Bundesgerichtshof verneint Anrechnung von Bestandsprovisionen nach dem Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz ('Phoenix')

  • Pressemitteilung der Firma Bundesgerichtshof (BGH), 16.11.2011
Pressemitteilung vom: 16.11.2011 von der Firma Bundesgerichtshof (BGH) aus Karlsruhe

Kurzfassung: Der für das Bank- und Börsenrecht zuständige XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass sich ein Kapitalanleger im Falle der Insolvenz eines Wertpapierhandelsunternehmens von der Entschädigungseinrichtung der ...

[Bundesgerichtshof (BGH) - 16.11.2011] Bundesgerichtshof verneint Anrechnung von Bestandsprovisionen nach dem Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz ("Phoenix")


Der für das Bank- und Börsenrecht zuständige XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass sich ein Kapitalanleger im Falle der Insolvenz eines Wertpapierhandelsunternehmens von der Entschädigungseinrichtung der Wertpapierhandelsunternehmen keine Provisionsansprüche des Wertpapierhandelsunternehmens entgegenhalten lassen muss, wenn dieses die Ansprüche nach dem Rechtsgedanken des § 654 BGB verwirkt hat.

In dem zugrunde liegenden Fall nimmt die Klägerin die beklagte Entschädigungseinrichtung der Wertpapierhandelsunternehmen auf Entschädigung nach dem Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz in Anspruch. Die Klägerin beteiligte sich im April 1998 und Februar 2002 mit einem Anlagebetrag von insgesamt 27.295,41 € einschließlich Agio an dem Phoenix Managed Account, einer von der Phoenix Kapitaldienst GmbH im eigenen Namen und für gemeinsame Rechnung von insgesamt ca. 30.000 Anlegern verwalteten Kollektivanlage, deren Gegenstand die Anlage der Kundengelder in Termingeschäften (Futures und Optionen) für gemeinsame Rechnung zu Spekulationszwecken war. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Phoenix Kapitaldienst GmbH sahen unter anderem vor, dass ihr eine Verwaltungsgebühr von 0,5% pro Monat von dem jeweiligen Vermögensstand des Phoenix Managed Account als Bestandsprovision zustehen sollte. Spätestens seit 1998 legte die Phoenix Kapitaldienst GmbH jedoch nur noch einen geringen Teil der von ihren Kunden vereinnahmten Geldern vertragsgemäß in Termingeschäften an. Ein Großteil der Gelder wurde im Wege eines "Schneeballsystems" für Zahlungen an Altanleger und für die laufenden Geschäfts- und Betriebskosten verwendet. Im März 2005 untersagte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen der Phoenix Kapitaldienst GmbH den weiteren Geschäftsbetrieb und stellte am 15. März 2005 den Entschädigungsfall fest. Am 1. Juli 2005 wurde über das Vermögen der Phoenix Kapitaldienst GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet. Auf den von der Entschädigungseinrichtung - nach Abzug von Agio, Handelsverlust und Bestandsprovisionen - errechneten "Endstand der Beteiligung" der Klägerin von 21.618,45 € leistete sie im Jahr 2009 eine Teilentschädigung von 12.732,75 € und behielt den Restbetrag wegen möglicher Aussonderungsrechte der Klägerin an den auf den (Treuhand-)Konten noch vorhandenen Geldern ein. Mit der Klage hat die Klägerin von der Beklagten nach Abzug des gesetzlichen Selbstbehalts von 10% eine restliche Entschädigungsleistung von 6.723,86 € verlangt.

Das Landgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Kammergericht der Klägerin den Zahlungsanspruch nur in Höhe von 3.384,17 €, d.h. in Höhe von 90% der abgezogenen Bestandsprovisionen, zugesprochen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Nachdem die Beklagte aufgrund eines Schreibens vom 18. Juli 2011 der Klägerin eine weitere Teilentschädigung von 6.723,86 € gezahlt hat, hat die Klägerin den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Da sich die Beklagte der Erledigungserklärung nicht angeschlossen hat, kam es weiterhin darauf an, ob die Klage ursprünglich begründet war.

Der Bundesgerichtshof hat die Revision der Beklagten zurückgewiesen; auf die Anschlussrevision der Klägerin hat er unter Aufhebung des Berufungsurteils und Abänderung des landgerichtlichen Urteils festgestellt, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist. Er hat die Auffassung des Kammergerichts bestätigt, nach der sich die Klägerin die vertraglich vereinbarten Bestandsprovisionen nicht anrechnen lassen muss. Dabei handelt es sich nämlich um eigenständige Ansprüche des Wertpapierhandelsunternehmens, die nicht bereits bei der Feststellung der Höhe und des Umfangs der Verbindlichkeiten aus Wertpapiergeschäften i. S. d. § 1 Abs. 4 Satz 1 des Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetzes* (EAEG) zu berücksichtigen sind, sondern dem Anleger nur nach § 4 Abs. 1 Satz 1 EAEG** im Wege der Aufrechnung entgegengehalten werden können. Dies ist vorliegend jedoch ausgeschlossen, weil die Phoenix Kapitaldienst GmbH aufgrund ihres grob vertragswidrigen Verhaltens ihren Provisionsanspruch nach dem Rechtsgedanken des § 654 BGB verwirkt hat. Demgegenüber hatte die Anschlussrevision der Klägerin mit dem geänderten Antrag in vollem Umfang Erfolg. In Anknüpfung an die Urteile vom 20. September 2011 (XI ZR 434/10, XI ZR 435/10 und XI ZR 436/10, siehe hierzu Presseerklärung Nr. 142/2011) hat der Bundesgerichtshof den von der Klägerin geltend gemachten Entschädigungsanspruch dem Grunde und der Höhe nach als begründet, insbesondere auch als fällig angesehen.

Urteil vom 25. Oktober 2011 - XI ZR 67/11

LG Berlin - Urteil vom 06. April 2010 - 2 O 657/09

KG Berlin - Urteil vom 25. Januar 2011 - 9 U 117/10

Karlsruhe, den 16. November 2011

*§ 1 Abs. 4 Satz 1 des Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungs-gesetzes lautet:

Verbindlichkeiten aus Wertpapiergeschäften im Sinne dieses Gesetzes sind die Verpflichtungen eines Instituts zur Rückzahlung von Geldern, die Anlegern aus Wertpapiergeschäften geschuldet werden oder gehören und die für deren Rechnung im Zusammenhang mit Wertpapiergeschäften gehalten werden.

**§ 4 Abs. 1 Satz 1 des Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungs-gesetzes lautet:

Der Entschädigungsanspruch des Gläubigers des Instituts richtet sich nach Höhe und Umfang der Einlagen des Gläubigers oder der ihm gegenüber bestehenden Verbindlichkeiten aus Wertpapiergeschäften unter Berücksichtigung etwaiger Aufrechnungs- und Zurückbehaltungsrechte des Instituts.


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