RÖSLER-Interview für das "Handelsblatt

  • Pressemitteilung der Firma FDP, 30.04.2012
Pressemitteilung vom: 30.04.2012 von der Firma FDP aus Berlin

Kurzfassung: Berlin. Der FDP-Bundesvorsitzende und Bundeswirtschaftsminister DR. PHILIPP RÖSLER gab dem "Handelsblatt" (Montag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte GABOR STEINGART: Frage: Herr Minister Rösler, ernste Zeiten erkennt man auch ...

[FDP - 30.04.2012] RÖSLER-Interview für das "Handelsblatt"


Berlin. Der FDP-Bundesvorsitzende und Bundeswirtschaftsminister DR. PHILIPP RÖSLER gab dem "Handelsblatt" (Montag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte GABOR STEINGART:

Frage: Herr Minister Rösler, ernste Zeiten erkennt man auch daran, dass schon bei harmlosen Fragen ein politischer Unterton mitschwingt. In diesem Sinne: Wie geht es Ihnen?

RÖSLER: Persönlich geht es mir gut und auch als FDP-Vorsitzender bin ich Optimist. Wir stehen vor wichtigen Wahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen. Ich bin sehr zuversichtlich. Die aktuellen Umfragen geben dazu allen Anlass.

Frage: Sie sind vor noch nicht allzu langer Zeit als Hoffnungsträger ihrer Partei von Niedersachsen nach Berlin gewechselt. Damals gab es für Sie kein innerparteiliches Wahlergebnis unter 95 Prozent. Jetzt müssen Sie ums Überleben kämpfen. Wie empfinden Sie selbst Ihre Lage?

RÖSLER: Meine Aufgaben sind heute umfassender. Das ist natürlich anstrengender als früher, aber das war erwartbar. Als Parteichef werden sie härter bewertet. Wenn ich morgens die Zeitung aufschlage und oft über mich lesen muss, was angeblich nicht geklappt hat, dann ist das nicht immer heile Welt.

Frage: Sind Sie zu jung für den Parteivorsitz?

RÖSLER: Für Politiker gibt es keine Altersgrenzen. Im Übrigen gilt: Wie in einem gut geführten Unternehmen kommt es auch in der Politik auf den richtigen Generationenmix an. Den hat die FDP, denken Sie etwa an Rainer Brüderle an der Spitze unserer Fraktion.

Frage: Was hat Sie bewogen, so jung in die Politik zu gehen?

RÖSLER: Mein Vater war politisch engagiert. Aus meiner Sicht zwar damals in der falschen Partei, bei den Sozialdemokraten. Aber ich bin in einer politischen Familie aufgewachsen, in der viel diskutiert wurde. Als Schüler habe ich dann Kontakt zu den Jungen Liberalen bekommen, die mich überzeugt haben.

Frage: Sind Sie durch Ihren Vater nicht auch etwas sozialdemokratisiert worden?

RÖSLER: Nein, ich bin überzeugter Liberaler. Mein Vater ist heute übrigens auch in der FDP.

Frage: Was ist das für Sie: Liberalismus?

RÖSLER: Liberale Politik will möglichst viel Freiheit für den Einzelnen in der Gesellschaft, aber immer gepaart mit Verantwortung. Wir haben zwar heute eine freie Gesellschaft, aber Freiheit ist nicht von Dauer und muss immer wieder erkämpft werden.

Frage: Viele enttäuschte Liberale fragen sich offenbar genau das. Warum hat die FDP nicht gekämpft? Warum hat sie diese überbordende Bürokratie zugelassen? Warum die Steuerentlastung nicht durchgesetzt? Warum nicht mal beim Thema Steuervereinfachung geliefert? Können Sie die Enttäuschung über die FDP verstehen?

RÖSLER: Nachvollziehen kann ich die hohen Erwartungen unserer Wähler nach der Bundestagswahl 2009.

Frage: Haben Sie überhaupt bei einem der zentralen Wahlversprechen geliefert?

RÖSLER: Aktuell haben wir den Einstieg in die qualifizierte Zuwanderung erreicht. Oder nehmen Sie das Wachstumsbeschleunigungsgesetz, das wir gleich zu Beginn der Legislaturperiode mit einem Entlastungsvolumen von 24 Mrd. Euro verabschiedet haben.

