NIEBEL-Interview für "WDR 5

  • Pressemitteilung der Firma FDP, 01.08.2011
Pressemitteilung vom: 01.08.2011 von der Firma FDP aus Berlin

Kurzfassung: Berlin. Das FDP-Präsidiumsmitglied, Bundesentwicklungsminister DIRK NIEBEL gab dem "WDR 5" heute das folgende Hörfunk-Interview. Die Fragen stellte JÖRG BRUNSMANN: Frage: Die Hungerkatastrophe am Horn von Afrika ist ja keine reine ...

[FDP - 01.08.2011] NIEBEL-Interview für "WDR 5"


Berlin. Das FDP-Präsidiumsmitglied, Bundesentwicklungsminister DIRK NIEBEL gab dem "WDR 5" heute das folgende Hörfunk-Interview. Die Fragen stellte JÖRG BRUNSMANN:

Frage: Die Hungerkatastrophe am Horn von Afrika ist ja keine reine Naturkatastrophe. Die Politik spielt eine große Rolle, zum Beispiel durch die Al Shabaab-Milizen, die bisher kaum Hilfe zulassen. Hier hat doch die Entwicklungshilfe, nicht nur die deutsche, lange im Vorfeld versagt, indem man Somalia praktisch sich selbst überlassen hat oder?

NIEBEL: Nein, ich glaube, die Situation in Somalia insgesamt ist seit 20 Jahren schon so gestaltet, dass es schwierig ist, überhaupt handlungsfähig zu sein. Ich stimme zu, dass die letzten zehn, 15 Jahre auch von der deutschen Entwicklungspolitik die Entwicklung ländlicher Räume wirklich vernachlässigt worden ist. Deswegen hat die Bundesregierung 2009 im Koalitionsvertrag festgeschrieben und hat begonnen, die Entwicklung ländlicher Räume als einen Schwerpunkt der Entwicklungszusammenarbeit zu beschreiben. Wir sind seitdem auch erstmals wieder in den südlichen Provinzen in Somalia tätig, gerade bei Familien, die besonders arm sind. Das sind meistens von Frauen geführte Familien. Wir versuchen dazu beizutragen, dass dort Eigenversorgung gewährleistest wird, mit Projekten, die so erfolgreich sind, dass andere Geber, wie die britische Default, die Europäische Kommission und UNICEF, sich mit ihren finanziellen Mitteln schon an diesem Projekt beteiligen. Um mittelfristig solche Katastrophen auszuschließen, brauchen wir Entwicklung ländlicher Räume. Das ist weit mehr als Saatgüter und Bewässerung. Aber jetzt in dieser akuten Situation kommt beides zusammen, die schwierige politische Situation am Horn von Afrika gepaart mit den ausgebliebenen Regenzeiten.

Frage: Sie reden von Erfolgen, die man dort vor Ort erzielt hat. Erfolge, von denen aber momentan überhaupt nichts zu sehen ist.

NIEBEL: Nein, Erfolge, die ganz kleine sind, und sich auf dem richtigen Weg befinden. Wir werden Katastrophen, wie die jetzige, mittelfristig nur verhindern können, wenn wir die ländlichen Strukturen stärken. Das heißt: Ausbildung der Menschen, wie man Güter zu Märkten bringt oder wie man sie lagert. 40 Prozent Nachernteverluste von Getreide oder anderen Produkten ist nicht erträglich, wenn man weiß, wie wenig Lebensmittel überhaupt zur Verfügung stehen… Frage: …Sie gehen in die kleinen Strukturen rein, in die Dörfer, an die Menschen. Das ist sicherlich auch ein richtiger Ansatz. Aber ist nicht eher das Problem, dass man Somalia als Staat als Ganzes aufgegeben hat?

NIEBEL: Nein, man hat Somalia nicht aufgegeben, sonst wären wir bilateral dort nicht tätig. Auf der anderen Seite wäre die Afrikanische Union als die zuständige internationale Organisation dort nicht ganz unerheblich engagiert. Aber in einem verlorenen Staat, der sich seit 20 Jahren in einem Bürgerkrieg befindet, wo Anarchie herrscht und die Übergangsregierung nur Einfluss auf kleine Teile des Territoriums hat, ist es ziemlich schwierig zu arbeiten. Die Alternative hat man bis zum Abzug der internationalen Truppen versucht. Ich glaube, das muss ungefähr 1993 gewesen sein. Es war ja auch militärisch nicht zu lösen, so dass man jetzt eine politische Lösung braucht. Ich habe deswegen auch ausdrücklich die Afrikanische Union, als die zuständige Organisation, gebeten, endlich die politischen Gespräche auch mit gemäßigten Shabaab-Führern zu suchen, ähnlich wie wir das in Afghanistan mit gemäßigten Taliban tun. Denn es gibt hier einen vielstimmigen Chor. Die Hardcore-Islamisten, die überhaupt niemanden reinlassen wollen, gepaart mit einigen, die vielleicht gesprächsbereit oder gesprächsfähig sind, und wollen, dass die Menschen in dem Gebiet, über das sie militärisch herrschen, auch eine Überlebenschance haben. Das wird nur politische zu lösen sein. Auch hier brauchen wir die Unterstützung der Afrikanischen Union und der arabischen Staaten, die ihren Glaubensschwestern und -brüdern vielleicht mehr Hilfe leisten könnten, als das bisher der Fall gewesen ist.

