Bahrain: Hunderte nach unfairen Prozessen verurteilt

  • Pressemitteilung der Firma Human Rights Watch Deutschland, 28.02.2012
Pressemitteilung vom: 28.02.2012 von der Firma Human Rights Watch Deutschland aus Berlin

Kurzfassung: Politisch motivierte Gerichtsverfahren verletzen Menschenrechte 28. Februar 2012 (Beirut) – In Bahrain sind Hunderte Oppositionelle und andere Personen aus politischen Gründen in unfairen Prozessen verurteilt worden, so Human Rights Watch in ...

[Human Rights Watch Deutschland - 28.02.2012] Bahrain: Hunderte nach unfairen Prozessen verurteilt


Politisch motivierte Gerichtsverfahren verletzen Menschenrechte

28. Februar 2012

(Beirut) – In Bahrain sind Hunderte Oppositionelle und andere Personen aus politischen Gründen in unfairen Prozessen verurteilt worden, so Human Rights Watch in einem heute veröffentlichten Bericht. Die Regierung soll die von Militär- und Zivilgerichten gefällten Urteile annullieren, die internationale Verfahrensstandards verletzen.

Der 94-seitige Bericht "No Justice in Bahrain: Unfair Trials in Military and Civilian Courts" dokumentiert massive Verstöße gegen das Recht auf ein ordentliches Gerichtsverfahren an Bahrains Militärsondergerichten im Jahr 2011, unter anderem in einem Verfahren gegen 21 bekannte politische Aktivisten und in einem weiteren gegen 20 Ärzte und medizinisches Personal, sowie in politisch motivierten Prozessen vor regulären Strafgerichtshöfen seit 2010. Zu den schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen zählen, dass Angeklagte keinen Rechtsbeistand hinzuziehen und sich nicht verteidigen konnten. Auch wurden glaubwürdige Vorwürfe von Folter und Misshandlung bei Verhören nicht untersucht.

"Bahrain geht mit offensichtlich unfairen Verfahren vor Militär- und Zivilgerichten gegen die demokratische Protestbewegung vor", sagt Joe Stork, stellvertretender Leiter der Abteilung Naher Osten von Human Rights Watch. "Die Regierung soll die zahllosen unfairen Urteile des vergangenen Jahres aufheben, alle politisch motivierten Anklagen fallen lassen und wirksame Maßnahmen gegen Folter in Haft ergreifen."

Die schwerwiegenden Verletzungen des Rechts auf ein faires Gerichtsverfahren in politischen Prozessen reflektieren nicht nur Verfehlungen einzelner Staatsanwälte und Richter, sondern tiefgreifende, systematische Probleme im Strafrechtssystem von Bahrain.

Am 13.Februar 2012 erklärte König Hamad bin Isa Al Khalifa gegenüber dem Magazin Der Spiegel, dass es in Bahrain keine politischen Gefangenen gebe und niemand verhaftet werde, weil er seine Meinung äußere. Es handle sich bei den Gefangenen ausschließlich um Kriminelle."
Der Bericht von Human Rights Watch basiert auf mehr als 50 Interviews mit Angeklagten, Strafverteidigern und Prozessbeobachtern. Darüber hinaus wurden vorhandene Urteile und andere Gerichtsdokumente ausgewertet. Human Rights Watch hat im November 2010 dem Generalstaatsanwalt und im Dezember 2011 dem Justizminister von Bahrain wegen der unfairen Gerichtsverfahren geschrieben, jedoch keine Antworten erhalten.

Mindestens fünf Häftlinge starben in Haft an den Folgen von Folter, nachdem die Regierung begonnen hatte, massiv gegen die überwiegend friedlichen Proteste seit Mitte März 2011 vorzugehen. Zu diesem Ergebnis kommt ein im November veröffentlichter Berichtder bahrainischen Unabhängigen Untersuchungskommission, der fünf internationale Juristen und Menschenrechtsexperten angehörten und die von König Hamad eingesetzt worden war. Human Rights Watch hat dokumentiert, dass bahrainische Sicherheitskräfte in den vergangenen Jahren systematisch gefoltert haben.

Die Urteilssprüche unter anderem gegen prominente Oppositionelle wie Ibrahim Sharif, Abdul Hadi al-Khawaja, Hassan Mushaima und Abdul Wahab Hussein sollen aufgehoben werden. Sie sollen unverzüglich aus dem Gefängnis entlassen werden.

In einem Fall wurde eine Krankenschwester schuldig gesprochen, weil sie zum Hass auf das herrschende Regime aufgerufen und mit terroristischen Absichten beweglichen Besitz zerstört haben soll, indem sie angeblich auf ein Foto des Premierministers getreten war.

Human Rights Watch ruft die USA, Großbritannien, Frankreich und andere Länder dazu auf, jedweden Handel von Material sowie andere Unterstützung für das Militär und Sicherheitskräfte von Bahrain auszusetzen, bis die Regierung gegen die schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen im Zuge der Unterdrückung friedlicher Demonstrationen und gegen unfaire Gerichtsverfahren vorgeht.

Am 15. März 2011 erließ Hamad ein Dekret über einen dreimonatigen "Nationalen Sicherheitszustand", der einem Ausnahmezustand entspricht. Feldmarschall Khalifa bin Ahmad Al Khalifa, der Befehlshaber der bahrainischen Verteidigungsarmee, kann dadurch umfangreiche Anordnungen bezüglich der öffentlichen Ordnung erlassen und diese genau wie bestehende Gesetze implementieren. Darüber hinaus wurden militärische Sondergerichte, sogenannte Nationale Sicherheitsgerichte, eingerichtet, um Verbrechen zu ahnden, die zur Erklärung des Nationalen Sicherheitzustands führten und die Vorschriften [des Dekrets] verletzen.

Zwischen der Errichtung der Gerichte am 4. April und dem Höhepunkt ihrer Aktivität Anfang Oktober verurteilten sie Hunderte Bahrainer, die im Zuge der Fahndungsoffensive zum Schutz der "Nationalen Sicherheit" verhaftet worden waren. Der Befehlshaber der bewaffneten Streitkräfte ernannte immer den Vorsitzenden Richter, der ein Angehöriger des Militärs war, und zwei zivile Richter. Alle Prozesse fanden im Militärkomplex in al-Riffa statt.

Am 7. Oktober wurden alle Anklagen und Berufungen, die im Zusammenhang mit den politischen Unruhen der Vormonate stehen, an zivile Strafgerichte übergeben.

Bis Februar 2011 traten bei zahlreichen Prozessen vor Zivilgerichten die gleichen Probleme auf wie vor den Sondergerichten: Personen wurden aus politischen Gründen angeklagt, weil sie ihre Meinung geäußert haben, nicht weil sie tatsächlich Straftaten begangen haben. Den Beschuldigten wurden grundlegende Verfahrensrechte, etwa ein Rechtsbeistand, verweigert. Viele gaben an, in Verhören gefoltert und misshandelt worden zu sein.

"König Hamad soll die militärischen Sondergerichte untersuchen lassen, die er mit seinem Dekret eingerichtet hat, bevor er behauptet, es gäbe keine politischen Gefangenen in Bahrain", so Stork. "In einem Prozess nach dem anderen wurden Menschen auf Grund ihrer politischen Überzeugung verurteilt. Sie wurden verurteilt, weil sie Parolen sangen und an friedlichen Demonstrationen teilnahmen, über die der Kronprinz sagte, sie seien durch die Verfassung geschützt."


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