HENKEL/LINDNER - Streitgespräch für den "Focus (28.11.2011)

  • Pressemitteilung der Firma FDP, 28.11.2011
Pressemitteilung vom: 28.11.2011 von der Firma FDP aus Berlin

Kurzfassung: Berlin. Der frühere BDI-Präsident HANS-OLAF HENKEL und der FDP-Generalsekretär CHRISTIAN LINDNER im Streitgespräch für den "Focus" (aktuelle Ausgabe). Die Fragen stellten OLAF OPITZ und FRANK THEWES: Frage: Herr Henkel, Sie haben aufgerufen in ...

[FDP - 28.11.2011] HENKEL/LINDNER - Streitgespräch für den "Focus" (28.11.2011)


Berlin. Der frühere BDI-Präsident HANS-OLAF HENKEL und der FDP-Generalsekretär CHRISTIAN LINDNER im Streitgespräch für den "Focus" (aktuelle Ausgabe). Die Fragen stellten OLAF OPITZ und FRANK THEWES:

Frage: Herr Henkel, Sie haben aufgerufen in die FDP einzutreten, um gegen den ESM zu stimmen. Sind Sie schon Mitglied?

HENKEL: (lacht) Ne, ne, ich bin nicht der Typ, der sich in einer politischen Partei wohlfühlt. Mein Einsatz für eine alternative Euro-Rettungspolitik ist derzeit besser von außen, denn ich will auch auf andere Parteien Einfluss nehmen.

Frage: Herr Henkel tritt für einen klaren Schnitt ein, will die Aufspaltung in einen Nordeuro mit Deutschland und einen Südeuro mit Frankreich. Würden Sie den Rebellen Henkel denn aufnehmen, Herr Lindner?

LINDNER: Alle freiheitsliebenden Menschen sind uns willkommen. Die Vorschläge von Herrn Henkel sind aber Dynamit. Als Exportnation profitieren wir vom Euro. Ein Zerbrechen der Währungszone hätte zudem katastrophale Verwerfungen in der Wirtschaft zur Folge, die Abwertungsspirale wäre unkontrollierbar. Deutschland und Frankreich zu trennen, diese Vorstellung verstört mich geradezu. Das ist nicht nur geschichtsvergessen. Wer dieses Tandem trennen will, der beschädigt das ganze europäische Projekt.

HENKEL: Das Gegenteil ist richtig. Die gesamte Regierung ignoriert völlig, dass das ursprüngliche Ziel des Euro, Europa zu einigen, grandios verfehlt wird. Der Euro spaltet Europa in Geber- und Nehmerländer. Früher war Deutschland die beliebteste Nation in Griechenland. Heute sind wir dort die am meisten verhasste. Auch der Graben zwischen den 17 Euro-Ländern und den zehn Nicht-Euro-Ländern wird tiefer. Von denen hat nur noch Rumänien Lust auf den Euro.

LINDNER: Ich sehe das als Geburtswehen eines neuen Europas. Deutschland hat erreicht, dass strukturelle Probleme nicht mit billigen Schulden überdeckt werden. Ein liberaler Erfolg. Stattdessen gibt es nun schmerzhafte Lernprozesse. In Griechenland, Italien und Spanien gibt es Reformregierungen. Schuldenbremsen werden in den Verfassungen verankert. Daraus kann eine Stabilitätsunion wachsen. Auch der frühere Stabilitätspakt hätte wirken können, wenn Griechenland nicht aufgenommen und der Pakt nicht von Rot-Grün aufgeweicht worden wäre.

HENKEL: Davon stimmt nur, dass Rot-Grün und andere Regierungen in Europa die Stabilitätskriterien sträflich missachtet haben. Deswegen brauchen wir ein Euro-System, dass nicht abhängig ist von den Versprechungen der Politiker.

LINDNER: Zustimmung – deshalb fordern wir Änderungen der europäischen Verträge. Mit Sanktionen, die politisch nicht hintergangen werden können. Wir können die Defizite der Währungsunion beseitigen, damit Europa ein Faktor auf der Weltbühne bleiben kann.

