Wachstum durch Zerstörung
- Pressemitteilung der Firma Allianz Global Investors, 29.05.2012
Pressemitteilung vom: 29.05.2012 von der Firma Allianz Global Investors aus Frankfurt am Main
Kurzfassung: Aus jeder Krise wird eine Periode neuen Wirtschaftswachstums, befand der russische Wirtschaftswissenschaftler Nikolai Kondratjew. Hans-Jörg Naumer, Leiter von Capital Market Analysis bei Allianz Global Investors, erklärt, wie der nächste ...
[Allianz Global Investors - 29.05.2012] Wachstum durch Zerstörung
Aus jeder Krise wird eine Periode neuen Wirtschaftswachstums, befand der russische Wirtschaftswissenschaftler Nikolai Kondratjew. Hans-Jörg Naumer, Leiter von Capital Market Analysis bei Allianz Global Investors, erklärt, wie der nächste Wachstumszyklus aussehen könnte.
Herr Naumer, die jüngste Wirtschaftskrise dauert seit mehreren Jahren an. Was denken Sie, wie lange sie noch anhält?
Hans-Jörg Naumer: Ich bin persönlich der Meinung, dass sie noch mehr als ein Jahrzehnt andauern wird. Haushaltsdefizite in der Eurozone und den USA sind die Probleme, die der derzeitigen Krise zugrunde liegen. Zudem muss die Weltwirtschaft aktuell mit einem ernstzunehmenden Liquiditätsüberhang fertig werden.
Das Gute daran: Jetzt müssen wir zwar wirklich kämpfen, aber es gibt immer Hoffnung. Wir müssen uns klarmachen, dass solche Probleme immer ein Teil der Restrukturierung der gesamten Wirtschaft sind.
Die derzeitige Krise ist nur der Ausgangspunkt für einen neuen, langen Wachstumszyklus, einen sogenannten Kondratjew-Zyklus. Laut Kondratjew liegt in jeder Krise eine Chance für das Wachstum.
Wenn Kondratjews Theorie allgemeingültig ist, warum gibt es dann jetzt in vielen Ländern Wachstum, während andere in der Krise stecken?
Naumer: Ein globaler Wachstums-Zyklus setzt keine weltweite Krise voraus. Die aufstrebenden Märkte sind von Schuldenkrisen wie in der Eurozone nicht betroffen: Augenblicklich sind es die entwickelten Länder, die eine Krise erleben. Das ist Pech für diese Staaten, aber was wir bei den aufstrebenden Märkten beobachten können, ist nichts anderes als eine Machtverschiebung, die durch den Prozess des Aufholens angetrieben wird. China erlebt beispielsweise gerade das gleiche Wirtschaftsphänomen, das gleiche Wirtschaftswunder wie Deutschland vor 60 Jahren.
Abgesehen von der Wirtschaftskrise schwelt auch noch eine demografische Krise.
Naumer: Es handelt sich um eine Kombination aus verschiedenen Megatrends, einer davon ist die Globalisierung, Demografie ein anderer. Dem demografischen Wandel in westlichen Gesellschaften sollte entsprechend begegnet werden.
Der demografische Wandel muss auf einer globalen Skala bewertet werden und nicht vom Standpunkt eines einzelnen Staates aus. Eine Gesellschaft mag altern, während andere demografisch gesehen aufstreben. Wir wissen, dass die Weltbevölkerung weiter wachsen wird. Ökonomisch gesehen bedeutet das eine steigende Nachfrage, die besonders von dem schon erwähnten Aufholprozess auf den aufstrebenden Märkten unterstützt wird.
Sie sagten, es gibt Hoffnung. Was wird der nächste Kondratjew-Zyklus mit sich bringen?
Naumer: Der Beginn eines Wachstumszyklus wird für gewöhnlich durch einen Engpass ausgelöst. Für uns bedeutet das ein Zeitalter der Güterknappheit. Energie und unsere Umwelt sind knappe Ressourcen. Der Klimawandel ist ein großes Alarmsignal. Jetzt ist es wichtig, die Effizienz bei der Nutzung dieser knappen Güter zu verbessern. Sie können nicht mehr länger umsonst ausgebeutet werden. Das hätte von Anfang an nicht sein dürfen.