Frage: Das haben die Bürger offensichtlich auf ihrem Lohnzettel übersehen

RÖSLER: Eine Entlastung von 24 Milliarden Euro ist keine Kleinigkeit. Wir hätten aber stärker darauf in der Öffentlichkeit hinweisen müssen.

Frage: Warum macht die Regierung trotz Rekordsteuereinnahmen - knapp 550 Milliarden Euro in 2011 - immer neue Schulden in Milliardenhöhe?

RÖSLER: Die Zahl zeigt: Der Staat hat kein Einnahmeproblem. Deswegen wollen wir an die Ausgaben ran. Die FDP will, dass die heutige Generation damit anfängt, die Schulden in Deutschland abzubauen. Unser Ziel ist es, bereits 2014 einen ausgeglichenen Bundeshaushalt vorzulegen. Das ist ehrgeizig, aber machbar. Die Haushaltskonsolidierung steht für uns im Vordergrund.

Frage: Das Ziel ist lobenswert, doch Zweifel sind angebracht: Warum will die Koalition Milliarden für das sogenannte Betreuungsgeld ausgeben, eine Prämie für die Nichtausbildung von Kindern zahlen?

RÖSLER: Das ist zunächst ein Thema der Union. Wenn sich unser Koalitionspartner geeinigt hat, dann werden wir prüfen, ob das mit unseren Haushaltsplänen vereinbar ist.

Frage: Bleiben wir noch bei den Steuern. Schon kurz nach der Wiedervereinigung war die Rede davon, dass der Solidaritätsbeitrag, ein Aufschlag von 5,5 Prozent auf die Einkommensteuer, abgeschafft wird. Werden wir beide die Abschaffung des Soli noch erleben?

RÖSLER: Ich hoffe das sehr, aber ganz aktuell geht es um ein anderes Thema. Wir wollen jetzt die kalte Progression in der Einkommensteuer absenken und für mehr Steuergerechtigkeit sorgen. Die SPD droht mit Blockade. Ich halte es für aberwitzig, dass gerade Sozialdemokraten gegen mehr Steuergerechtigkeit sind.

Frage: Einige in der Union und die SPD denken schon über einen höheren Spitzensteuersatz nach. Können Sie nicht den Bürgern hier und heute versprechen, dass die FDP keine weiteren Steuererhöhungen mitmacht?

RÖSLER: Wir wollen keine weiteren Steuererhöhungen, auch wenn viele das, was Sie sagen, SPD und Union schon zutrauen.

Frage: Sie sagen: "Wir wollen". Das macht viele Bürger zu Recht misstrauisch. Können Sie das nicht klipp und klar versprechen?

RÖSLER: Ich kann Ihnen zusagen, dass es mit der FDP in dieser Koalition keinen höheren Spitzensteuersatz geben wird. Davon wäre auch die Mitte unserer Gesellschaft betroffen, insbesondere der unternehmerische Mittelstand. Die Beschlusslage der FDP ist hier eindeutig.

Frage: Wo finden wir die liberale Handschrift bei der Euro-Rettung? Billionensummen werden für diverse Rettungsschirme und die Liquiditätssteuerung der Europäischen Notenbank ausgegeben. Der Chef der Bundesbank und der Chefökonom der EZB sind unter Berufung auf die Prinzipien der Ordnungspolitik zurückgetreten. Die FDP schweigt.

RÖSLER: Vieles von dem, was wir in einer harten Auseinandersetzung verhindert haben, wird oft nicht ausreichend wahrgenommen: Eurobonds zum Beispiel. Und nehmen Sie die Wachstumsprogramme, die nun gefordert werden. Meine Überzeugung ist: Wachstum kann man nicht kaufen. Es kommt jetzt darauf an, dass die einzelnen Länder strukturelle Reformen vorantreiben. Das schafft Wachstum. Ich halte aber nichts von teuren Konjunkturprogrammen, die über Schulden finanziert werden. Im Übrigen gibt es für Strukturreformen geeignete Instrumente, neben dem Fonds auf europäischer Ebene gehört auch die EIB dazu.

Frage: In Deutschland gab es während der Finanzkrise auch Konjunkturprogramme. Wo ist der Unterschied?

