Rede von Bundesratspräsidentin Hannelore Kraft zum Abschluss ihrer Präsidentschaft

  • Pressemitteilung der Firma Bundesrat, 14.10.2011
Pressemitteilung vom: 14.10.2011 von der Firma Bundesrat aus Berlin

Kurzfassung: in der 888. Sitzung des Bundesrates am 14. Oktober 2011 Liebe Kolleginnen und Kollegen, zu Beginn darf ich eine letzte Rede als Präsidentin des Bundesrates halten. Ich beginne mit einem Dank an Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, für die gute ...

[Bundesrat - 14.10.2011] Rede von Bundesratspräsidentin Hannelore Kraft zum Abschluss ihrer Präsidentschaft


in der 888. Sitzung des Bundesrates am 14. Oktober 2011 Liebe Kolleginnen und Kollegen, zu Beginn darf ich eine letzte Rede als Präsidentin des Bundesrates halten.

Ich beginne mit einem Dank an Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, für die gute Zusammenarbeit im vergangenen Jahr. Ich möchte Dank sagen insbesondere den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Ländern sowie all jenen, die mir im Sekretariat des Bundesrates zur Seite gestanden haben. Die zwölf Monate, in denen ich die Ehre hatte, Präsidentin des Bundesrates zu sein, werde ich dank ihnen in sehr guter Erinnerung behalten. Mein besonderer Dank gilt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Sekretariates. Was ich erlebt habe, war hochprofessionell. Ich danke allen - vom Saaldiener bis zum Direktor. Es war eine phantastische Zeit. Vielen Dank dafür!

Ich glaube, ich spreche für uns alle, wenn ich feststelle: Hinter uns liegen zwölf ziemlich anstrengende, anspruchsvolle und spannende Monate. In dieser Zeit ist viel geschehen. Vieles hat sich verändert bei uns und vor allem in Europa. Das hat unsere Arbeit sehr geprägt.

Ich denke vor allem an unsere enormen Anstrengungen zur Stabilisierung unserer gemeinsamen Währung, die uns seit Monaten in Atem halten und uns wohl noch weiter intensiv beschäftigen werden.

Ich denke an die intensiven und kontroversen Beratungen über die künftige Energie- und Klimaschutzpolitik nach der Katastrophe von Fukushima. An der japanischen Küste wurde im März in erschreckender Weise deutlich, wie schnell aus einem abstrakten Restrisiko realer Schaden für Mensch und Umwelt werden kann. Fukushima hat auch die Bundesregierung zum Konsens über den Atomausstieg gebracht. Der Bundesrat hat unter Hochdruck noch vor der Sommerpause das entsprechende Gesetzespaket der Bundesregierung verhandelt. Mein Fazit unserer Arbeit lautet: Wir in diesem Haus haben wesentlich dazu beigetragen, dass im Atomgesetz die stufenweise unumkehrbare Beendigung der Kernenergie mit einem genauen Abschaltdatum für jedes einzelne Kraftwerk nun festgeschrieben ist. Das ist ein wichtiger Erfolg des Föderalismus.

Ein drittes Beispiel ist die Novellierung der Hartz-IV-Gesetze. Auch dieser Prozess mit gleich zwei Vermittlungsverfahren und einer Sondersitzung des Bundesrates war außerordentlich schwierig. Aber am Ende stand ein Kompromiss. Mit ihm wurde der ursprüngliche Gesetzesbeschluss des Bundestages im Interesse der Kinder und Jugendlichen aus hilfebedürftigen Familien nachgebessert. Viele - auch ich - hätten sich noch mehr Bewegung gewünscht. Immerhin sind wir dem Ziel, künftig kein Kind mehr zurückzulassen, ein kleines bisschen näher gekommen.

Dieses Ziel zu verfolgen bleibt herausragende Aufgabe der Kommunen, der Länder und des Bundes. Denn nur, wenn wir uns intensiver und vor allem frühzeitiger und wirksamer um unsere Kinder und jungen Menschen kümmern, können wir die Zukunftsfähigkeit unseres Landes sichern. Das betrifft nicht nur den Bereich Bildung, sondern auch die Erfordernisse auf der Ebene der Kommunen, die - auch finanziell - in den Stand versetzt werden müssen, vorbeugend Strukturen leichter aufzubauen.

Besonders wichtig ist mir in diesem Zusammenhang, dass es wieder einmal die Länder waren - oder sein mussten -, die den Bund dazu bewegt haben, die Kommunen schrittweise bei den Kosten für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung zu entlasten. Das ist eine gute Nachricht für alle Kommunen in Deutschland. Mit Blick auf ihre schwierige Finanzsituation ist es wichtig, dass wir hier ein gutes Stück vorangekommen sind, wenn auch noch nicht weit genug.

Die Länder müssen sich im Bundesrat - das sagte ich zu Beginn meiner Präsidentschaft - noch stärker zum Sprachrohr der Kommunen machen, insbesondere wenn der Bund Aufgaben auf diese, aber auch auf die Länder verlagert und dabei die entsprechende Finanzausstattung nicht mitliefert. Wir in Nordrhein-Westfalen haben ein sogenanntes Konnexitätsgesetz; ich weiß, in anderen Bundesländern ist das auch der Fall. Ich mache keinen Hehl daraus: Ich würde mir ein solches Gesetz manchmal auch im Verhältnis zwischen dem Bund und den Ländern sowie Kommunen wünschen.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, im ablaufenden Jahr hat der Bundesrat an vielen Stellen gezeigt, dass der Föderalismus funktioniert und wie notwendig es ist, dass die Länder an der Gesetzgebung beteiligt werden. Der Bundesrat ist ein starker Motor, der unser Land nach vorne bewegt. Es sind häufig die Länder, die mit ihrer Sachkenntnis passgenauere, bessere Lösungen erst möglich machen - zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger. Denn darum geht es: Bei der Politik muss der Mensch im Mittelpunkt stehen, nicht tagesaktuelle Umfragen oder reine Machtinteressen. So müssen und können wir immer wieder unter Beweis stellen, dass die parlamentarische Demokratie die beste politische Ordnung ist.

