BRÜDERLE-Interview für den FOCUS

  • Pressemitteilung der Firma FDP-Bundestagsfraktion, 29.08.2011
Pressemitteilung vom: 29.08.2011 von der Firma FDP-Bundestagsfraktion aus Berlin

Kurzfassung: BERLIN. Der Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion Rainer BRÜDERLE gab dem "FOCUS" (heutige Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Olaf Opitz: Frage: Herr Brüderle, kaum sind Sie nicht mehr Wirtschaftsminister und im Urlaub brechen ...

[FDP-Bundestagsfraktion - 29.08.2011] BRÜDERLE-Interview für den FOCUS


BERLIN. Der Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion Rainer BRÜDERLE gab dem "FOCUS" (heutige Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Olaf Opitz:

Frage: Herr Brüderle, kaum sind Sie nicht mehr Wirtschaftsminister und im Urlaub brechen die Börsen zusammen.

BRÜDERLE: (lacht) So viel Einfluss habe ich Gott sei Dank nicht. Im Ernst: Amerika und Europa haben ihre Probleme noch nicht im Griff. Die USA haben ihr Sparprogramm im Haushalt nicht genau definiert. Die EU hat 68 Mal gegen den eigenen Stabilitätspakt verstoßen, Sanktionen gab es praktisch nie. So etwas verunsichert.

Frage: Herrscht nun Hysterie oder Realität an den Börsen?

BRÜDERLE: Es ist beides. Die Börse ist mitunter irrational, aber gute Wirtschaft braucht auch gute Stimmung. Griechenland bleibt noch ein Problemfall, Italiens Sparbeschlüsse wirken vollständig erst nach den Nationalwahlen. Frankreich tut sich noch schwer, eine Schuldenbremse einzuführen.

Frage: Was müssen die Deutschen tun?

BRÜDERLE: Deutschland muss für einen Stabilitätspakt II in Europa kämpfen. Der Euro-Rettungsschirm für in Not geratene Länder muss präzisiert werden.

Frage: Was ist Voraussetzung für Ihre Zustimmung?

BRÜDERLE: Beim Euro-Rettungsschirm muss das Prinzip der Einstimmigkeit gelten. Es kann nicht sein, dass eine Mehrheit von schwächeren Ländern die Minderheit von starken Ländern finanziell schröpft. Der deutsche Bundeshaushalt darf nicht zum Selbstbedienungsladen von reformunwilligen und wettbewerbsschwachen Staaten werden. Alle europäischen Staaten müssen die Schuldenbremse in ihren Verfassungen verankern, damit das ständige Schuldenmachen aufhört.

Frage: In der Union, aber auch bei Ihnen gibt es viele Kritiker der Eurorettung. Hat Schwarz-Gelb, wenn es im Bundestag zur Abstimmung kommt, überhaupt noch eine Mehrheit?

BRÜDERLE: Am Ende wird die Koalitionsmehrheit stehen. Aber der Parlamentsvorbehalt ist für die FDP unabdingbar. Das Haushaltsrecht ist das Königsrecht des Parlaments. Das lassen wir nicht aushebeln. Bei allen Maßnahmen, die finanzielle Auswirkungen auf unser Land haben, muss der Bundestag beteiligt werden. So haben es die Koalitionsfraktionen im Juni beschlossen. Davon rücken wir nicht ab.

Frage: Nicht so Finanzminister Schäuble, der will eine direkte parlamentarische Kontrolle beim Euro-Rettungsschirm umgehen. Lassen Sie das zu?

BRÜDERLE: Wolfgang Schäuble braucht sicher keine Nachhilfe im Parlamentarismus. Er ist ein erfahrener Kollege und weiß, dass das Haushaltsrecht den Abgeordneten heilig ist.

Frage: Aber Kritiker wie CDU-Parlamentarier Bosbach oder sein FDP-Kollege Schäffler sind nicht gerade Leichtgewichtige in ihren Reihen.

