Normenkontrollantrag betreffend die Regelung der Bezugszeit von Elterngeld – 'Partnermonate' - unzulässig
- Pressemitteilung der Firma Bundesverfassungsgericht, 14.09.2011
Pressemitteilung vom: 14.09.2011 von der Firma Bundesverfassungsgericht aus Karlsruhe
Kurzfassung: Elterngeld kann vom Tag der Geburt des Kindes bis zur Vollendung des 14. Lebensmonats bezogen werden. Jedoch darf gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG) die Bezugszeit für einen Elternteil grundsätzlich ...
[Bundesverfassungsgericht - 14.09.2011] Normenkontrollantrag betreffend die Regelung der Bezugszeit von Elterngeld – "Partnermonate" - unzulässig
Elterngeld kann vom Tag der Geburt des Kindes bis zur Vollendung des 14. Lebensmonats bezogen werden. Jedoch darf gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG) die Bezugszeit für einen Elternteil grundsätzlich nicht mehr als 12 Monate betragen, mindestens 2 Monate Elterngeld müssen vom anderen Elternteil in Anspruch genommen werden (sogenannte "Partner(innen)-" oder "Vätermonate"). Ausnahmen gelten z. B. für Alleinerziehende.
Die verheiratete Klägerin des zugrundeliegenden Verfahrens, der für die ersten 12 Lebensmonate ihres Kindes Elterngeld gewährt wurde, beansprucht auch für den 13. und 14. Monat Elterngeld. Die Ablehnung ihres Antrags und ihre hiergegen gerichtete Klage führten zur Vorlage durch das Landessozialgericht, das die Regelung des § 4 Abs. 3 Satz 1 BEEG für verfassungswidrig hält. Sie greife ungerechtfertigt in die durch Art. 6 Abs. 1 und 2 GG geschützte Freiheit der Ehegatten und Eltern zur eigenverantwortlichen Ausgestaltung der innerfamiliären Aufgabenverteilung ein, indem sie die Gewährung des Elterngeldes zumindest für 2 Monate von einer bestimmten familiären Arbeitsverteilung abhängig mache.
Die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat entschieden, dass die Vorlage unzulässig ist. Ein Gericht kann die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsmäßigkeit einer gesetzlichen Vorschrift nur einholen, wenn es zuvor selbst ihre Verfassungsmäßigkeit sorgfältig geprüft hat. Hierbei muss es insbesondere auf die maßgebliche Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eingehen und sich unter Berücksichtigung der in Rechtsprechung und Literatur entwickelten Rechtsauffassungen auch mit den Gründen auseinandersetzen, die im Gesetzgebungsverfahren für die gesetzgeberische Entscheidung maßgebend waren. Diesen Anforderungen wird die Vorlage nicht gerecht.
Die Regelung zu den "Partnermonaten" zielt darauf ab, die partnerschaftliche Aufteilung von Erwerbs- und Familienarbeit zu fördern und dadurch die einseitige Zuweisung der Betreuungsarbeit an die Frauen mit den nachteiligen Folgen auf dem Arbeitsmarkt aufzubrechen. Damit wollte der Gesetzgeber dem verfassungsrechtlichen Auftrag zur Förderung der Gleichberechtigung von Männern und Frauen aus Art. 3 Abs. 2 GG entsprechen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verfolgt dieser Verfassungsauftrag das Ziel, die Gleichberechtigung der Geschlechter in der gesellschaftlichen Wirklichkeit durchzusetzen und überkommene Rollenverteilungen zu überwinden. Dies verpflichtet den Gesetzgeber auch dazu, einer tradierten Rollenverteilung zu begegnen, nach der das Kind einseitig und dauerhaft dem "Zuständigkeitsbereich" der Mutter zugeordnet würde. Mit dieser Rechtsprechung hat sich das vorlegende Landessozialgericht nicht hinreichend befasst. So wäre zu erwägen gewesen, ob durch die vor allem auf Väter zielende Regelung zu den "Partnermonaten" gesellschaftliche Vorurteile, insbesondere in der Arbeitswelt, abgebaut werden und Väter dadurch zur Inanspruchnahme von Elternzeit ermutigt werden könnten. Gleiches gilt für die Überlegung, ob die geringeren beruflichen Aufstiegschancen von Frauen nicht teilweise ausgeglichen werden könnten, wenn zunehmend auch Männer von ihrem Anspruch auf Elternzeit Gebrauch machten, weil dadurch der Besorgnis der Arbeitgeber begegnet werden könnte, Frauen seien wegen der Kinderbetreuung beruflich nicht kontinuierlich verfügbar.
