Tarifautonomie: Neuer Ordnungsrahmen nötig

  • Pressemitteilung der Firma Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW Köln), 22.02.2012
Pressemitteilung vom: 22.02.2012 von der Firma Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW Köln) aus Köln

Kurzfassung: Berufsgruppengewerkschaften wie die Fluglotsengewerkschaft, die Pilotengewerkschaft oder die Lokführergewerkschaft seien grundgesetzlich geschützt, so ist es zu hören. Um sie zur Räson zu bringen, müssten vielmehr die großen Gewerkschaften ...

[Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW Köln) - 22.02.2012] Tarifautonomie: Neuer Ordnungsrahmen nötig


Berufsgruppengewerkschaften wie die Fluglotsengewerkschaft, die Pilotengewerkschaft oder die Lokführergewerkschaft seien grundgesetzlich geschützt, so ist es zu hören. Um sie zur Räson zu bringen, müssten vielmehr die großen Gewerkschaften eine bessere Interessenvertretung bieten. Doch so einfach ist die Sache nicht.

Die Lufthansa versucht seit Jahren, die beiden um das Kabinenpersonal konkurrierenden Gewerkschaften Ufo und Ver.di zu einer Abstimmung ihrer Forderungen und zu einer einheitlichen tarifvertraglichen Laufzeit zu bewegen – bislang ohne Erfolg. Warum auch sollte sich Ufo darauf einlassen? Wenn Ver.di abschließt, muss sich Ufo als Spartengewerkschaft für die Kabinenbesatzung profilieren, ja legitimieren. Das geht nur über einen besseren Abschluss.

Damit sind wir auch schon beim Problem konkurrierender Gewerkschaften: Es geht um einen Überbietungswettbewerb. Wer den besseren Abschluss erzielt, ist attraktiver für die Arbeitnehmer oder für eine bestimmte Berufsgruppe. Wer zuerst verhandelt, gerät ins Hintertreffen, weil die Gewerkschaft Angst haben muss, dass sie von der Konkurrentin überboten wird.

Holen die Lotsen ein Lohnplus von 50 Prozent heraus, werden sich die Piloten fragen, wieso sie sich als mächtigere Gruppe mit einstelligen Zuwächsen begnügen sollen. Damit droht ein Aufschaukeln von Forderungen und es drohen mehr Konflikte. Die Sozialpartnerschaft wird auf die Probe gestellt, der hierzulande geübte Konsens – ein wichtiger Standortvorteil – auf Jahre belastet.

Die großen Branchengewerkschaften können sich diesem Sog auf Dauer nicht entziehen. Andernfalls drohen weitere Berufsgruppen mit einer Abspaltung. Die Kosten, um in den Gewerkschaftsmarkt einzutreten, sind hoch. Aber je höher die zu erwartende Rendite, desto größer der Anreiz, diese Kosten zu stemmen. Da nicht alle Berufsgruppen die gleiche betriebswirtschaftliche Schlüsselstellung haben, beginnt die Rosinenpickerei. Und die Spartengewerkschaften suchen sich die Berufsgruppen, die das höchste Streikpotenzial haben. Doch ist es fair, wenn die Löhne nach der faktischen Streikmacht differenziert werden und nicht mehr nach der Leistung der verschiedenen Berufsgruppen?

Sicher bekommt Deutschland keine englischen Verhältnisse mit 400 dauerstreikenden Berufsgewerkschaften. Aber im Verkehrs- und Gesundheitssektor sind die Auswirkungen der Gewerkschaftskonkurrenz deutlich zu spüren. Gerade dort spielt auch die Verhältnismäßigkeit von Arbeitskämpfen eine gravierende Rolle, vor allem mit Blick auf Dritte. Der Schutz der Fluggesellschaften und ihrer Kunden ist auch ein hohes Rechtsgut, ebenso wie die Tarifautonomie. Negative Drittwirkungen sind zu minimieren, die Auswirkungen eines Arbeitskampfes müssen im Verhältnis zu den Forderungen stehen.

Die Gerichte werden dies kaum prüfen können, weil eine Prüfung von Lohnforderungen auf eine Tarifzensur hinauslaufen würde. Also bleibt nur der Gesetzgeber. Er muss Spielregeln definieren. Im Kern geht es um Fairness. Der lohnpolitische Verteilungsspielraum ist nicht beliebig. Was die mächtigste Gruppe bekommt, wird der schwächsten vorenthalten. Das ist das Ende der solidarischen Lohnpolitik.


Dr. Hagen Lesch
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