BRÜDERLE: Wir stehen vor schweren Entscheidungen, aber wir passen schon auf: Europa braucht beim neuen Stabilitätspakt wirksame Sanktionen. Wenn Länder die Regeln nicht einhalten, müssen ihnen die zugeteilten EU-Mittel gekürzt werden. Ebenso muss verhindert werden, dass die EU Euro-Bonds durch die Hintertür einführen kann.

Frage: Ihr Parteichef Rösler hat mit seinem klaren Nein zu Euro-Bonds eine rote Linie für die Koalition gezogen. Sind Sie auch so streng?

BRÜDERLE: Euro-Bonds wären die Abschaffung der Marktwirtschaft zugunsten der Umverteilung. Gut und schlecht wirtschaftende Länder würden die gleichen Zinsen zahlen: Wo bleibt da der Anreiz, sich anzustrengen? Das wäre Zinssozialismus.

Frage: Wie würde sich denn die Kanzlerin im Falle von Gemeinschaftsanleihen entscheiden – für die Rettung Europas oder den Erhalt der Koalition?

BRÜDERLE: Wir alle sind für ein starkes Europa. Aber Euro-Bonds sind ökonomischer Unfug. Das weiß auch die Kanzlerin, die sich klar positioniert hat.

Frage: Hat der Bundespräsident Recht, wenn er die Aufkaufpolitik der EZB von riskanten Staatsanleihen kritisiert?

BRÜDERLE: Ja, er hat Recht. Die EZB muss sich wieder auf ihre Kernaufgabe, die geldpolitische Wächterfunktion konzentrieren. Das Aufkaufen von Staatsanleihen geht nur in absoluten Notfällen. Es darf keine Regel werden. Denn es ist nicht Aufgabe der Europäischen Zentralbank, Ländern mit hochverschuldeten Haushalten durch Aufkauf von Staatsanleihen eine künstliche Zinsverbilligung zu verschaffen.

Frage: Der Unions-Fraktionsvorsitzende Volker Kauder hat Steuerentlastungen von fünf bis sieben Milliarden Euro angekündigt. Reicht Ihnen das?

BRÜDERLE: Union und FDP sind einig, im Herbst Steuerentlastungen für die Bürger zu beschließen. Ich bin da optimistischer und könnte mir mehr Entlastungswirkung vorstellen. Wir wollen ein stabiles Wachstum. Das schafft Arbeitsplätze und entlastet die Haushalte. Dafür brauchen wir ein ordentliches Entlastungsvolumen bei Steuern und Abgaben.

Frage: Dafür hat FDP-Gesundheitsminister Bahr den Bürgern eine bittere Pille verpasst. Pflege wird künftig teurer. Was kommt da auf die Beitragszahler zu?

BRÜDERLE: Nun mal langsam. Jeder von uns möchte zu einem bezahlbaren Preis optimal versorgt werden. Dies gilt es in Einklang zu bringen. Dafür muss unser Sozialsystem moderner werden, Leistungen müssen überprüft und effizienter werden. Außerdem sollten wir in Richtung Kapitaldeckung denken. Grundsätzlich bin ich kein Freund von Beitragserhöhungen.

Frage: Gibt es wenigstens Entlastungen an anderer Stelle im Sozialsystem?

BRÜDERLE: Durch die gute Wirtschaftslage könnten bei der Rentenversicherung die Beiträge bis zu 0,8 Prozentpunkte ab 2013 sinken. Auch bei der Arbeitslosenversicherung ergeben sich Spielräume für Beitragssenkungen. Zudem muss bei der Bundesagentur für Arbeit weiter gespart werden. Sie arbeitet noch immer mit einem aufgeblasenen Beschäftigtenapparat, wie zu Zeiten von Rot-Grün mit fünf Millionen Arbeitslosen. Die BA-Mitarbeiterzahl müsste bei 90.000 liegen, heute hat sie fast 120.000. Deswegen braucht auch die Bundesagentur für Arbeit eine Schuldenbremse.

Frage: War der deutsche Sonderweg richtig, sich am Kampfeinsatz gegen Gaddafi nicht zu beteiligen?

