'Russische Alternativen - Wendezeiten?'
- Pressemitteilung der Firma Auswärtiges Amt, 04.04.2012
Pressemitteilung vom: 04.04.2012 von der Firma Auswärtiges Amt aus Berlin
Kurzfassung: Eingangsstatement des Koordinators für die deutsch-russische zwischengesellschaftliche Zusammenarbeit, Andreas Schockenhoff, bei den 3. Berliner "Chodorkowskij Debatten" am 26. März 2012 -- Es gilt das gesprochene Wort ! - Lieber Herr Fücks, ...
[Auswärtiges Amt - 04.04.2012] "Russische Alternativen - Wendezeiten?"
Eingangsstatement des Koordinators für die deutsch-russische zwischengesellschaftliche Zusammenarbeit, Andreas Schockenhoff, bei den 3. Berliner "Chodorkowskij Debatten" am 26. März 2012
-- Es gilt das gesprochene Wort ! -
Lieber Herr Fücks,
liebe Frau Voroshejkina,
sehr geehrte Damen und Herren,
die dritten Berliner "Chodorkowskij-Debatten" – ich kann nur sagen: wie gut dass wir dieses Format 2011 begründet haben! Ich denke, wer hier zugehört hat, war nicht unvorbereitet auf die Entwicklungen, die wir seit den Duma-Wahlen im Dezember 2011 in Russland erlebt haben. Nicolai Petrów, der das Bild eines dysfunktionalen politischen Systems präsentierte, Natalja Subaréwitschs Tabellen, die uns die wachsenden Ungleichgewichte zwischen Zentrum und Regionen klar vor Augen führten und vor allem Maria Lipman, die uns Russlands Staat und Gesellschaft als "geschiedenes Ehepaar" vorstellte, mit einer Zivilgesellschaft, die zunehmend neue Wege für Engagement, Aktivität und Vernetzung findet – das alles lässt uns die Proteste und Massendemonstrationen der letzten Monate besser verstehen. Sie sind eben nicht aus dem Nichts entstanden, sondern Ausdruck einer wachsenden Entfremdung zwischen "Macht" und Gesellschaft, aber auch einer veränd erten Gesellschaft, die nach Jahren der politischen Apathie wieder aktiv geworden ist, genug hat von unerfüllter Modernisierungsrhetorik, von Stagnation und Korruption und die nach persönlichen Freiheiten nun politische Rechte einfordert.
Dafür, also um Anschluss an den aktuellen Diskurs der russischen Politik- und Wirtschaftsexperten zu erhalten, haben wir mit der Heinrich-Boell-Stiftung dieses Format gegründet – keinen Moment zu früh, wie sich gezeigt hat. Drei Wochen nach den Präsidentschaftswahlen ist dies wieder ein wichtiger Zeitpunkt, um gemeinsam über Russlands Alternativen nachzudenken. Sind es Wendezeiten? Eines ist zumindest sicher: es sind Zeiten, die Russland schon heute nachhaltig verändert haben. Auch wenn die Menschen weniger auf die Straßen gehen, ist es so, dass "die Paste nicht mehr in die Tube zurück kann", wie man mir bei meinen Gesprächen in Moskau immer wieder erklärt hat. Wir haben friedliche und fröhliche Massendemonstrationen gesehen. Wir haben Wahlen mit transparenten Urnen, zehntausenden von Webcams, vor allem aber mit rund 30.000 freiwilligen Wahlbeobachtern erlebt. Aber auch einen Ex-Finanzminister, der auf einer Großdemonstration auftritt un d beim Russland-Kongress der CDU/CSU Fraktion letzte Woche das neue Engagement des russischen Bürgertums lobt - und einen Oligarchen, der bisher ganz andere Schlagzeilen machte und als Präsidentschaftskandidat nun 8 Millionen Wählerstimmen auf sich vereinigte. Und was vielleicht am meisten in die Zukunft weist: junge, wirklich unabhängige Kandidaten wurden zu Abgeordneten mehrerer Moskauer Bezirksräte gewählt- wirklich gewählt. Auch wenn sie im Moment höchstens über Parkbänke entscheiden können, wie man sagt, stehen sie vielleicht für den Beginn einer Wende "von unten", die Russland nachhaltig verändern könnte – auch darüber würde ich heute gerne von unseren russischen Gästen mehr erfahren.
Die Paste ist also aus der Tube – allein das bedeutet für Russland nach Jahren der Stagnation eine Wendezeit, denke ich. Für mich liegt die besondere Stärke der neuen Bewegung darin, dass sich hier erstmals eine neue Mittelklasse, die bisher nicht aktiv war, mit alten und neuen zivilgesellschaftlichen Organisationen vereint, die Strukturen und Erfahrung mitbringen. Diese "Revitalisierung" der Gesellschaft ist eine große Chance für Russlands Entwicklung und Modernisierung. Ich hoffe sehr, dass die Bewegung selber die Kraft findet, eine besonnene, nachhaltige Strategie für ihr weiteres Vorgehen zu entwickeln. Doch natürlich ist die alles entscheidende Frage nun, ob die politische Führung bereit und vor allem willens ist, diese Chance zu nutzen? Ex-Finanzminister Kudrin brachte es letzte Woche in Berlin auf den Punkt: Alle Probleme Russlands – Investitionsklima, Rechtssystem, Bildung, Gesundheit etc., seien lösbar – wenn – ZITAT _ wenn der Präsident und die neue Regierung aktiver auf die Probleme reagieren". Genau davon hängt ab, ob dieser wichtige Zeitpunkt in der russischen Geschichte wirklich zu einer Wendezeit werden kann.