Soweit das Landessozialgericht die Regelung zu den "Partnermonaten" für unverhältnismäßig hält, weil sie nicht geeignet sei, zu einer partnerschaftlicheren Rollenverteilung beizutragen, fehlt es an einer Auseinandersetzung mit der Reichweite des gesetzgeberischen Einschätzungs- und Prognosespielraums. Ein vom Gesetzgeber gewähltes Mittel ist im verfassungsrechtlichen Sinn bereits dann geeignet, wenn mit seiner Hilfe der gewünschte Erfolg gefördert werden kann, wobei die Möglichkeit der Zweckerreichung genügt. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes ist der Anteil der Kinder, deren Vater Elterngeld bezog, in den Jahren 2007 bis 2009 von 15,4 % auf 23,9 % gestiegen. Diese Daten lassen eine Steigerung der Akzeptanz der Wahrnehmung von Familienverantwortung durch Väter erwarten. Damit erscheint auch die Erreichung des vom Gesetzgeber angestrebten Zwecks, die partnerschaftliche Aufteilung von Erwerbs- und Familienarbeit zu fördern, zumindest möglich.
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Postfach 1771, 76006 Karlsruhe
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Fax: 0721/9101-382
Mail: bverfg@bundesverfassungsgericht.de
Elterngeld kann vom Tag der Geburt des Kindes bis zur Vollendung des 14. Lebensmonats bezogen werden. Jedoch darf gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG) die Bezugszeit für einen Elternteil grundsätzlich nicht mehr als 12 Monate betragen, mindestens 2 Monate Elterngeld müssen vom anderen Elternteil in Anspruch genommen werden (sogenannte "Partner(innen)-" oder "Vätermonate"). Ausnahmen gelten z. B. für Alleinerziehende.
Die verheiratete Klägerin des zugrundeliegenden Verfahrens, der für die ersten 12 Lebensmonate ihres Kindes Elterngeld gewährt wurde, beansprucht auch für den 13. und 14. Monat Elterngeld. Die Ablehnung ihres Antrags und ihre hiergegen gerichtete Klage führten zur Vorlage durch das Landessozialgericht, das die Regelung des § 4 Abs. 3 Satz 1 BEEG für verfassungswidrig hält. Sie greife ungerechtfertigt in die durch Art. 6 Abs. 1 und 2 GG geschützte Freiheit der Ehegatten und Eltern zur eigenverantwortlichen Ausgestaltung der innerfamiliären Aufgabenverteilung ein, indem sie die Gewährung des Elterngeldes zumindest für 2 Monate von einer bestimmten familiären Arbeitsverteilung abhängig mache.
Die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat entschieden, dass die Vorlage unzulässig ist. Ein Gericht kann die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsmäßigkeit einer gesetzlichen Vorschrift nur einholen, wenn es zuvor selbst ihre Verfassungsmäßigkeit sorgfältig geprüft hat. Hierbei muss es insbesondere auf die maßgebliche Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eingehen und sich unter Berücksichtigung der in Rechtsprechung und Literatur entwickelten Rechtsauffassungen auch mit den Gründen auseinandersetzen, die im Gesetzgebungsverfahren für die gesetzgeberische Entscheidung maßgebend waren. Diesen Anforderungen wird die Vorlage nicht gerecht.
