BRÜDERLE-Interview für den "Deutschlandfunk (10.08.2011)

  • Pressemitteilung der Firma FDP-Bundestagsfraktion, 10.08.2011
Pressemitteilung vom: 10.08.2011 von der Firma FDP-Bundestagsfraktion aus Berlin

Kurzfassung: Berlin. Der Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Präsidiumsmitglied RAINER BRÜDERLE, gab dem "Deutschlandfunk" heute das folgende Interview. Die Fragen stellte SILVIA ENGELS. Frage: Viele Beobachter und Finanzanalysten sehen ja nun auch ...

[FDP-Bundestagsfraktion - 10.08.2011] BRÜDERLE-Interview für den "Deutschlandfunk" (10.08.2011)


Berlin. Der Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Präsidiumsmitglied RAINER BRÜDERLE, gab dem "Deutschlandfunk" heute das folgende Interview. Die Fragen stellte SILVIA ENGELS.

Frage: Viele Beobachter und Finanzanalysten sehen ja nun auch Politiker als Mitauslöser der Krise. Der US-Schuldenstreit sei das eine, so heißt es, die andauernde politische Debatte in Europa über den Euro-Rettungsschirm das andere. Fühlen Sie sich angesprochen?

BRÜDERLE: Eigentlich nicht, aber es hängt schon damit zusammen. Man hat gesehen, wie schwer der amerikanische Präsident sich tat, als er zwischen den beiden Parteien, Republikanern und Demokraten, noch in letzter Sekunde quasi, um die Zahlungsunfähigkeit der Vereinigten Staaten zu vermeiden, noch einen Kompromiss hinbekommen hat, der erst noch ausgefüllt werden muss. Sie haben zwar beschlossen, dass sie einsparen wollen, zwei Billionen in den nächsten Jahren, aber das muss ja noch konkret fixiert werden. Das schafft uns Sicherheiten. In der Tat, das tägliche Gequake aus dem politischen Lager ist keine hilfreiche Unterstützung zur Konsolidierung der Finanzmärkte, aber die Ursachen liegen woanders. Die Ursachen liegen darin, dass Reformprozesse nicht durchgeführt wurden, dass Wettbewerbsfähigkeiten nicht vorgenommen wurden, nicht verbessert wurden. Deshalb ist der Ansatz von Bundeswirtschaftsminister Rösler, dort eine Verstärkung zu fordern in Europa, genau richtig.

Frage: Da kommen wir gleich drauf zu sprechen. Bleiben wir noch bei der Mitverantwortung der Politik und dem vielen Gequake, wie Sie es nennen: Auch der Präsident des Bundesverbandes deutscher Banken, Andreas Schmitz, wirft speziell der Bundesregierung heute in der "Bild"-Zeitung Entscheidungsschwäche und mangelnde Führung vor. Sagt Deutschland in Europa nicht genügend, wo es langgeht?

BRÜDERLE: Sagen wir schon, nur wir brauchen jeweils Mehrheiten dafür. Und aus guten Gründen verhandeln wir ja sehr hartnäckig, dass der neue Stabilitätspakt, den wir brauchen - der ursprüngliche ist ja durch Fehlverhalten damals der Regierung Schröder in Deutschland, Chirac in Frankreich nicht in Wirkung gebracht worden, es wurde 68 Mal dagegen verstoßen, es gab nie Sanktionen -, dass wir hart verhandeln, dass ein neuer Mechanismus andere Zähne hat, andere Wirkungen hinbekommt, damit zukünftig auch weiter das Vertrauen, die Stabilität des Euros ermöglicht wird.

Frage: Aber Sie sagen zu Recht, dafür braucht man Mehrheiten, und die waren bis jetzt ja nie da, so dass der Eindruck eher derjenige war, dass auch Deutschland, das ja oft auf Stabilität gepocht hat, endlich dann doch letztlich zum Getriebenen wurde.

