RÖSLER-Interview für "Focus online (08.11.2011)

  • Pressemitteilung der Firma FDP, 08.11.2011
Pressemitteilung vom: 08.11.2011 von der Firma FDP aus Berlin

Kurzfassung: Berlin. Der FDP-Bundesvorsitzende und Bundeswirtschaftsminister, DR. PHILIPP RÖSLER, gab "Focus online" heute das folgende Interview. Die Fragen stellte MARTINA FIETZ: Frage: Die Koalition hat sich auf eine Steuerreform verständigt, die Ihren ...

[FDP - 08.11.2011] RÖSLER-Interview für "Focus online" (08.11.2011)


Berlin. Der FDP-Bundesvorsitzende und Bundeswirtschaftsminister, DR. PHILIPP RÖSLER, gab "Focus online" heute das folgende Interview. Die Fragen stellte MARTINA FIETZ:

Frage: Die Koalition hat sich auf eine Steuerreform verständigt, die Ihren Vorstellungen entspricht. Haben Sie jetzt geliefert? Reicht das Resultat, um Handlungsfähigkeit der FDP-Führung zu demonstrieren?

RÖSLER: Wir haben ein hervorragendes Ergebnis erzielt. Nicht nur bei den Steuern stimmt die Richtung. Wir schaffen mehr Steuergerechtigkeit, indem wir der kalten Progression den Kampf angesagt haben. Aber auch in einem anderen Punkt haben wir uns durchgesetzt: Wir haben einen Durchbruch für eine gesteuerte Zuwanderung erreicht, wie sie die FDP immer gefordert hat. Die Zuwanderung qualifizierter Fachkräfte wird deutlich erleichtert. Die Gehaltsschwelle für die unbefristete Niederlassungserlaubnis wird von 66.000 Euro auf 48.000 Euro abgesenkt. Das stärkt den Wirtschaftsstandort Deutschland.

Frage: Das, was Sie verabredet haben, wird dem einzelnen Steuerzahler nicht viel mehr Geld in der Tasche lassen. Ist damit Ihr Versprechen, ein niedrigeres und einfacheres Steuersystem zu schaffen schon eingelöst?

RÖSLER: Wir haben immer auch von einem gerechten Steuersystem gesprochen. Hier ist uns ein entscheidender Schritt gelungen. Denn bei unseren Beschlüssen geht es ja nicht nur um eine einmalige Aktion gegen die kalte Progression. Der Finanzminister und ich haben vereinbart, dass wir alle zwei Jahre einen Bericht zur Entwicklung der Steuerprogression vorlegen. Das bedeutet: Gibt es eine Schieflage, muss nachgesteuert werden.

Frage: Muss aber noch durch den Bundesrat. Wie sicher sind Sie, dass das klappt?

RÖSLER: Ich gehe davon aus, dass die Länder bei der Anhebung des Grundfreibetrags zur Sicherung des Existenzminimums mitziehen. Es ist ein üblicher Reflex, dass die Opposition erst einmal dagegen ist. Beim näheren Hinsehen wird auch die SPD erkennen, dass es sich beim Grundfreibetrag um ein verfassungsrechtliches Gebot handelt. Beim zweiten Bereich, dem Inflationsausgleich, übernimmt der Bund die Kosten zu hundert Prozent. Deshalb gibt es kein sachliches oder fachliches Argument, warum die Länder dagegen sein könnten. Parteitaktik ist gerade bei der Steuergerechtigkeit fehl am Platz. Das müssen die Länder wissen.

Frage: Nun haben Sie also bei den Steuern geliefert. Was kommt jetzt?

RÖSLER: Wir haben ja auch noch in anderen Punkten vorzeigbare Ergebnisse. Die Zuwanderung von Fachkräften habe ich genannt. Auch bei der Pflegreform haben wir mit der privaten Zusatzvorsorge eine gute Lösung gefunden. Außerdem haben wir Investitionen in die Infrastruktur auf den Weg gebracht. Die sind gerade in wirtschaftlich schwierigeren Zeiten wichtig ...

Frage: Also hat Ihr Parteifreund Kubicki nicht Recht, wenn er beklagt, die FDP-Minister setzten in der Koalition zu wenig durch?