Die Regelung zu den "Partnermonaten" zielt darauf ab, die partnerschaftliche Aufteilung von Erwerbs- und Familienarbeit zu fördern und dadurch die einseitige Zuweisung der Betreuungsarbeit an die Frauen mit den nachteiligen Folgen auf dem Arbeitsmarkt aufzubrechen. Damit wollte der Gesetzgeber dem verfassungsrechtlichen Auftrag zur Förderung der Gleichberechtigung von Männern und Frauen aus Art. 3 Abs. 2 GG entsprechen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verfolgt dieser Verfassungsauftrag das Ziel, die Gleichberechtigung der Geschlechter in der gesellschaftlichen Wirklichkeit durchzusetzen und überkommene Rollenverteilungen zu überwinden. Dies verpflichtet den Gesetzgeber auch dazu, einer tradierten Rollenverteilung zu begegnen, nach der das Kind einseitig und dauerhaft dem "Zuständigkeitsbereich" der Mutter zugeordnet würde. Mit dieser Rechtsprechung hat sich das vorlegende Landessozialgericht nicht hinreichend befasst. So wäre zu erwägen gewesen, ob durch die vor allem auf Väter zielende Regelung zu den "Partnermonaten" gesellschaftliche Vorurteile, insbesondere in der Arbeitswelt, abgebaut werden und Väter dadurch zur Inanspruchnahme von Elternzeit ermutigt werden könnten. Gleiches gilt für die Überlegung, ob die geringeren beruflichen Aufstiegschancen von Frauen nicht teilweise ausgeglichen werden könnten, wenn zunehmend auch Männer von ihrem Anspruch auf Elternzeit Gebrauch machten, weil dadurch der Besorgnis der Arbeitgeber begegnet werden könnte, Frauen seien wegen der Kinderbetreuung beruflich nicht kontinuierlich verfügbar.
Soweit das Landessozialgericht die Regelung zu den "Partnermonaten" für unverhältnismäßig hält, weil sie nicht geeignet sei, zu einer partnerschaftlicheren Rollenverteilung beizutragen, fehlt es an einer Auseinandersetzung mit der Reichweite des gesetzgeberischen Einschätzungs- und Prognosespielraums. Ein vom Gesetzgeber gewähltes Mittel ist im verfassungsrechtlichen Sinn bereits dann geeignet, wenn mit seiner Hilfe der gewünschte Erfolg gefördert werden kann, wobei die Möglichkeit der Zweckerreichung genügt. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes ist der Anteil der Kinder, deren Vater Elterngeld bezog, in den Jahren 2007 bis 2009 von 15,4 % auf 23,9 % gestiegen. Diese Daten lassen eine Steigerung der Akzeptanz der Wahrnehmung von Familienverantwortung durch Väter erwarten. Damit erscheint auch die Erreichung des vom Gesetzgeber angestrebten Zwecks, die partnerschaftliche Aufteilung von Erwerbs- und Familienarbeit zu fördern, zumindest möglich.
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Über Bundesverfassungsgericht:
Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe wacht über die Einhaltung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland. Seit seiner Gründung im Jahr 1951 hat das Gericht dazu beigetragen, der freiheitlich-demokratischen Grundordnung Ansehen und Wirkung zu verschaffen. Das gilt vor allem für die Durchsetzung der Grundrechte.
Zur Beachtung des Grundgesetzes sind alle staatlichen Stellen verpflichtet. Kommt es dabei zum Streit, kann das Bundesverfassungsgericht angerufen werden. Seine Entscheidung ist unanfechtbar. An seine Rechtsprechung sind alle übrigen Staatsorgane gebunden.
Die Arbeit des Bundesverfassungsgerichts hat auch politische Wirkung. Das wird besonders deutlich, wenn das Gericht ein Gesetz für verfassungswidrig erklärt. Das Gericht ist aber kein politisches Organ. Sein Maßstab ist allein das Grundgesetz. Fragen der politischen Zweckmäßigkeit dürfen für das Gericht keine Rolle spielen. Es bestimmt nur den verfassungsrechtlichen Rahmen des politischen Entscheidungsspielraums. Die Begrenzung staatlicher Macht ist ein Kennzeichen des Rechtsstaats.
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Zur Beachtung des Grundgesetzes sind alle staatlichen Stellen verpflichtet. Kommt es dabei zum Streit, kann das Bundesverfassungsgericht angerufen werden. Seine Entscheidung ist unanfechtbar. An seine Rechtsprechung sind alle übrigen Staatsorgane gebunden.
Die Arbeit des Bundesverfassungsgerichts hat auch politische Wirkung. Das wird besonders deutlich, wenn das Gericht ein Gesetz für verfassungswidrig erklärt. Das Gericht ist aber kein politisches Organ. Sein Maßstab ist allein das Grundgesetz. Fragen der politischen Zweckmäßigkeit dürfen für das Gericht keine Rolle spielen. Es bestimmt nur den verfassungsrechtlichen Rahmen des politischen Entscheidungsspielraums. Die Begrenzung staatlicher Macht ist ein Kennzeichen des Rechtsstaats.
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