BRÜDERLE-Interview für die "Neue Westfälische

  • Pressemitteilung der Firma FDP, 30.04.2012
Pressemitteilung vom: 30.04.2012 von der Firma FDP aus Berlin

Kurzfassung: Berlin. Der Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Präsidiumsmitglied RAINER BRÜDERLE, gab der "Neuen Westfälischen" (Montag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellten THOMAS SEIM und FLORIAN PFITZNER: Frage: Herr Brüderle, das ...

[FDP - 30.04.2012] BRÜDERLE-Interview für die "Neue Westfälische"


Berlin. Der Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Präsidiumsmitglied RAINER BRÜDERLE, gab der "Neuen Westfälischen" (Montag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellten THOMAS SEIM und FLORIAN PFITZNER:

Frage: Herr Brüderle, das Betreuungsgeld weitet sich immer mehr zu einem Konfliktthema aus. Wie gefährlich wird die Debatte für die Koalition in Berlin?

BRÜDERLE: Wir beobachten eine lebhafte Debatte in den Unionsparteien. Für die CSU ist das Betreuungsgeld ein Identifikationsthema. Wir Liberalen waren nie Freunde von dieser Idee, hielten den Ansatz immer für falsch. Aber in einer Koalition muss man Kompromisse finden. Deshalb haben wir mit dem Koalitionsvertrag auch das Betreuungsgeld unterschrieben. Und wir brechen keine Vereinbarungen.

Frage: Also kommt das Betreuungsgeld?

BRÜDERLE: In der Union gibt es derzeit wachsende Widerstände. Wie gesagt, wir stehen zu dem, was wir vereinbart haben. Das kann man aber auch gemeinsam wieder ändern. Wir warten jetzt ab, bis unser Koalitionspartner sich auf ein Konzept verständigt hat.

Frage: Wie stehen Sie zu dem Vorstoß von Unionsfraktionschef Volker Kauder, zur Lösung des Streits die Rentenansprüche der Eltern zu erhöhen?

BRÜDERLE: Ich arbeite hervorragend mit Volker Kauder zusammen, auch wenn wir manchmal eine Sachfrage unterschiedlich beantworten. Wir Liberalen wollen schnellstmöglich zu einem ausgeglichenen Haushalt kommen. Weitere Milliarden Euro für höhere Renten drauf zu satteln, um das Einverständnis für das Betreuungsgeld zu bekommen, ist nicht unser Konzept. Mehr als die Zahlung eines Betreuungsgeldes an die Eltern, die ihre Kleinkinder zu Hause aufwachsen lassen, haben wir in der Koalition nicht vereinbart.

Frage: Kritik erntete Kauder auch für seine Aussage, wonach der Islam nicht zu Deutschland zähle. Damit widersprach er dem früheren Bundespräsidenten Christian Wulff. Auf welcher Seite stehen Sie?

BRÜDERLE: Wir stehen auf unserer Seite, nämlich für Toleranz und Offenheit. Wir sind froh, dass wir viele Menschen mit ausländischen Wurzeln in Deutschland haben, die integriert sind. Wir brauchen außerdem mehr Zuwanderung von qualifizierten Fachkräften, haben gerade in der letzten Woche neue Regeln dafür beschlossen. Volker Kauder meinte wohl eher, dass unsere Tradition christlich-abendländisch geprägt ist. Das stimmt und schließt eine Offenheit gegenüber unseren Mitbürgern aus anderen Ländern nicht aus. Grundsätzlich leben wir inzwischen in einem anderen Land, sind farbiger in der Mentalität als etwa zu Zeiten des Wirtschaftswunders.

Frage: Profitieren die Piraten von dieser neuen Mentalität?

BRÜDERLE: Nein, das hat andere Ursachen. Dieses Phänomen, die Zersplitterung der internationalen Parteienlandschaften, hat mit der Polarisierung zu tun, die es in vielen Teilen der Welt gibt. Ich kritisiere die Wähler der Piraten nicht, aber ich habe ein Problem, wenn es unpolitisch wird. Ich sehe darin eine tektonische Dynamik unterhalb der politischen Landschaft. Es gärt im Lande, aber ob dabei Wein oder Essig entsteht, wissen wir noch nicht.

Frage: Inzwischen fordern auch Top-Manager, sich früh mit den Ideen der Piraten auseinander zu setzen.

BRÜDERLE: Das tun wir Liberalen auch. Gewiss ist der Prozess noch nicht abgeschlossen.

Frage: Wenn die neuen Umfragewerte der FDP für Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein eintreten, würde das Ergebnis das Berliner Regierungshandeln stabilisieren.

BRÜDERLE: Die Umfragen zeigen ganz klar einen Trend nach oben. Das ist erfreulich, denn in beiden Ländern brauchen die Menschen eine Stimme der Freiheit, eine Stimme der Vernunft in den Parlamenten. Die Regierung in Berlin ist übrigens stabil. Wir sind mit unserer Politik erfolgreich: dem Land und den Menschen hier geht es besser, als in den Jahren zuvor.

Frage: Die beiden Spitzenkandidaten Wolfgang Kubicki und Christian Lindner stehen für eine andere FDP als die von Guido Westerwelle. Wie groß wird ihr Einfluss auf kommende Inhaltsdiskussionen der Liberalen sein?