RÖSLER: Wolfgang Kubicki hätte einen Tag warten sollen. Dann hätte er seine Aussage sicher überdacht. Ich halte die Aussage auch nicht für gerechtfertigt. Nehmen Sie das Beispiel Griechenland: Als Wirtschaftsminister habe ich Athen besucht. Bei meiner Reise ging es darum, wie Griechenland wettbewerbsfähig wird. Das ist auch langfristig der einzige Weg aus der Krise. Und ich habe frühzeitig den Vorschlag für ein geordnetes Insolvenzverfahren gemacht. Von vielen bin ich dafür heftig kritisiert worden. Die führenden Ökonomen haben meinen Vorstoß hingegen begrüßt. Zurecht, wie sich aktuell zeigt.

Frage: Haben Sie CSU-Chef Seehofer beim Thema Steuern ins Boot holen können, weil Sie im Gegenzug das Betreuungsgeld akzeptiert haben, das die CSU unbedingt wollte?

RÖSLER: Das Betreuungsgeld ist keine urliberale Position, das ist klar. Aber es ist auf Betreiben der CSU schon 2009 Bestandteil des Koalitionsvertrags geworden. Im Gegenzug haben wir Liberalen beim aktuellen Koalitionsgipfel darauf hingewiesen, dass zum gesellschaftlichen Fortschritt die steuerliche Gleichstellung von eingetragenen gleichgeschlechtlichen Partnerschaften gehört. Wir erwarten in den kommenden Monaten dazu ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Sobald das Urteil vorliegt, werden wir es eins zu eins umsetzen. Darauf haben wir uns in der Koalition geeinigt. Das ist eine hervorragende Nachricht.

Frage: Das kann bedeuten, es kommt etwa beim Ehegattensplitting zu einer Gleichstellung von Ehe und eingetragenen Partnerschaften...

RÖSLER: Das entscheidet jetzt das Bundesverfassungsgericht. Bei der Umsetzung wird es aber keine Verzögerung geben.

Frage: Mit dieser Woche beginnt der Mitgliederentscheid der FDP zur Europapolitik. Wie wollen Sie erreichen, dass sich die Mehrheit der Partei nicht hinter den Europa-Skeptikern versammeln, die den dauerhaften Rettungsschirm ESM ablehnen?

RÖSLER: Ich habe gegen allen Widerstand frühzeitig eine Insolvenzordnung für den Euro-Raum gefordert und Details dazu als Wirtschaftsminister auch vorgelegt. Teile dieser Insolvenzordnung - etwa die Gläubigerbeteiligung - sind umgesetzt in der EFSF, also dem aktuellen Stabilitätsmechanismus, und werden noch weiter ausgebaut im ESM. Dort sind dann auch die Bedingungen erfüllt, die im Antrag des Parteivorstands als Voraussetzung für einen Stabilitätspakt II erhoben werden. Das bedeutet: Wer ein stabiles Europa mit einer klaren Insolvenzordnung will, muss akzeptieren, dass EFSF und ESM Schritte in die richtige Richtung sind.

Frage: Der theoretischen Ausgestaltung der Rettungsschirme muss noch die praktische Umsetzung folgen. Können Sie die Skepsis Ihrer Parteimitglieder und weiter Teile der Bevölkerung verstehen?

RÖSLER: Viele Menschen in Deutschland, gerade auch in meiner Partei, wollen sich über die Zusammenhänge informieren. Der Mitgliederentscheid ist darum auch eine Chance. Wir führen dazu rund 200 Veranstaltungen durch. Dabei haben wir gute Argumente auf unserer Seite: Wir haben früh die Entwicklung hin zu einer Stabilitätsunion gefordert, ebenso die Schuldenbremse, die Insolvenzordnung. All das wird auf europäischer Ebene nun umgesetzt. Vielleicht ging es nicht immer so schnell, wie ich mir das erhofft hatte. Vom Grundsatz her aber haben wir in der FDP-Führung die Richtung maßgeblich mit vorgegeben. Nun muss es weitergehen.

Frage: Was heißt das?

RÖSLER: Wir brauchen schnellstmöglich Veränderungen der europäischen Verträge. Ohne Vertragsänderungen werden wir Europa nicht stabil ausgestalten können. Das ist das nächste große Thema, für das ich als Parteivorsitzender werben werde. Die Zukunft Europas wird auch auf dem Parteitag am kommenden Wochenende eine zentrale Rolle spielen.

Frage: Sie werden einiges an Skepsis ausräumen müssen, denn offensichtlich funktioniert das EFSF-Modell nicht, wonach international Investoren beteiligt werden sollen.