Das erfordert eine radikale Veränderung der Wirtschaft, wie wir sie bisher kannten. Im Moment ist unsere Wirtschaft parasitär. Wir beuten die Erde aus, beispielsweise durch die Erzeugung von CO2-Emissionen, aber wir zahlen nicht dafür. Große Veränderungen sind notwendig, um das wirtschaftliche Verhalten besser mit der Erde in Einklang zu bringen.
Erneuerbare Energien und Recycling sind die ersten Schritte. Wir sind alle aufgefordert zu handeln. Ich kann nicht sagen, wer dabei auf der Gewinnerseite stehen wird. Es ist auf jeden Fall das Beste, sich nach den Industrien umzusehen, die den Wandel begrüßen. Wenn Sie in eine Autofirma investieren wollen, überprüfen Sie deren Technologien für alternative Brennstoffe. Wachstum wird direkt mit Nachhaltigkeit verbunden sein. Und das ist ein radikaler Wandel.
Warum sind Krisen und ökonomischer Wohlstand immer zwangsläufig miteinander verbunden?
Naumer: Es ist wohl mehr als menschlich, dass wir uns ökonomischen Wohlstand ohne irgendeine Krise wünschen. Leider war das noch nie der Fall. In der Vergangenheit begannen alle Wachstumszyklen mit einer ernsten Krise. Nehmen Sie zum Beispiel die weltweite Rezession in den zwanziger Jahren; sie hat den Kondratjew-Zyklus in der Automobilindustrie ausgelöst.
Die Verbindung ist der Wettbewerb. Eine blühende Wirtschaft braucht Wettbewerb und Wettbewerb wird immer von "trial-and-error" begleitet, wie der Philosoph Karl Popper es einmal ausgedrückt hat. Es geht im Grunde darum, herauszufinden, was am besten ist. Gut ist nicht mehr gut genug.
Der Nachteil daran ist, dass dieser Prozess in einer Krise enden kann. Überinvestitionen in veraltete Industrien oder Technologien führen zur Zerstörung. Ein anhaltender Wettbewerb dagegen führt zu Entwicklung und folglich zum Aufschwung.
Krisen sollten demnach nie unterdrückt werden. Was bedeutet das in der Praxis?
Naumer: Wir müssen vor allem die Tatsache anerkennen, dass Krisen unausweichlich sind. Das einfach zu akzeptieren, ohne den Versuch, die Situation zu verbessern, ist allerdings keine Option. Wenn wir uns mitten in einer Krise befinden, müssen wir hart arbeiten, um wieder herauszukommen, sie aber auch als Basis für zukünftige Erkenntnisse nutzen.
Frühere Krisen endeten mit großen Erfindungen, der Dampfmaschine zum Beispiel. Geht es diesmal mehr darum, unsere Strategie zu überdenken?
Naumer: Auf gewisse Art, ja. Die Erfindungen, um die Krise zu überwinden, wurden bereits gemacht. Erneuerbare Technologien stehen bereit, aber jetzt gibt es einen Engpass bei der Energieeffizienz und man ist damit beschäftigt, diese Nachfrage zu befriedigen.
Ein Wachstumszyklus beginnt mit der Nachfrage. Nehmen Sie beispielsweise das Auto. Als die Nachfrage nach Autos als Massentransportmittel aufkam, waren sie bereits erfunden.
Europa scheint den Gipfel der Krise erreicht zu haben. Wird es jetzt besser?
Naumer: Hoffentlich ja. Hinter der derzeitigen Krise steckt das Problem der Liquidität. Dennoch sind die Innovationen, die gebraucht werden, um das zu überwinden, schon vorhanden. Die wachsende Nachfrage ebenfalls. Und das ist entscheidend. Wir mögen Fehlinvestitionen getätigt haben, doch das finanzielle Kapital ist noch da, bereit investiert zu werden und Gewinne zu erzielen.
Diese Gewinne finden sich jetzt in neuen Industrien anstatt in den traditionellen, alten. Die Blase platzte, weil die Mehrheit des Kapitals in diesen traditionellen Sektoren gebunden war, zum Beispiel auf dem Immobilienmarkt in den USA. Dieses Kapital ist jetzt frei und für neue Investitionen verfügbar.