HENKEL: Nein, das ist ein Trugschluss. Der Euro ist ein gefährlicher Bazillus geworden. Wenn Italien hustet, dann kriegt Deutschland Lungenentzündung. Nicht nur Finanzkrise und Staatsverschuldung, auch der Euro selbst ist Schuld an der Krise. Die griechischen Politiker konnten sich nur deshalb so hoffnungslos verschulden, weil sie dank des Euro plötzlich an niedrige Zinsen kamen. Auch die spanische Immobilienblase wäre mit höheren Zinssätzen nicht entstanden. Alle Länder des Südens – auch Frankreich – haben dramatisch an Wettbewerbsfähigkeit verloren, weil sie wegen des Einheitseuro nicht mehr abwerten konnten. Eine Währung für alle passt nicht zu total unterschiedlichen wirtschaftlichen Kulturen.

LINDNER: Ja, es hat ordnungspolitische Sündenfälle gegeben. Mit denen müssen wir nun leider nachträglich umgehen. Die Ansteckungsgefahren dabei haben Sie ja präzise beschrieben. Wie können Sie aber dann gegen die Brandschutzmauern sein, die wir aufbauen, um notwendige Korrekturen vorzunehmen?

HENKEL: Weil Sie diese gerade selbst eingerissen haben! Die No-Bail-out-Klausel – also das Verbot, für die Schulden anderer Länder aufzukommen - war die entscheidende Brandmauer zwischen dem deutschen Steuerzahler, und den Politikern in anderen Ländern. Der größte Fehler von Bundeskanzlerin Angela Merkel war, dass sie diese Mauer auf Druck von Frankreichs Präsident Nikolas Sarkozy eingerissen hat. Von dieser schiefen Ebene kommen wir schwer wieder herunter. Ich gebe zu: Es gibt keinen Königsweg aus dieser Krise.

Frage: Auch Ihr Vorschlag kostet ehrlicherweise Geld.

HENKEL: Ja, die heiße Luft im Euro-Schuldensystem muss raus. Das bedeutet: Wir müssen Banken rekapitalisieren und einige verstaatlichen. Das gehört aber zu jedem Rettungsvorschlag – zu Ihrem auch, Herr Lindner. Egal, was passiert. Bei der Aufspaltung in zwei Währungszonen, wie ich das vorschlage, müssen wohl weitere Banken verstaatlicht werden. Das wird sich in einem deutlich höheren Schuldenstand, beispielsweise in Frankreich, niederschlagen.

LINDNER: Und wie finanziert sich Frankreich dann am Markt?

HENKEL: Die Frage ist völlig berechtigt. Aber im Augenblick kaufen wir nur Zeit und verschieben damit die Stunde der Wahrheit in die Zukunft.

LINDNER: Nein, wir schätzen den Zeitbedarf der wirtschaftlichen Anpassung nur realistischer ein und wollen Ansteckungsgefahren reduzieren. Wir wollen kontrolliert Druck ablassen. Ihr Ende mit Schrecken wäre eine vorsätzliche Explosion. Die Staatsfinanzierung würde kollabieren. Würden Sie selbst als Anleger in Ihr fragiles Europa investieren? Für Ihre Bankenrettung bekämen die Staaten kein Geld. Verheerungen am Arbeitsmarkt und bei privaten Sparguthaben wären nicht zu verhindern. Wir haben stattdessen diese Brandmauern errichtet. Dahinter werden die privaten Banken sich jetzt an einem Schuldenschnitt beteiligen.

HENKEL: In Deutschland sind diese Banken sowieso meist in öffentlicher Hand. Die Folgen trägt fast ausschließlich der Steuerzahler.

LINDNER: Bedauerlicherweise. Sie wissen, dass die FDP seit Jahr und Tag Landesbanken privatisieren will. Bitte werfen Sie uns nicht mit den sozialdemokratischen Parteien in einen Topf.

HENKEL: Das will ich ja auch nicht.

LINDNER: Sie sollten uns loben. Ohne uns hätte der Bundesfinanzminister den Eurobonds schon längst zugestimmt.

HENKEL: Wir kriegen den Euro-Bond. Er wird nur anders heißen. Stabilitätsbond oder so.

LINDNER: Nicht mit der FDP. Ein Einheitszins für alle Euro-Länder würde ja wieder den Anreiz nehmen, Reformprogramme durchzuziehen.

HENKEL: Die EZB kauft doch jetzt schon laufend Schrottanleihen; wenn Frau Merkel jetzt auch noch Euro-Bonds zustimmt, müssten Sie aus der Regierung raus.

LINDNER: Sie hat das im Bundestag gerade nochmals ausgeschlossen. Notfalls würden wir sie daran erinnern.

Frage: Wenn doch: Wäre Ihnen die Opposition denn nicht lieber, Herr Lindner?