RÖSLER: Die bauten auf festen Wirtschafts- und Arbeitsmarktstrukturen auf. In Griechenland ist das anders. Griechenland muss erst wettbewerbsfähig werden, etwa durch eine Modernisierung des Arbeits- und Sozialrechts, eine Reform der Verwaltungsstrukturen oder durch die zugesagten Privatisierungen.

Frage: Der zurückgetretene EZB-Chefökonom Jürgen Stark hat gesagt, das Weltfinanzsystem stehe unter Drogen. Ist das noch Liberalismus, Geld zu schöpfen und zu drucken, wie es derzeit von der Europäischen Zentralbank gemacht wird?

RÖSLER: Die EZB ist unabhängig. Trotzdem hat die Unabhängigkeit in der Öffentlichkeit ohne Frage gelitten. Die riesigen Geldmengen, die auf dem Markt kursieren, sehe ich mit Skepsis. Denn sie heben langfristig das Inflationspotential. Als Liberaler sage ich auch, dass diese Entwicklung gebremst werden muss. Deshalb unterstützen wir die EZB, schnellstmöglich die Geldwertstabilität in den Mittelpunkt ihrer Arbeit zu rücken.

Frage: Europa will jetzt eisern sparen, so steht es jedenfalls im Fiskalpakt. Wieso sollen die Bürger glauben, dass dieses Versprechen nicht genauso gebrochen wird, wie einst der Vertrag von Maastricht?

RÖSLER: Ein Fehler der damaligen Konstruktion des Maastrichter Vertrages war, dass es keinen Automatismus bei den Strafen gab. Das ist heute anders.

Frage: Frankreichs Sozialistenchef Francois Hollande will den Fiskalpakt schon wieder aufschnüren.

RÖSLER: Ich bin mir sicher, dass der Fiskalpakt wasserdicht bleiben wird.

Frage: Wenn es nach Ihnen geht, wollen Sie in Ihrer Funktion als Wirtschaftsminister sich künftig in die Preisgestaltung der Tankstellen einmischen. Warum?

RÖSLER: Gerade das nicht. Das Bundeskartellamt hat immer wieder versucht, Oligopolstrukturen der großen Konzerne nachzuweisen. Das hat aber nie geklappt. Deshalb wollen wir jetzt die Aufsicht des Kartellamts über mögliche Missbräuche stärken und dort eine Marktransparenzstelle einrichten.

Frage: Marktransparenzstelle klingt nicht nach Marktwirtschaft. Trauen Sie dem Bürger nicht zu, dass er die preisgünstigste Tankstelle anfährt?

RÖSLER: Das Problem ist doch, dass es nicht so viel Preiswettbewerb gibt. Die arabischen Scheichs produzieren die gleiche Menge Öl, unabhängig von deutschen Feiertagen. Es bleibt der Verdacht, dass die billigeren freien Tankstellen durch die großen Ölkonzerne benachteiligt werden.

Frage: Noch mal, warum kann der Konsument ganz nach Hayeks Theorie, Marktwirtschaft als ökonomische Suchbewegung, nicht frei entscheiden?

RÖSLER: Weil der Konsument dafür mehr Transparenz braucht. Wir schaffen mehr Wettbewerb und Transparenz in einem Markt, dessen Strukturen undurchsichtig sind. Deshalb brauchen wir die Markttransparenzstelle. Das liegt ganz im Sinne von Ludwig Erhard, der das Kartellrecht auf den Weg gebracht hat.

Frage: Hätte Ludwig Erhard nicht eher das das Kartellamt in Gang gesetzt und bei begründetem Verdacht die Konzerne zerschlagen ?

RÖSLER: Hier hat es viele Versuche gegeben, die immer aus rechtlichen Gründen gescheitert sind. Ich muss zur Kenntnis nehmen, dass ein Verdacht nicht ausreicht. Deshalb will ich das Kartellamt stärken.

Frage: Die FDP steht in den Augen des Publikums derzeit nicht wirklich strahlend da. Was war der entscheidende Fehler ihrer Partei?

RÖSLER: Wir haben gute Dinge umgesetzt, aber am Ende öffentlich nicht immer mit unseren Werten in Verbindung gebracht. Das will ich ändern.