Im Mittelpunkt der heutigen Debatten werden also zunächst zwei Fragen stehen. Wird die neue Bürgerbewegung die Kraft finden, eine konstruktive und nachhaltige Strategie für ihr weiteres Vorgehen zu entwickeln? Und: Wird die politische Führung die Kraft finden, auf dieses Engagement konstruktiv einzugehen und es nicht nur auszusitzen oder zurückzudrängen, bzw nur selektiv aufzunehmen, wie die ersten Gespräche des noch amtierenden Präsidenten Medwedew mit Vertretern der kritischen Opposition nahelegen?Dahinter steht die Frage nach dem sogenannten "Perestrojka-Syndrom", das wir schon früher hier diskutiert haben, also die Frage, ob in Russland die Angst vor umfassenden Reformen und "Umbau" immer noch größer ist als der Wunsch nach Veränderung. Will die Mehrheit, auch wenn die "Paste aus der Tube ist" und das Gefühl nicht mehr zu verdrängen ist, dass es kein "Weiter-so" geben kann, trotzdem im Grunde bis heute gar keine "Wend ezeiten"?
Wie immer haben wir deutsche Kommentatoren eingeladen, die nicht nur die russischen Beiträge kritisch kommentieren sollen, sondern auch der Frage nachgehen sollen, was wir, also Deutschland und die EU, tun können, um den Wandel in Russland unsererseits konstruktiv zu begleiten. Als Russland-Koordinator sehe ich hierfür weiter viele Ansatzpunkte – beispielsweise die wichtige Zusammenarbeit für mehr Rechtsstaatlichkeit und weniger Korruption, vor allem aber die zwischengesellschaftliche Zusammenarbeit, die ein neuer Schwerpunkt der Kooperation werden sollte. Die neue russische Mittelklasse ist klar auf europäische Werte ausgerichtet - Rechtsstaatlichkeit, Transparenz und individuelles Engagement und sollte zunehmend in den Mittelpunkt des Angebots einer Modernisierungspartnerschaft mit Russland rücken – alleine schon, weil sie tatsächlich eine umfassende Modernisierung ihres Landes will.
Sie sehen: viele interessante Fragen, zu denen wir wie immer äußerst renommierte und engagierte Expertinnen und Experten eingeladen haben. Ich bin gespannt zu hören, wie unsere russischen Gäste "Russlands Alternativen" nach den Duma- und Präsidentschaftswahlen beurteilen und freue mich auf die heutigen Debatten!
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Eingangsstatement des Koordinators für die deutsch-russische zwischengesellschaftliche Zusammenarbeit, Andreas Schockenhoff, bei den 3. Berliner "Chodorkowskij Debatten" am 26. März 2012
-- Es gilt das gesprochene Wort ! -
Lieber Herr Fücks,
liebe Frau Voroshejkina,
sehr geehrte Damen und Herren,
die dritten Berliner "Chodorkowskij-Debatten" – ich kann nur sagen: wie gut dass wir dieses Format 2011 begründet haben! Ich denke, wer hier zugehört hat, war nicht unvorbereitet auf die Entwicklungen, die wir seit den Duma-Wahlen im Dezember 2011 in Russland erlebt haben. Nicolai Petrów, der das Bild eines dysfunktionalen politischen Systems präsentierte, Natalja Subaréwitschs Tabellen, die uns die wachsenden Ungleichgewichte zwischen Zentrum und Regionen klar vor Augen führten und vor allem Maria Lipman, die uns Russlands Staat und Gesellschaft als "geschiedenes Ehepaar" vorstellte, mit einer Zivilgesellschaft, die zunehmend neue Wege für Engagement, Aktivität und Vernetzung findet – das alles lässt uns die Proteste und Massendemonstrationen der letzten Monate besser verstehen. Sie sind eben nicht aus dem Nichts entstanden, sondern Ausdruck einer wachsenden Entfremdung zwischen "Macht" und Gesellschaft, aber auch einer veränd erten Gesellschaft, die nach Jahren der politischen Apathie wieder aktiv geworden ist, genug hat von unerfüllter Modernisierungsrhetorik, von Stagnation und Korruption und die nach persönlichen Freiheiten nun politische Rechte einfordert.