Dieses Interview erschien zuerst auf der Allianz Knowledge Website.
Diese Aussagen stehen, wie immer, unter unserem Vorbehalt bei Zukunftsaussagen, der Ihnen oben rechts zur Verfügung gestellt wird.
Kontakt für Presse
Marc Savani
Allianz Global Investors
Tel. +49.69.263-14206
Aus jeder Krise wird eine Periode neuen Wirtschaftswachstums, befand der russische Wirtschaftswissenschaftler Nikolai Kondratjew. Hans-Jörg Naumer, Leiter von Capital Market Analysis bei Allianz Global Investors, erklärt, wie der nächste Wachstumszyklus aussehen könnte.
Herr Naumer, die jüngste Wirtschaftskrise dauert seit mehreren Jahren an. Was denken Sie, wie lange sie noch anhält?
Hans-Jörg Naumer: Ich bin persönlich der Meinung, dass sie noch mehr als ein Jahrzehnt andauern wird. Haushaltsdefizite in der Eurozone und den USA sind die Probleme, die der derzeitigen Krise zugrunde liegen. Zudem muss die Weltwirtschaft aktuell mit einem ernstzunehmenden Liquiditätsüberhang fertig werden.
Das Gute daran: Jetzt müssen wir zwar wirklich kämpfen, aber es gibt immer Hoffnung. Wir müssen uns klarmachen, dass solche Probleme immer ein Teil der Restrukturierung der gesamten Wirtschaft sind.
Die derzeitige Krise ist nur der Ausgangspunkt für einen neuen, langen Wachstumszyklus, einen sogenannten Kondratjew-Zyklus. Laut Kondratjew liegt in jeder Krise eine Chance für das Wachstum.
Wenn Kondratjews Theorie allgemeingültig ist, warum gibt es dann jetzt in vielen Ländern Wachstum, während andere in der Krise stecken?
Naumer: Ein globaler Wachstums-Zyklus setzt keine weltweite Krise voraus. Die aufstrebenden Märkte sind von Schuldenkrisen wie in der Eurozone nicht betroffen: Augenblicklich sind es die entwickelten Länder, die eine Krise erleben. Das ist Pech für diese Staaten, aber was wir bei den aufstrebenden Märkten beobachten können, ist nichts anderes als eine Machtverschiebung, die durch den Prozess des Aufholens angetrieben wird. China erlebt beispielsweise gerade das gleiche Wirtschaftsphänomen, das gleiche Wirtschaftswunder wie Deutschland vor 60 Jahren.
Abgesehen von der Wirtschaftskrise schwelt auch noch eine demografische Krise.
Naumer: Es handelt sich um eine Kombination aus verschiedenen Megatrends, einer davon ist die Globalisierung, Demografie ein anderer. Dem demografischen Wandel in westlichen Gesellschaften sollte entsprechend begegnet werden.
Der demografische Wandel muss auf einer globalen Skala bewertet werden und nicht vom Standpunkt eines einzelnen Staates aus. Eine Gesellschaft mag altern, während andere demografisch gesehen aufstreben. Wir wissen, dass die Weltbevölkerung weiter wachsen wird. Ökonomisch gesehen bedeutet das eine steigende Nachfrage, die besonders von dem schon erwähnten Aufholprozess auf den aufstrebenden Märkten unterstützt wird.
Sie sagten, es gibt Hoffnung. Was wird der nächste Kondratjew-Zyklus mit sich bringen?
Naumer: Der Beginn eines Wachstumszyklus wird für gewöhnlich durch einen Engpass ausgelöst. Für uns bedeutet das ein Zeitalter der Güterknappheit. Energie und unsere Umwelt sind knappe Ressourcen. Der Klimawandel ist ein großes Alarmsignal. Jetzt ist es wichtig, die Effizienz bei der Nutzung dieser knappen Güter zu verbessern. Sie können nicht mehr länger umsonst ausgebeutet werden. Das hätte von Anfang an nicht sein dürfen.
Das erfordert eine radikale Veränderung der Wirtschaft, wie wir sie bisher kannten. Im Moment ist unsere Wirtschaft parasitär. Wir beuten die Erde aus, beispielsweise durch die Erzeugung von CO2-Emissionen, aber wir zahlen nicht dafür. Große Veränderungen sind notwendig, um das wirtschaftliche Verhalten besser mit der Erde in Einklang zu bringen.