Frage: Wenn Sie noch genügend Zeit dafür haben. Müssen Sie nicht befürchten, dass Ihnen nach einem Wahlerfolg von Christian Lindner ein harter Rivale um den Parteivorsitz heranwächst?

RÖSLER: Ein Wahlerfolg von Christan Lindner ist auch ein Erfolg, der die gesamte FDP und die Bundespartei stärkt. Ich will dazu beitragen, dass wir in Kiel und Düsseldorf gewinnen.

Frage: Wolfgang Kubicki hat sich bereits für Christian Lindner als Ihren Nachfolger ausgesprochen. Wie erträgt man eigentlich solche Parteifreunde?

RÖSLER: Ich kämpfe für Wolfgang Kubicki in Schleswig-Holstein und für Christian Lindner in Nordrhein-Westfalen. Und wir alle gemeinsam, die gesamte Partei, kämpft für den Erfolg im Bund.

Frage: Wie entspannen Sie sich in so einem politischen Stahlgewitter?

RÖSLER: Am besten entspanne ich zu Hause bei meiner Familie, meiner Frau und unseren Töchtern.

Frage: Haben Sie es jemals bereut, den Parteivorsitz übernommen zu haben?

RÖSLER: Nein. Niemals.


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Eine Geschichte als Herausforderung.
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Als erste politische Bewegung hat der Liberalismus dem einzelnen Bürger, seiner menschlichen Würde und seinen Menschenrechten der Freiheit und Gleichheit Vorrang vor der Macht des Staates eingeräumt. Schritt für Schritt verwirklichten Liberale den modernen Verfassungsstaat mit individuellen Grundrechten, der freien Entfaltung der Persönlichkeit, dem Schutz von Minderheiten, der Gewaltenteilung und der Rechtsbindung staatlicher Gewalt.

Der Liberalismus hat als Freiheitsbewegung nicht nur für die Gleichheit vor dem Gesetz gekämpft, sondern auch für Chancengleichheit in der Gesellschaft. Mit der Marktwirtschaft und ihrer sozialen Verpflichtung hat der Liberalismus neue Chancen gegen Existenznot und konservative Erstarrung der gesellschaftlichen Strukturen eröffnet.

Die liberale Verfassung unserer Bundesrepublik Deutschland hat mehr demokratische Stabilität, mehr allgemeinen Wohlstand, mehr soziale Gerechtigkeit und Rechtsstaatlichkeit hervorgebracht, als dies je zuvor in der Geschichte der Fall gewesen ist. Und dennoch ist die Idee der Freiheit den schleichenden Gefahren der Gewöhnung und Geringschätzung ausgesetzt. Weniger Teilhabe am demokratischen Staat, weniger Chancen für ein selbstbestimmtes Leben durch weniger Chancen auf einen sicheren Arbeitsplatz, Entmündigungen durch kollektive Zwangssysteme und bevormundende Bürokratie sind neue Bedrohungen der Freiheit.

Liberale haben nach 1945 der Idee der Freiheit zum erneuten Durchbruch verholfen. Die FDP war stets der Motor für Reformen, wenn es um Richtungsentscheidungen zugunsten der Freiheit ging. Nur durch die FDP konnte in den fünfziger Jahren die Soziale Marktwirtschaft gegen die Sozialdemokraten und Teile der Christdemokraten durchgesetzt werden. Nur durch die FDP konnte sich in den siebziger Jahren mehr Bürgerfreiheit gegen konservative Rechts- und Gesellschaftspolitik durchsetzen. Die Liberalen waren Vorreiter für die Demokratisierung und Liberalisierung der Gesellschaft, gegen obrigkeits- staatliche Bevormundung und Engstirnigkeit. Unsere Politik der marktwirtschaftlichen Erneuerung in den achtziger Jahren brachte neue Arbeitsplätze und mehr Wohlstand für mehr Bürger.

Ein großer Teil des Widerstands gegen das sozialistische Staatswesen erwuchs aus der Attraktivität des freiheitlich-liberalen Gesellschafts- und Wirtschaftssystems. Das in den europäischen Integrationsprozeß eingebettete, vereinte Deutschland ist das freiheitlichste unserer Geschichte.

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