Dafür, also um Anschluss an den aktuellen Diskurs der russischen Politik- und Wirtschaftsexperten zu erhalten, haben wir mit der Heinrich-Boell-Stiftung dieses Format gegründet – keinen Moment zu früh, wie sich gezeigt hat. Drei Wochen nach den Präsidentschaftswahlen ist dies wieder ein wichtiger Zeitpunkt, um gemeinsam über Russlands Alternativen nachzudenken. Sind es Wendezeiten? Eines ist zumindest sicher: es sind Zeiten, die Russland schon heute nachhaltig verändert haben. Auch wenn die Menschen weniger auf die Straßen gehen, ist es so, dass "die Paste nicht mehr in die Tube zurück kann", wie man mir bei meinen Gesprächen in Moskau immer wieder erklärt hat. Wir haben friedliche und fröhliche Massendemonstrationen gesehen. Wir haben Wahlen mit transparenten Urnen, zehntausenden von Webcams, vor allem aber mit rund 30.000 freiwilligen Wahlbeobachtern erlebt. Aber auch einen Ex-Finanzminister, der auf einer Großdemonstration auftritt un d beim Russland-Kongress der CDU/CSU Fraktion letzte Woche das neue Engagement des russischen Bürgertums lobt - und einen Oligarchen, der bisher ganz andere Schlagzeilen machte und als Präsidentschaftskandidat nun 8 Millionen Wählerstimmen auf sich vereinigte. Und was vielleicht am meisten in die Zukunft weist: junge, wirklich unabhängige Kandidaten wurden zu Abgeordneten mehrerer Moskauer Bezirksräte gewählt- wirklich gewählt. Auch wenn sie im Moment höchstens über Parkbänke entscheiden können, wie man sagt, stehen sie vielleicht für den Beginn einer Wende "von unten", die Russland nachhaltig verändern könnte – auch darüber würde ich heute gerne von unseren russischen Gästen mehr erfahren.
Die Paste ist also aus der Tube – allein das bedeutet für Russland nach Jahren der Stagnation eine Wendezeit, denke ich. Für mich liegt die besondere Stärke der neuen Bewegung darin, dass sich hier erstmals eine neue Mittelklasse, die bisher nicht aktiv war, mit alten und neuen zivilgesellschaftlichen Organisationen vereint, die Strukturen und Erfahrung mitbringen. Diese "Revitalisierung" der Gesellschaft ist eine große Chance für Russlands Entwicklung und Modernisierung. Ich hoffe sehr, dass die Bewegung selber die Kraft findet, eine besonnene, nachhaltige Strategie für ihr weiteres Vorgehen zu entwickeln. Doch natürlich ist die alles entscheidende Frage nun, ob die politische Führung bereit und vor allem willens ist, diese Chance zu nutzen? Ex-Finanzminister Kudrin brachte es letzte Woche in Berlin auf den Punkt: Alle Probleme Russlands – Investitionsklima, Rechtssystem, Bildung, Gesundheit etc., seien lösbar – wenn – ZITAT _ wenn der Präsident und die neue Regierung aktiver auf die Probleme reagieren". Genau davon hängt ab, ob dieser wichtige Zeitpunkt in der russischen Geschichte wirklich zu einer Wendezeit werden kann.
Im Mittelpunkt der heutigen Debatten werden also zunächst zwei Fragen stehen. Wird die neue Bürgerbewegung die Kraft finden, eine konstruktive und nachhaltige Strategie für ihr weiteres Vorgehen zu entwickeln? Und: Wird die politische Führung die Kraft finden, auf dieses Engagement konstruktiv einzugehen und es nicht nur auszusitzen oder zurückzudrängen, bzw nur selektiv aufzunehmen, wie die ersten Gespräche des noch amtierenden Präsidenten Medwedew mit Vertretern der kritischen Opposition nahelegen?Dahinter steht die Frage nach dem sogenannten "Perestrojka-Syndrom", das wir schon früher hier diskutiert haben, also die Frage, ob in Russland die Angst vor umfassenden Reformen und "Umbau" immer noch größer ist als der Wunsch nach Veränderung. Will die Mehrheit, auch wenn die "Paste aus der Tube ist" und das Gefühl nicht mehr zu verdrängen ist, dass es kein "Weiter-so" geben kann, trotzdem im Grunde bis heute gar keine "Wend ezeiten"?
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Das Auswärtige Amt ist zuständig für die Pflege der Beziehungen zu anderen Staaten sowie zu den zwischen- und überstaatlichen Organisationen.
Der Auswärtige Dienst versteht sich neben seiner Funktion als Gestalter der Außenpolitik als Dienstleister für die Bürgerinnen und Bürger, die deutsche Wirtschaft, das deutsche Kulturleben und für Parlamentarier und Regierungsvertreter aller Ebenen. Sein Dienstleistungsangebot ist für den Auswärtigen Dienst neben der klassischen Diplomatie zu seiner zweiten, tragenden Säule geworden: Es macht heute gut die Hälfte seiner Aktivitäten aus. So steht das Auswärtige Amt als modernes und aufgeschlossenes Dienstleistungsunternehmen weltweit seiner "Kundschaft", mit seinem Know-how und seinen Kontakten mit Rat und Tat zur Seite.
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