehr geehrter Herr Minister Backhaus" ist Wildtierschutz Deutschland e.V., vertreten durch Lovis Kauertz.