Frage: Es gibt aber offenbar auch in der Afrikanischen Union diejenigen, die sagen, jetzt lieber stillhalten, dadurch schwächt man die Milizen viel stärker, als wenn man jetzt eingreift und Kompromisse sucht.

NIEBEL: Es gibt beides. Man weiß immer hinterher erst, was richtig war. Jetzt ist entscheidend, dass den Menschen geholfen wird. Die sterben nämlich einfach, und da ist der schnellere Weg, miteinander zu reden.

Frage: Man könnte auch wieder Truppen dorthin schicken und zum Beispiel die Versorgungswege sichern.

NIEBEL: Ich halte nichts davon, über militärische Optionen nachzudenken, solange politische Lösungen nicht abschließend ausgeschlossen werden müssen. Die Gespräche, die den Menschen helfen, sind, glaube ich, schneller zu führen als irgendwelche militärischen Aktionen, die mit Sicherheit zusätzliche Probleme bringen würden für all diejenigen, die heute noch unter erheblich schwierigen Bedingungen, als man sich das vorstellen mag, dort tätig sein können.

Frage: In anderen brenzligen Situationen macht man das. Vor dem Horn von Afrika auf den Wasserstraßen werden auch vom deutschen Militär Schiffe zur Verfügung gestellt, um die Wasserstraßen zu sichern.

NIEBEL: Richtig, das ist auch notwendig. Das Horn von Afrika ist eine der wichtigsten Handelsrouten für die Welt, auch für Deutschland. Auf der anderen Seite ist es natürlich ein großer Unterschied, ob man auf den Meeren oder in einem von Bürgerkriegen und Milizen zerstrittenen Land operiert. Das ist eine ganz andere Qualität. Das ist nicht die Frage, die jetzt zu lösen ist. Zu lösen ist die Frage, wie kann man den Menschen, die vom Hungerstod bedroht sind, möglichst schnell und umfangreich Hilfe zukommen lassen. Allein das zur Verfügung stellen von Geld reicht auch nicht. Das Ankommen der Hilfe ist das Entscheidende. Dazu braucht man die Gespräche, dass man an die Menschen herankommt.

Frage: Man könnte aber auch den Schluss daraus ziehen - dieser Vorwurf kommt von vielen Kritikern -, Somalia wird deshalb nicht militärisch geholfen, weil es wirtschaftlich für Deutschland uninteressant ist, anders als die Wasserwege.

NIEBEL: Somalia ist mit Sicherheit für Deutschland wirtschaftlich weniger relevant als die Wasserwege vor dem Gebiet. Aber das ist nicht der Bestandteil der Entscheidung für unsere humanitäre Hilfe beziehungsweise für die Entwicklungszusammenarbeit. Die Frage wie und ob wir helfen können, steht und fällt mit der Frage, ob wir Zugang zu den Menschen haben. Das ist etwas, was wir nicht militärisch lösen werden. Deutschland hat sich in den 90er Jahren militärisch in einem Blauhelmeinsatz der Vereinten Nationen engagiert, der leider gescheitert ist. Wenn der erfolgreich gewesen wäre, hätten wir heute wahrscheinlich eine ganz andere Situation. Aber es ist nicht Aufgabe der deutschen Entwicklungszusammenarbeit, mit Soldaten durch die Welt zu reisen und Gegenden zu befrieden. Unsere Aufgabe ist, unseren Partnern die Chance zu geben, eigenständig agieren zu können. Jetzt haben wir eine komplett andere Situation. Hier geht es um eine humanitäre Katastrophe, wo die Menschen einfach nur Nahrungsmittel zum Überleben benötigen. Diese Nahrungsmittel bringt man nur zu den Menschen, wenn man mit den dort agierenden, die Macht inne habenden Gruppierungen ins Gespräch kommt.

Frage: Wer kann denn mit den dort Machthabenden sprechen, könnte Deutschland das leisten?

NIEBEL: Nein, deswegen ist die Afrikanische Union als die zuständige internationale Organisation hier gefordert, ebenso wie es die arabischen Bruderstaaten sind. Es ist eine überwiegend muslimische Bevölkerung. Hier gibt es Zugänge, die wir als Nichtmuslime nicht hätten als Bundesrepublik. Wir würden uns da auch überfordern. Wir fordern zu Recht immer wieder mehr Eigenverantwortung bei unseren Partnern ein und unterstützen die Afrikanische Union auch in ihren Organisationsstrukturen, auch finanziell, dass sie diese Aufgaben wahrnehmen kann. Das muss sie jetzt auch tun.


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