BRÜDERLE: Wir haben den Grundsatz der Einstimmigkeit, auch bei dem derzeitigen Währungsfonds, dem EFSF, und bei dem zukünftigen ESM, der 2013 Dauermechanismus sein muss, dass also ohne die Zustimmung Deutschlands dabei nichts geschehen kann. Das ist ganz wichtig, da haben wir lange drum gerungen, dass es so ist. Es kann nicht angehen, dass die Länder, die schwach sind, weil sie Haushaltsdisziplin nicht üben, weil sie Strukturreformen nicht durchführen, weil sie ihre Wettbewerbsfähigkeit nicht steigern, quasi den Bundeshaushalt oder die Situation starker Länder als Selbstbedienungsladen missbrauchen und missverstehen. Deshalb ist es wichtig - auch wenn unsere europäischen Nachbarn nicht alle erfreut darüber sind -, hier eine harte Position weiter zu verfolgen.

Frage: Sie haben es angedeutet: Wirtschaftsminister Philipp Rösler hat gestern den Vorschlag gemacht, einen sogenannten Stabilitätsrat im Euroraum einzuberufen. Dieses Gremium soll Sanktionen verhängen können, und es soll auch mitentscheiden, wie europäische Strukturfondsmittel in Krisenländern verwendet werden sollen. Was kann man sich denn jetzt darunter konkret vorstellen?

BRÜDERLE: Also es geht ja darum, dass wir die Ursachen der Probleme beseitigen. Das Kernproblem der Griechenmisere ist eine mangelnde Wettbewerbsfähigkeit der griechischen Volkswirtschaft. Sie sind nicht in der Lage, das sich zu erarbeiten, was sie meinen, auf der Ausgabenseite sich erlauben zu können. Und wenn man das feststellt und nicht mit Sanktionen belegt, dann ist die Gefahr groß, aufgrund der Warnmechanismen der Situation in den Ländern, schwachen Mehrheiten, die zum Teil gegeben sind, dass man die Reformen nicht ernsthaft anpackt oder Mogelpackungen auf den Weg bringt. Da ist zum Beispiel Italien nicht zu überzeugen, dass ein Großteil der Maßnahmen, die beschlossen worden sind, nach den letzten Nationalwahlen greifen werden und man jetzt relativ zurückhaltend ist. Deshalb ist es wichtig, dass man es mit Sanktionen, mit Automatismen versieht quasi, dass jeder weiß in den Ländern, die sich fehl verhalten: Wenn wir uns nicht korrigieren, nicht anders anstrengen, dann kriegen wir keine Mittel aus den europäischen Fonds zum Beispiel.

Frage: Das klingt alles sehr schön, aber Sie würden ja in nationale Kompetenzen hineinregieren, und auch die Sache mit den Automatismen hat man ja bislang in Europa nicht durchsetzen können - kommen wir wieder zum Stichwort der fehlenden Mehrheiten und der fehlenden Durchsetzbarkeit.

BRÜDERLE: Ich sehe es mal von der anderen Seite: Man braucht ja auch positive Mehrheiten. Wenn man Hilfe und Solidarität von den starken Ländern für die schwachen Länder haben will, dann kann man deren Zustimmung nur erreichen, wenn man Regeln vereinbart, die auch diese Länder überzeugen, dass ihr Geld nicht nur ein Zeitgewinn ist, sondern eben zu Strukturveränderungen führt. Solidarität bedingt: Auch der, der Solidarität empfängt, muss die Ursachen seiner Misere kraftvoll bekämpfen und beseitigen, sonst ist es ja nur ein reiner Transfer und nicht eine Solidarität, die insgesamt Europa stärker macht. Und das mit stärkeren Mechanismen zu versehen ist schon wichtig, und wenn jemand Geld haben will, muss er auch dafür Verpflichtungen eingehen. Das zu schärfen, halte ich im Kern für absolut notwendig.

Frage: Das Ganze könnte aber, selbst wenn es käme, nur mittelfristig wirken und nicht kurzfristig, und darum geht es doch: jetzt die Märkte zu beruhigen.

