Fortdauer zeitlich unbeschränkter Sicherungsverwahrung gegen höchstgefährliche, psychisch gestörte Straftäter
- Pressemitteilung der Firma Bundesgerichtshof (BGH), 27.05.2011
Pressemitteilung vom: 27.05.2011 von der Firma Bundesgerichtshof (BGH) aus Karlsruhe
Kurzfassung: Durch Vorlagen von Oberlandesgerichten ist der Bundesgerichtshof mit der Frage befasst worden, ob erstmals in der Sicherungsverwahrung Untergebrachte aufgrund einer rückwirkend in Kraft getretenen Gesetzesverschärfung über die zuvor geltende ...
[Bundesgerichtshof (BGH) - 27.05.2011] Fortdauer zeitlich unbeschränkter Sicherungsverwahrung gegen höchstgefährliche, psychisch gestörte Straftäter
Durch Vorlagen von Oberlandesgerichten ist der Bundesgerichtshof mit der Frage befasst worden, ob erstmals in der Sicherungsverwahrung Untergebrachte aufgrund einer rückwirkend in Kraft getretenen Gesetzesverschärfung über die zuvor geltende strikte Höchstfrist der Unterbringungsdauer von zehn Jahren hinaus in der Sicherungsverwahrung belassen werden dürfen oder als Folge des Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 17. Dezember 2009 (NJW 2010, 2495) nach zehn Jahren ohne weitere Sachprüfung zu entlassen sind.
Der 5. (Leipziger) Strafsenat des Bundesgerichtshofs hatte eine Pflicht zur unbedingten Entlassung mit Beschluss vom 9. November 2010 verneint, dies allerdings nur unter der Voraussetzung einer hinreichend konkretisierten hochgradigen Gefahr schwerster Gewalt- oder Sexualverbrechen des Untergebrachten (dazu Presseerklärung Nr. 213/2010). Er hatte bei den anderen Strafsenaten des Bundesgerichtshofs angefragt, ob dieser Auffassung zugestimmt oder an entgegenstehender Rechtsprechung des 4. Strafsenats festgehalten werde. Die Anfrage war von den anderen Strafsenaten unterschiedlich beantwortet worden.
Nunmehr hat das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 4. Mai 2011 grundlegend über die Verfassungsmäßigkeit der Sicherungsverwahrung entschieden. Mit Gesetzeskraft hat es die rückwirkende Anordnung fortdauernder Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nur bei Erfüllung des im Beschluss des 5. Strafsenats entwickelten Gefährlichkeitsmaßstabs und unter der weiteren Voraussetzung einer psychischen Störung des Verurteilten – bis zu einer insgesamt gebotenen Neuregelung der Sicherungsverwahrung – für zulässig befunden.
Der 5. (Leipziger) Strafsenat hat die Vorlegungsfrage in Übereinstimmung mit diesen Vorgaben entschieden. Einer Befassung des Großen Sentas für Strafsachen des Bundesgerichtshofs bedurfte es nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht mehr.
Beschluss vom 23. Mai 2011 – 5 StR 394/10, 440/10 und 474/10
Oberlandesgericht Stuttgart – 1 Ws 57/10 – Beschluss vom 19. August 2010
Oberlandesgericht Celle – 2 Ws 270/10 – Beschluss vom 9. September 2010
Oberlandesgericht Koblenz – 1 Ws 108/10 – Beschluss vom 30. September 2010
Karlsruhe, den 27. Mai 2011
Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe
Telefon (0721) 159-5013
Telefax (0721) 159-5501
Durch Vorlagen von Oberlandesgerichten ist der Bundesgerichtshof mit der Frage befasst worden, ob erstmals in der Sicherungsverwahrung Untergebrachte aufgrund einer rückwirkend in Kraft getretenen Gesetzesverschärfung über die zuvor geltende strikte Höchstfrist der Unterbringungsdauer von zehn Jahren hinaus in der Sicherungsverwahrung belassen werden dürfen oder als Folge des Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 17. Dezember 2009 (NJW 2010, 2495) nach zehn Jahren ohne weitere Sachprüfung zu entlassen sind.