Erneuerbare Energien und Recycling sind die ersten Schritte. Wir sind alle aufgefordert zu handeln. Ich kann nicht sagen, wer dabei auf der Gewinnerseite stehen wird. Es ist auf jeden Fall das Beste, sich nach den Industrien umzusehen, die den Wandel begrüßen. Wenn Sie in eine Autofirma investieren wollen, überprüfen Sie deren Technologien für alternative Brennstoffe. Wachstum wird direkt mit Nachhaltigkeit verbunden sein. Und das ist ein radikaler Wandel.
Warum sind Krisen und ökonomischer Wohlstand immer zwangsläufig miteinander verbunden?
Naumer: Es ist wohl mehr als menschlich, dass wir uns ökonomischen Wohlstand ohne irgendeine Krise wünschen. Leider war das noch nie der Fall. In der Vergangenheit begannen alle Wachstumszyklen mit einer ernsten Krise. Nehmen Sie zum Beispiel die weltweite Rezession in den zwanziger Jahren; sie hat den Kondratjew-Zyklus in der Automobilindustrie ausgelöst.
Die Verbindung ist der Wettbewerb. Eine blühende Wirtschaft braucht Wettbewerb und Wettbewerb wird immer von "trial-and-error" begleitet, wie der Philosoph Karl Popper es einmal ausgedrückt hat. Es geht im Grunde darum, herauszufinden, was am besten ist. Gut ist nicht mehr gut genug.
Der Nachteil daran ist, dass dieser Prozess in einer Krise enden kann. Überinvestitionen in veraltete Industrien oder Technologien führen zur Zerstörung. Ein anhaltender Wettbewerb dagegen führt zu Entwicklung und folglich zum Aufschwung.
Krisen sollten demnach nie unterdrückt werden. Was bedeutet das in der Praxis?
Naumer: Wir müssen vor allem die Tatsache anerkennen, dass Krisen unausweichlich sind. Das einfach zu akzeptieren, ohne den Versuch, die Situation zu verbessern, ist allerdings keine Option. Wenn wir uns mitten in einer Krise befinden, müssen wir hart arbeiten, um wieder herauszukommen, sie aber auch als Basis für zukünftige Erkenntnisse nutzen.
Frühere Krisen endeten mit großen Erfindungen, der Dampfmaschine zum Beispiel. Geht es diesmal mehr darum, unsere Strategie zu überdenken?
Naumer: Auf gewisse Art, ja. Die Erfindungen, um die Krise zu überwinden, wurden bereits gemacht. Erneuerbare Technologien stehen bereit, aber jetzt gibt es einen Engpass bei der Energieeffizienz und man ist damit beschäftigt, diese Nachfrage zu befriedigen.
Ein Wachstumszyklus beginnt mit der Nachfrage. Nehmen Sie beispielsweise das Auto. Als die Nachfrage nach Autos als Massentransportmittel aufkam, waren sie bereits erfunden.
Europa scheint den Gipfel der Krise erreicht zu haben. Wird es jetzt besser?
Naumer: Hoffentlich ja. Hinter der derzeitigen Krise steckt das Problem der Liquidität. Dennoch sind die Innovationen, die gebraucht werden, um das zu überwinden, schon vorhanden. Die wachsende Nachfrage ebenfalls. Und das ist entscheidend. Wir mögen Fehlinvestitionen getätigt haben, doch das finanzielle Kapital ist noch da, bereit investiert zu werden und Gewinne zu erzielen.
Diese Gewinne finden sich jetzt in neuen Industrien anstatt in den traditionellen, alten. Die Blase platzte, weil die Mehrheit des Kapitals in diesen traditionellen Sektoren gebunden war, zum Beispiel auf dem Immobilienmarkt in den USA. Dieses Kapital ist jetzt frei und für neue Investitionen verfügbar.
Dieses Interview erschien zuerst auf der Allianz Knowledge Website.
Diese Aussagen stehen, wie immer, unter unserem Vorbehalt bei Zukunftsaussagen, der Ihnen oben rechts zur Verfügung gestellt wird.
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