BRÜDERLE: Deutschland hat sehr wohl den Aufbruch in Libyen unterstützt. Ein Kampfeinsatz der Bundeswehr kam für uns allerdings nicht in Frage. Das hat der Außenminister im UNO-Sicherheitsrat auch begründet.

Frage: Hatten die Verbündeten mit ihrem Einsatz denn nicht Recht?

BRÜDERLE: Offensichtlich hat auch die Militäraktion den Aufständischen im Kampf gegen Gaddafi geholfen.

Frage: Würden Sie einen Aufbaueinsatz von Bundeswehrsoldaten zur Stabilisierung Libyens befürworten?

BRÜDERLE: Die Frage stellt sich derzeit nicht. Gute wirtschaftliche Beziehungen können politische Verhältnisse stabilisieren. Politik und deutsche Unternehmen werden sich hier engagieren. Auch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit von Dirk Niebel kann Libyen unterstützen. Es ist ja kein armes Land. Wirtschaftskooperationen wären schnell möglich. Daneben können politische Stiftungen beim Aufbau demokratischer Strukturen helfen.

Frage: Altkanzler Helmut Kohl kritisiert jedoch, Deutschland habe seinen Kompass in der Weltpolitik verloren. Stimmt das?

BRÜDERLE: In diesen turbulenten Zeiten trägt Deutschland ein gehöriges Maß an Verantwortung für die Stabilität Europas und der Welt.


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Als erste politische Bewegung hat der Liberalismus dem einzelnen Bürger, seiner menschlichen Würde und seinen Menschenrechten der Freiheit und Gleichheit Vorrang vor der Macht des Staates eingeräumt. Schritt für Schritt verwirklichten Liberale den modernen Verfassungsstaat mit individuellen Grundrechten, der freien Entfaltung der Persönlichkeit, dem Schutz von Minderheiten, der Gewaltenteilung und der Rechtsbindung staatlicher Gewalt.

Der Liberalismus hat als Freiheitsbewegung nicht nur für die Gleichheit vor dem Gesetz gekämpft, sondern auch für Chancengleichheit in der Gesellschaft. Mit der Marktwirtschaft und ihrer sozialen Verpflichtung hat der Liberalismus neue Chancen gegen Existenznot und konservative Erstarrung der gesellschaftlichen Strukturen eröffnet.

Die liberale Verfassung unserer Bundesrepublik Deutschland hat mehr demokratische Stabilität, mehr allgemeinen Wohlstand, mehr soziale Gerechtigkeit und Rechtsstaatlichkeit hervorgebracht, als dies je zuvor in der Geschichte der Fall gewesen ist. Und dennoch ist die Idee der Freiheit den schleichenden Gefahren der Gewöhnung und Geringschätzung ausgesetzt. Weniger Teilhabe am demokratischen Staat, weniger Chancen für ein selbstbestimmtes Leben durch weniger Chancen auf einen sicheren Arbeitsplatz, Entmündigungen durch kollektive Zwangssysteme und bevormundende Bürokratie sind neue Bedrohungen der Freiheit.

Liberale haben nach 1945 der Idee der Freiheit zum erneuten Durchbruch verholfen. Die FDP war stets der Motor für Reformen, wenn es um Richtungsentscheidungen zugunsten der Freiheit ging. Nur durch die FDP konnte in den fünfziger Jahren die Soziale Marktwirtschaft gegen die Sozialdemokraten und Teile der Christdemokraten durchgesetzt werden. Nur durch die FDP konnte sich in den siebziger Jahren mehr Bürgerfreiheit gegen konservative Rechts- und Gesellschaftspolitik durchsetzen. Die Liberalen waren Vorreiter für die Demokratisierung und Liberalisierung der Gesellschaft, gegen obrigkeits- staatliche Bevormundung und Engstirnigkeit. Unsere Politik der marktwirtschaftlichen Erneuerung in den achtziger Jahren brachte neue Arbeitsplätze und mehr Wohlstand für mehr Bürger.

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