LINDNER: Nein, dann hätten wir keinen Einfluss mehr auf die Gestaltung Europas. Dann gäbe es schnell eine Mehrheit für eine zentralistische Wirtschaftsregierung in Brüssel und Gemeinschaftsschulden in Europa. Wir werden Europa aber nicht denen überlassen, die die Krise verursacht haben.

HENKEL: Es ist doch naiv zu glauben, Sie hätten noch europäischen Einfluss. Das größte Land, das den Euro am meisten gefährden kann, Frankreich, hat die Einführung einer Schuldenbremse angelehnt. Deswegen ist es wichtig, dass sich eine liberale Partei auf die Socken macht und eine Alternative zur Einheits-Euro-Politik entwickelt.

Wenn sich Frank Schäffler durchsetzt, werden Sie dazu gezwungen. Sie können froh sein, wenn er gewinnt. Dann wäre die FDP wieder für diejenigen wählbar, die die Nase voll haben von den Rettungsorgien. Wenn Sie sich durchsetzen, Herr Lindner, ist Ihre Partei endgültig tot. Und dann kommt eine neue.

Frage: In der Sie sich dann engagieren?

HENKEL: Wenn sie liberal, europafreundlich und eurokritisch wäre, bin ich dabei und viele andere sind es auch. Aber wenn die FDP so weitermacht, ist sie erledigt.

LINDNER: Das habe ich schon einmal gehört. Es gab einmal eine Abspaltung der FDP, den Bund Freier Bürger. Der wollte die D-Mark-Partei sein. Darüber ist die Geschichte hinweg gegangen. Wenn die FDP aus der Regierungsverantwortung fliehen würde, wie Sie das empfehlen, dann käme wirklich eine alternative Europa-Politik. Aber nicht die, die Sie sich vorstellen. Sondern Eurobonds, das systematische Anwerfen der Notenpresse zur Staatsfinanzierung, eine zentrale gelenkte Wirtschaftspolitik aus Brüssel. Schauen sie doch einmal, was außerhalb Deutschlands gedacht wird und was in den Programmen von SPD und Grünen steht.

HENKEL: Sie versuchen mit allen Mitteln, den Schäffler-Antrag zu diskreditieren. Euro-Kritiker als schlechte Europäer darzustellen oder gar als populistisch ist aber nicht fair.

LINDNER: Ich unterstreiche, dass eine populäre Argumentation nicht immer richtig sein muss.

HENKEL: Ich habe nie in meinem Leben etwas gesagt, nur weil es populär war. Aber wenn Sie den FDP-Mitgliederentscheid verlieren, müssten Sie zurücktreten, um einer anderen Führung Platz zu machen. Was raten Sie dann eigentlich Ihren Bundestagsabgeordneten?

LINDNER: Ich spekuliere nicht über einen Ausgang, den ich verhindern will. Rainer Brüderle hat wiederholt darauf hingewiesen, dass es kein imperatives Mandat gibt. Dafür ist Frank Schäffler das beste Beispiel, weil er im Bundestag gegen Beschlüsse gestimmt hat, die Parteitage mit großer Mehrheit gefasst hatten. Der Mitgliederentscheid fließt aber natürlich mit Gewicht in die persönliche Entscheidungsfindung ein.

Frage: Aber kann Ihr Parteichef, der kein Mandat als Abgeordneter hat, weiter einer Regierung angehören, wenn diese einen anderen Kurs verfolgt als die Mehrheit der FDP-Mitglieder?

LINDNER: Philipp Rösler hat den Eid geschworen, dass er Schaden vom deutschen Volk abwenden wird. Wir retten doch nicht die Griechen – wir sichern deutsche Arbeitsplätze und deutsche Spareinlagen. Wir wollen Europa auf eine tragfähige Grundlage stellen, weil wir davon als Deutsche profitieren. Das ist unsere Selbstbehauptung in der Globalisierung. Wir sollten nicht nur vom Preis des Euro sprechen, sondern auch vom Wert des Euro.

HENKEL: Der Euro ist zu schwach für den Norden und zu stark für den Süden. Klar: Deutsche Exporte profitieren kurzfristig von einer schwachen Währung. Aber Konsumenten, Rentner und Sparer zahlen bald dafür die Zeche, später auch die Industrie. Warum begreift der Generalsekretär das nicht? Es würde nicht nur dem Land, es würde auch Ihrer Partei nützen.

LINDNER: Der FDP als Partei kann nichts dauerhaft nützen, was Deutschland und Europa schaden würde.


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