RÖSLER: Die genaue Ausgestaltung der EFSF liegt noch nicht vor. Es ist zwar vereinbart, eine Zweckgesellschaft zu gründen. Doch die Konstruktion dafür steht noch nicht im Detail fest. Wie soll aber ein Investor sich für ein solches Modell entscheiden und Milliarden investieren, wenn er die genauen Grundlagen noch nicht kennt?

Frage: Also sehen Sie als Ursache für die Zögerlichkeit, etwa von China, in den EFSF zu investieren, dass Brüssel noch an der Konstruktion bastelt?

RÖSLER: Alle wirtschaftlich starken Nationen haben großes Interesse an einem stabilen Euro. Deshalb mache ich mir keine Sorgen, dass sich Investoren finden werden. Es wird allerdings nun höchste Zeit, dass Brüssel die Ausgestaltung der EFSF auf den Tisch legt.

Frage: Zur Innenpolitik. Die CDU plant, Lohnuntergrenzen für die Bereiche, für die es keine Tarifbindung gibt. Von flächendeckendem Mindestlohn ist da nicht die Rede. Wo liegt Ihr Problem?

RÖSLER: Wir werden uns genau anschauen, was die CDU auf ihrem Leipziger Parteitag beschließt. Um es aber klar zu sagen: Das, was derzeit in der CDU diskutiert wird, ist für uns nicht akzeptabel. Es läuft de facto auf einen flächendeckenden, vom Staat festgelegten Mindestlohn hinaus. Wir bleiben bei unserem Grundprinzip: Der Staat darf nicht die Löhne festlegen. Egal, wie die Union es nennt - momentan läuft sie in die falsche Richtung.

Frage: Wie schwierig ist es für die FDP, mit einem Koalitionspartner zusammenzuarbeiten, der sich immer wieder SPD-Positionen annähert?

RÖSLER: Die aktuelle Diskussion zeigt einmal mehr, wie wichtig es ist, dass es in einer Koalition eine Partei gibt, die konsequent für die soziale Marktwirtschaft eintritt. Die FDP ist das notwendige Korrektiv, das die CDU in der Mitte hält. Das haben wir bei den Eurobonds gesehen, bei den Goldreserven, und wir werden es auch beim Mindestlohn erleben.

Frage: Haben Sie sich bei Ihrer Wahl im Mai vorstellen können, dass das Amt des Parteivorsitzenden derart schwierig würde?

RÖSLER: Ich habe mir keine Illusionen gemacht. Dass 2011 schwierig würde, war klar. Ich gebe allerdings zu, es persönlich zu erleben ist etwas anderes.

Frage: Nun heißt es schon, sollte die Schleswig-Holstein-Wahl im Frühjahr verloren gehen, gäbe es eine neue Führungsdebatte...

RÖSLER: Das beunruhigt mich nicht. Gerade in schwierigen Situationen kommt es auf Mut und Standfestigkeit an.

Frage: Verletzt es persönlich, wenn es jetzt aus der Partei heraus heißt, die schlechte Lage liege in der Jugend und Unerfahrenheit der Führung begründet?

RÖSLER: Solche Einwände sind mir nicht fremd. Ich war meistens der Jüngste in den Ämtern, die ich übernommen habe. Am Ende ist entscheidend, dass es gelingt, die FDP wieder nach vorne zu bringen.

Frage: Wie sieht dieses Konzept aus?

RÖSLER: Die Bürger erwarten zu Recht, dass sie sich auf uns als ordnungspolitische und der Freiheit verpflichtete Kraft verlassen können. In kritischen Situationen ist Deutschland immer gut gefahren, wenn die FDP mitregierte. Ich setze dabei auf unsere klare marktwirtschaftliche Orientierung. Das ist gerade in Zeiten wichtig, in denen es um so wichtige Fragen wie die Zukunft unserer Währung und die europäischen Zusammenarbeit geht.

Frage: Auf dem Parteitag am Wochenende soll auch über Bildung diskutiert werden. Wird das Thema nicht in den Hintergrund gedrängt angesichts der Eurokrise?

RÖSLER: Die FDP hat schon immer gekämpft für eine bessere Durchlässigkeit zwischen den Schulformen. Genauso setzen wir uns nun ein für die Durchlässigkeit zwischen den Bundesländern. Wir müssen gemeinsam mit den Ländern Instrumente schaffen, dass der Wechsel von einem Bundesland zum anderen besser funktioniert. Es kann nicht sein, dass beim Umzug einer Familie die Schulfrage zum größten Problem wird. Bildung ist das Mega-Thema in unserer globalen Welt.