Der 5. (Leipziger) Strafsenat des Bundesgerichtshofs hatte eine Pflicht zur unbedingten Entlassung mit Beschluss vom 9. November 2010 verneint, dies allerdings nur unter der Voraussetzung einer hinreichend konkretisierten hochgradigen Gefahr schwerster Gewalt- oder Sexualverbrechen des Untergebrachten (dazu Presseerklärung Nr. 213/2010). Er hatte bei den anderen Strafsenaten des Bundesgerichtshofs angefragt, ob dieser Auffassung zugestimmt oder an entgegenstehender Rechtsprechung des 4. Strafsenats festgehalten werde. Die Anfrage war von den anderen Strafsenaten unterschiedlich beantwortet worden.
Nunmehr hat das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 4. Mai 2011 grundlegend über die Verfassungsmäßigkeit der Sicherungsverwahrung entschieden. Mit Gesetzeskraft hat es die rückwirkende Anordnung fortdauernder Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nur bei Erfüllung des im Beschluss des 5. Strafsenats entwickelten Gefährlichkeitsmaßstabs und unter der weiteren Voraussetzung einer psychischen Störung des Verurteilten – bis zu einer insgesamt gebotenen Neuregelung der Sicherungsverwahrung – für zulässig befunden.
Der 5. (Leipziger) Strafsenat hat die Vorlegungsfrage in Übereinstimmung mit diesen Vorgaben entschieden. Einer Befassung des Großen Sentas für Strafsachen des Bundesgerichtshofs bedurfte es nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht mehr.
Beschluss vom 23. Mai 2011 – 5 StR 394/10, 440/10 und 474/10
Oberlandesgericht Stuttgart – 1 Ws 57/10 – Beschluss vom 19. August 2010
Oberlandesgericht Celle – 2 Ws 270/10 – Beschluss vom 9. September 2010
Oberlandesgericht Koblenz – 1 Ws 108/10 – Beschluss vom 30. September 2010
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Über Bundesgerichtshof (BGH):
Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das oberste Gericht der Bundesrepublik Deutschland im Bereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit, d.h. der Zivil- und Strafrechtspflege, die in den unteren Instanzen von den zur Zuständigkeit der Länder gehörenden Amts-, Land- und Oberlandesgerichten ausgeübt wird.
Im Anschluss an die Konstituierung der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1949 wurde am 1. Oktober 1950 der Bundesgerichtshof in Karlsruhe eingerichtet.
Der Bundesgerichtshof ist – bis auf wenige Ausnahmen – Revisionsgericht. Er hat vor allem die Sicherung der Rechtseinheit durch Klärung grundsätzlicher Rechtsfragen und die Fortbildung des Rechts zur Aufgabe.
Der Bundesgerichtshof ist in 12 Zivilsenate und fünf Strafsenate mit insgesamt 127 Richterinnen und Richtern aufgegliedert. Hinzu kommen acht Spezialsenate, nämlich die Senate für Landwirtschafts-, Anwalts-, Notar-, Patentanwalts-, Wirtschaftsprüfer-, Steuerberater- und Steuerbevollmächtigtensachen, der Kartellsenat und das Dienstgericht des Bundes.
Firmenkontakt:
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Im Anschluss an die Konstituierung der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1949 wurde am 1. Oktober 1950 der Bundesgerichtshof in Karlsruhe eingerichtet.
Der Bundesgerichtshof ist – bis auf wenige Ausnahmen – Revisionsgericht. Er hat vor allem die Sicherung der Rechtseinheit durch Klärung grundsätzlicher Rechtsfragen und die Fortbildung des Rechts zur Aufgabe.
Der Bundesgerichtshof ist in 12 Zivilsenate und fünf Strafsenate mit insgesamt 127 Richterinnen und Richtern aufgegliedert. Hinzu kommen acht Spezialsenate, nämlich die Senate für Landwirtschafts-, Anwalts-, Notar-, Patentanwalts-, Wirtschaftsprüfer-, Steuerberater- und Steuerbevollmächtigtensachen, der Kartellsenat und das Dienstgericht des Bundes.
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