Die erste Voraussetzung dafür ist, dass wir Politik besser erläutern. Wir dürfen die Menschen mit ihren Fragen und Sorgen nicht allein lassen. Wir müssen ihnen größere Einblicke in unsere Entscheidungsprozesse und Handlungsspielräume geben, schon weil unsere Themen, wie man anhand der Tagesordnung und der Strichdrucksachen immer wieder sehen kann, sehr komplex sind. Wir müssen die Fenster zur Politik ein großes Stück weiter aufmachen, auch die Fenster des Bundesrates. Ein solches Fenster - wenn auch nur auf Displaygröße - ist die neue Bundesrats-App, die im Laufe dieses Jahres entwickelt worden ist. Sie wird - davon bin ich überzeugt - zu mehr Transparenz der Politik in Deutschland beitragen.

Eine zweite Voraussetzung für die Vitalisierung unserer Demokratie lautet: Wir müssen aus Betroffenen stärker, schneller und besser Beteiligte machen. Wir wollen, dass die Menschen Entscheidungen nicht nur erdulden, sondern sie aktiv mitgestalten.

Meine Damen und Herren, wir wollen mehr Demokratie wagen. Was heißt dieser mehr als 40 Jahre alte Satz von Willy Brandt für uns? Was können und müssen wir heute tun, um unsere Demokratie auf Dauer attraktiver zu machen? Mit diesen und anderen Fragen konnte ich mich im Rahmen des Bonner Zukunftsforums Föderalismus im September mit mehr als 40 Experten in einer sehr spannenden Diskussion auseinandersetzen. Die Beiträge haben mich in der Überzeugung bestärkt, dass sich Politik mehr öffnen muss, dass wir sie besser erklären müssen, damit sie verstanden und akzeptiert wird. Wir müssen mehr Beteiligung möglich machen. Aktive Bürgerbeteiligung kann die bewährten Verfahren der repräsentativen Demokratie nicht ersetzen, sie aber sinnvoll ergänzen und vitalisieren. Es würde mich freuen, lieber Herr Kollege Seehofer, wenn Sie diese Veranstaltung, die sehr interessante Inhalte hervorgebracht hat, in Ihrer Präsidentschaft fortsetzten.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, in der öffentlichen Wahrnehmung gewiss unterschätzt wird häufig die außenpolitische Rolle des Bundesrates. Dass er sie ausfüllt und dass Außenpolitik kein Privileg von Bundesregierung und Bundestag ist, steht einem föderal organisierten Staat wie der Bundesrepublik Deutschland nicht nur gut zu Gesicht, es kann und sollte gar nicht anders sein.

Ich hatte in den vergangenen zwölf Monaten mehrmals die Möglichkeit, die Beziehungen des Bundesrates und der Länder zu unseren Nachbarn und Partnern in Europa, auf dem amerikanischen Kontinent und im Nahen Osten zu pflegen. Von dort habe ich nicht nur interessante Eindrücke, sondern auch manches gute Beispiel dafür mitgenommen, was wir bei uns in den Ländern anders und besser machen könnten. So können uns die wertvollen Erfahrungen einer umfassenden Politik der Vorbeugung, die ich im September in Kanada aus nächster Nähe miterlebt habe, dabei helfen, in unserem Land eine erfolgreichere Politik für Familien und Kinder, aber auch für die Sicherung unserer wirtschaftlichen Perspektiven zu gestalten; ich nenne nur das Stichwort "Fachkräftemangel". Letztlich habe ich dort auch gelernt, wie man darüber Ausgabestrukturen verändern und Ausgaben dauerhaft senken kann. Die Gespräche mit meinen kanadischen Kollegen und Kolleginnen waren spannender Beweis dafür, wie sehr sich regelmäßiger Austausch zwischen föderal organisierten Staaten und uns - den Ländern und dem Bundesrat - lohnt.

Meine Damen und Herren, es war bei allen intensiven Begegnungen spannend zu hören, wie ähnlich die Herausforderungen, die dort zu gewärtigen sind, den unseren sind und wie sehr unsere Partner an einer intensiveren Zusammenarbeit mit dem Bundesrat interessiert sind. Es war mir immer wieder eine Freude und eine Bereicherung, hochrangige Staatsgäste bei ihrem Besuch in Deutschland in unser aller Namen empfangen zu dürfen.

Auch Sie, lieber Herr Kollege Seehofer, werden gewiss die Erfahrung machen, dass die Aufgabe der Bundesratspräsidentschaft einen ganz anderen Zuschnitt hat als die eines Ministerpräsidenten. Ich hoffe, Sie können das noch mehr genießen als ich; denn das Amt der Ministerpräsidentin einer Minderheitsregierung hielt besondere Anforderungen an mich bereit, und die gleichzeitige Präsidentschaft des Bundesrates war zumindest in den ersten Wochen und Monaten nicht einfach. Ich gebe dieses Amt mit etwas Wehmut in Ihre Hände und wünsche Ihnen, dass auch Sie eine Fülle von bereichernden Gesprächen und persönlichen Begegnungen erleben. Ich wünsche der neuen Präsidentschaft und uns, dem Bundesrat, alles Gute und eine glückliche Hand bei unserer wichtigen Arbeit zum Wohle unseres Landes, seiner Bürgerinnen und Bürger. - Vielen Dank.


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