Frage: Wie sollen solche Instrumente aussehen?

RÖSLER: Die Kultusministerkonferenz, also die Länder selber, sollten untereinander Standards festlegen, was in einem bestimmten Jahrgang gelernt werden muss. Die Schüler müssen von einem Bundesland zum anderen wechseln können, ohne dass sie Gefahr laufen, plötzlich vor einer neuen Fremdsprache zu stehen, mit der am neuen Wohnort schon viel früher begonnen wurde...

Frage: Also fordern Sie bundeseinheitliche Lehrpläne?

RÖSLER: Nein, das muss nicht sein. Es geht um Grundstrukturen: Mit welchen Fremdsprachen wird begonnen? Was muss ein Schüler in einem bestimmten Jahrgang beherrschen? Wie ist die Anerkennung bestimmter Abschlüsse? Wie das im Einzelnen dann vermittelt wird, ist Sache der Länder.


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Eine Geschichte als Herausforderung.
Der Liberalismus begann seinen historischen Weg als Philosophie der Freiheit und als politische Bewegung für die Rechte des Einzelnen. Die Willkürherrschaft des Absolutismus stand im Widerspruch zur Idee einer freiheitlichen Gesellschaft. Mit dem Verfassungsstaat hat der Liberalismus den Absolutismus überwunden.
Als erste politische Bewegung hat der Liberalismus dem einzelnen Bürger, seiner menschlichen Würde und seinen Menschenrechten der Freiheit und Gleichheit Vorrang vor der Macht des Staates eingeräumt. Schritt für Schritt verwirklichten Liberale den modernen Verfassungsstaat mit individuellen Grundrechten, der freien Entfaltung der Persönlichkeit, dem Schutz von Minderheiten, der Gewaltenteilung und der Rechtsbindung staatlicher Gewalt.

Der Liberalismus hat als Freiheitsbewegung nicht nur für die Gleichheit vor dem Gesetz gekämpft, sondern auch für Chancengleichheit in der Gesellschaft. Mit der Marktwirtschaft und ihrer sozialen Verpflichtung hat der Liberalismus neue Chancen gegen Existenznot und konservative Erstarrung der gesellschaftlichen Strukturen eröffnet.

Die liberale Verfassung unserer Bundesrepublik Deutschland hat mehr demokratische Stabilität, mehr allgemeinen Wohlstand, mehr soziale Gerechtigkeit und Rechtsstaatlichkeit hervorgebracht, als dies je zuvor in der Geschichte der Fall gewesen ist. Und dennoch ist die Idee der Freiheit den schleichenden Gefahren der Gewöhnung und Geringschätzung ausgesetzt. Weniger Teilhabe am demokratischen Staat, weniger Chancen für ein selbstbestimmtes Leben durch weniger Chancen auf einen sicheren Arbeitsplatz, Entmündigungen durch kollektive Zwangssysteme und bevormundende Bürokratie sind neue Bedrohungen der Freiheit.

Liberale haben nach 1945 der Idee der Freiheit zum erneuten Durchbruch verholfen. Die FDP war stets der Motor für Reformen, wenn es um Richtungsentscheidungen zugunsten der Freiheit ging. Nur durch die FDP konnte in den fünfziger Jahren die Soziale Marktwirtschaft gegen die Sozialdemokraten und Teile der Christdemokraten durchgesetzt werden. Nur durch die FDP konnte sich in den siebziger Jahren mehr Bürgerfreiheit gegen konservative Rechts- und Gesellschaftspolitik durchsetzen. Die Liberalen waren Vorreiter für die Demokratisierung und Liberalisierung der Gesellschaft, gegen obrigkeits- staatliche Bevormundung und Engstirnigkeit. Unsere Politik der marktwirtschaftlichen Erneuerung in den achtziger Jahren brachte neue Arbeitsplätze und mehr Wohlstand für mehr Bürger.

Ein großer Teil des Widerstands gegen das sozialistische Staatswesen erwuchs aus der Attraktivität des freiheitlich-liberalen Gesellschafts- und Wirtschaftssystems. Das in den europäischen Integrationsprozeß eingebettete, vereinte Deutschland ist das freiheitlichste unserer Geschichte.

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