BRÜDERLE: Die Märkte sind deshalb hier unruhig, weil sie sehen, etwa in Italien, dass man zwar ein Paket beschlossen hat, aber dass ein großer Teil eben erst später, nach anderen, neuen nationalen Wahlen zum Greifen kommt, dass man nicht recht glaubt, dass es auch dann exekutiert wird. Darin liegt auch eine Ursache der Unsicherheit der Märkte. Und wenn man sieht, dass hier harte Mechanismen sind - wer Hilfe braucht, geht die Verpflichtung ein -, ... und das ist so: Wenn man von anderen Unterstützung haben will, muss man die Bedingungen mit akzeptieren und unter Umständen auch einen Teil der Entscheidungsmöglichkeiten an die Europäische Kommission etwa abtreten. Die Privatisierung Griechenlands kriegen sie allein offensichtlich nicht hin. Deshalb wäre es schon richtig zu sagen bei der neuen Griechenlandhilfe, dass die Europäische Kommission bei dieser Privatisierung entscheidende Mechanismen mit einsetzen kann, hilft, wie wir es früher auch bei der Wiedervereinigung Deutschlands mit der Treuhand gemacht haben, dass eine europäische Treuhand Griechenland dort unterstützt, hilft, und sie dies auch akzeptieren. Das sind die Spielregeln, die man einhalten muss. Das ist so bei jedem Fußballverein: Wenn ich Fußball spiele, Mitglied des Vereins bin, muss ich die Vereinsregeln einhalten. Das muss zukünftig Europa auch klar sein.

Frage: Bislang wurden diese Regeln aber oft unterlaufen, Sie haben es selber angesprochen, und deshalb trauen viele Beobachter den Märkten, auch solchen Vorschlägen von Herrn Rösler nicht, und viele Finanzanleger verlangen mittlerweile von den europäischen Entscheidern eher eine Grundsatzentscheidung: entweder Transferunion der EU, oder Ausstieg der überschuldeten Staaten. Wie entscheiden Sie die Grundsatzfrage?

BRÜDERLE: Sie ist so simpel nicht beantwortbar. Transferunion geht nicht, das heißt, die einen schaffen an und die anderen geben es aus. Wir Mainzer sind sehr gastfreundlich, wir laden gern Leute zu einem Glas Wein ein, auch mehrfach, aber eine Freundschaft, die darin besteht, dass der eine nur einlädt und der andere trinkt und nicht zahlt, kann auf Dauer nicht funktionieren, um es so simpel mal darzustellen. Es liegt dazwischen. Wir werden den Ländern der Peripherie Europas, die schwächer sind, schon ein Stück auf die Beine mit helfen müssen, aber klar verknüpft damit, dass sie auch die Voraussetzung dazu schaffen, zukünftig wettbewerbsfähig erfolgreicher sein zu können, die Arbeitslosigkeit abbauen zu können. Und das muss quasi in Automatismen hineingeführt werden. Wenn es auch in Zukunft primär Gegenstand eines europäischen Kuhhandels ist, dann wird es in der Tat die Finanzmärkte nicht überzeugen.

Frage: Und die deutsche Wirtschaft könnte dann ins Minus kippen?

BRÜDERLE: Die deutsche Wirtschaft ist sehr stabil, sehr robust, wir sind quasi fast eine Insel der Seligen, wie die deutsche Entwicklung dabei ist. Wir haben Interesse daran, dass ringsherum auch zukünftig stabile Entwicklungen sind, aber Deutschland darf deshalb nicht dazu veranlasst werden, für alle Fehlentwicklungen in Europa und anderswo einseitig zu zahlen. Das werden zu Recht die deutschen Steuerzahler und Wähler nicht akzeptieren. Deshalb ist hartes Verhandeln an dieser Stelle jetzt notwendig. Wenn man jetzt weich hineingeht in die weiteren Verhandlungen und Arrondierungen, dann macht man Fehler, die die ganze europäische Entwicklung nachhaltig stören können.


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