BRÜDERLE: Wir als liberale Partei leben von Pluralität. Bei uns sind viele unterschiedliche Charaktere mit ganz verschiedenen Temperamenten erfolgreich, wir diskutieren die aktuellen politischen Fragen sehr offen und konstruktiv. Wolfgang Kubicki ist ein ganz besonderer Typ, er kämpft Tag und Nacht für die Freiheit, obwohl er auch ein höchst erfolgreicher Anwalt ist. Das schätzen die Menschen an ihm; er ist mit Abstand der bekannteste Politiker in Schleswig-Holstein und ein echtes Urgestein. Christian Lindner verkörpert eine andere Generation, pflegt einen anderen Auftritt und spricht damit viele Menschen an und begeistert sie für liberale Politik. Christian Lindner tut unserer Partei sehr gut. Er führt einen großartigen Wahlkampf, viele unserer Hoffnungen ruhen auf ihm.

Frage: Wenn neben den Piraten auch die FDP in den Düsseldorfer Landtag einzieht, könnte es für Rot-Grün doch noch eng werden. Was raten Sie Ihren Parteifreunden?

BRÜDERLE: Ich empfehle, keine Koalitionsdebatten zu führen. Unsere wichtigste Aufgabe ist, Glaubwürdigkeit zurück zu gewinnen. Es geht um die Existenz der FDP. Wir sollten uns nur über uns und unsere Ziele unterhalten und wieder den Freiheitsgedanken nach vorne stellen. Wir stehen für eine Politik ohne Schnickschnack, wie Christian Lindner sagt, also für Brot-und-Butter-Themen: Soziale Marktwirtschaft mit gesunden Haushalten, einem starken Mittelstand und fairem Wettbewerb, gerechte Bildungschancen für alle, die Wahrung der Bürgerrechte. Das sind unsere Grundachsen, die wir herausstellen müssen. Unsere Komponenten braucht ein Land, das im Wettbewerb der Ideen und Konzepte bestehen will. Dafür müssen wir werben und weiter kämpfen. Die erfreulichen Umfrageergebnisse bestätigen unseren Kurs.

Frage: … um dann doch mit einer Ampelkoalition ein Zeichen für die Bundestagswahl zu setzen?

BRÜDERLE: Das entscheidet jeder Landesverband für sich allein. Ich mische mich da nicht ein. Bei der anstehenden Wahl geht es ganz klar um die Menschen in NRW. Dass ein Wahlergebnis in einem Bundesland wie NRW mit 18 Millionen Menschen besondere Bedeutung hat, ist unbestreitbar. Aber daraus ließe sich für Berlin nichts ableiten. In Berlin wollen wir die erfolgreiche Zusammenarbeit mit der Union fortsetzen und gemeinsam die nächsten Bundestagswahlen gewinnen. Damit es Deutschland weiter gut geht.


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Eine Geschichte als Herausforderung.
Der Liberalismus begann seinen historischen Weg als Philosophie der Freiheit und als politische Bewegung für die Rechte des Einzelnen. Die Willkürherrschaft des Absolutismus stand im Widerspruch zur Idee einer freiheitlichen Gesellschaft. Mit dem Verfassungsstaat hat der Liberalismus den Absolutismus überwunden.
Als erste politische Bewegung hat der Liberalismus dem einzelnen Bürger, seiner menschlichen Würde und seinen Menschenrechten der Freiheit und Gleichheit Vorrang vor der Macht des Staates eingeräumt. Schritt für Schritt verwirklichten Liberale den modernen Verfassungsstaat mit individuellen Grundrechten, der freien Entfaltung der Persönlichkeit, dem Schutz von Minderheiten, der Gewaltenteilung und der Rechtsbindung staatlicher Gewalt.

Der Liberalismus hat als Freiheitsbewegung nicht nur für die Gleichheit vor dem Gesetz gekämpft, sondern auch für Chancengleichheit in der Gesellschaft. Mit der Marktwirtschaft und ihrer sozialen Verpflichtung hat der Liberalismus neue Chancen gegen Existenznot und konservative Erstarrung der gesellschaftlichen Strukturen eröffnet.

Die liberale Verfassung unserer Bundesrepublik Deutschland hat mehr demokratische Stabilität, mehr allgemeinen Wohlstand, mehr soziale Gerechtigkeit und Rechtsstaatlichkeit hervorgebracht, als dies je zuvor in der Geschichte der Fall gewesen ist. Und dennoch ist die Idee der Freiheit den schleichenden Gefahren der Gewöhnung und Geringschätzung ausgesetzt. Weniger Teilhabe am demokratischen Staat, weniger Chancen für ein selbstbestimmtes Leben durch weniger Chancen auf einen sicheren Arbeitsplatz, Entmündigungen durch kollektive Zwangssysteme und bevormundende Bürokratie sind neue Bedrohungen der Freiheit.

Liberale haben nach 1945 der Idee der Freiheit zum erneuten Durchbruch verholfen. Die FDP war stets der Motor für Reformen, wenn es um Richtungsentscheidungen zugunsten der Freiheit ging. Nur durch die FDP konnte in den fünfziger Jahren die Soziale Marktwirtschaft gegen die Sozialdemokraten und Teile der Christdemokraten durchgesetzt werden. Nur durch die FDP konnte sich in den siebziger Jahren mehr Bürgerfreiheit gegen konservative Rechts- und Gesellschaftspolitik durchsetzen. Die Liberalen waren Vorreiter für die Demokratisierung und Liberalisierung der Gesellschaft, gegen obrigkeits- staatliche Bevormundung und Engstirnigkeit. Unsere Politik der marktwirtschaftlichen Erneuerung in den achtziger Jahren brachte neue Arbeitsplätze und mehr Wohlstand für mehr Bürger.

Ein großer Teil des Widerstands gegen das sozialistische Staatswesen erwuchs aus der Attraktivität des freiheitlich-liberalen Gesellschafts- und Wirtschaftssystems. Das in den europäischen Integrationsprozeß eingebettete, vereinte Deutschland ist das freiheitlichste unserer Geschichte.

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