Keine arglistige Täuschung eines Anlegers durch den Vertrieb über die Höhe einer im Kaufpreis einer Immobilie enthaltenen Innenprovision
- Pressemitteilung der Firma Bundesgerichtshof (BGH), 06.06.2012
Pressemitteilung vom: 06.06.2012 von der Firma Bundesgerichtshof (BGH) aus Karlsruhe
Kurzfassung: Der u. a. für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die Revisionen einer Bank in acht Parallelfällen entschieden, dass Anleger nicht arglistig über die Höhe der Vertriebsprovision getäuscht werden, wenn in dem ...
[Bundesgerichtshof (BGH) - 06.06.2012] Keine arglistige Täuschung eines Anlegers durch den Vertrieb über die Höhe einer im Kaufpreis einer Immobilie enthaltenen Innenprovision
Der u. a. für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die Revisionen einer Bank in acht Parallelfällen entschieden, dass Anleger nicht arglistig über die Höhe der Vertriebsprovision getäuscht werden, wenn in dem Verkaufsprospekt angegeben wird, vom Gesamtaufwand entfielen für den Erwerb einer Immobilie 76,70% auf "Grundstück, Gebäude incl. Vertrieb und Marketing" und darin eine Vertriebsprovision in Höhe von 18,24% eingepreist ist. Die den Erwerb finanzierende Bank traf deshalb insofern keine Aufklärungspflicht unter dem Gesichtspunkt eines Wissensvorsprungs.
Das Berufungsgericht hat die Zwangsvollstreckung aus notariellen Urkunden, die im Zusammenhang mit dem Immobilienerwerb errichtet wurden und Darlehensrückzahlungsansprüche der Bank sichern sollten, für unzulässig erklärt. Auf die Revisionen der Bank hat der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs die Berufungsurteile aufgehoben und die Verfahren an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Zur Begründung hat der Senat ausgeführt:
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist eine kreditgebende Bank, mit der kein Anlageberatungsvertrag geschlossen wurde, bei steuersparenden Bauherren-, Bauträger- und Erwerbermodellen zur Risikoaufklärung über das finanzierte Anlagegeschäft nur unter ganz besonderen Voraussetzungen verpflichtet. Das ist etwa bei einem Wissensvorsprung der Bank der Fall. Ein solcher liegt u.a. vor, wenn die Bank positive Kenntnis davon hat, dass der Anleger von seinem Geschäftspartner oder durch den Verkaufsprospekt über die von ihm zu zahlenden Vertriebsprovisionen arglistig getäuscht wurde.
Der hier verwendete Verkaufsprospekt weist zwar nicht aus, dass in den Kaufpreis eine Vertriebsprovision in Höhe von 18,24% eingepreist war. Eine arglistige Täuschung, wie sie vom Berufungsgericht angenommen wurde, liegt dennoch nicht vor. Der Anfall von Vertriebsprovisionen wurde im prospektierten Gesamtaufwand unter der Rubrik "Grundstück, Gebäude incl. Vertrieb und Marketing" deutlich erkennbar dem Grunde nach offengelegt. Auch eine Täuschung über die Höhe der Vertriebsprovision ist nicht erfolgt. Aus der geringen Höhe anderer offen gelegter Bestandteile des Gesamtaufwandes kann, entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts, nicht geschlossen werden, die im Kaufpreis enthaltene Vertriebsprovision sei ebenfalls gering.
In den von den Vermittlern verwendeten formularmäßigen Vermittlungsaufträgen und Berechnungsbeispielen wurde ebenfalls nicht arglistig über die Höhe der Vertriebsprovision getäuscht. Diese weisen zwar nur die vom Anleger direkt an den jeweiligen Vermittler zu zahlende "Bearbeitungsgebühr" in Höhe von 3,42% aus. Darin liegt jedoch keine abschließende Erklärung über Anfall und Höhe sonstiger Vertriebsprovisionen. Im Gegenteil wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Vermittler nicht nur für die Erwerber, sondern auch als Nachweismakler für eine zwischengeschaltete Vertriebsgesellschaft tätig werden und Provisionsansprüche auch gegen andere am Immobilienprojekt Beteiligte bestehen können. Schließlich ergab die in den Vorinstanzen durchgeführte Beweisaufnahme nicht, dass die Vermittler in den Verkaufsgesprächen wahrheitswidrige Angaben über Anfall und Höhe weiterer Vertriebsprovisionen gemacht haben.
Mangels einer arglistigen Täuschung der Anleger durch den Vertrieb konnte der Bank deshalb nicht der Verwurf gemacht werden, eine Aufklärungspflicht verletzt zu haben. Schadensersatzansprüche der Anleger gegen die Bank, die der Zwangsvollstreckung entgegen gehalten werden könnten, bestehen somit nicht.
Die Verfahren waren zur Klärung weiterer, vom Berufungsgericht bislang noch nicht geprüfter Einwendungen der Anleger zurückzuverweisen.
Urteile vom 5. Juni 2012
XI ZR 149/11
LG Oldenburg - Urteil vom 11. September 2008 - 9 O 1139/06
OLG Oldenburg - Urteil vom 28. Februar 2011 - 3 U 47/08
XI ZR 173/11
LG Oldenburg - Urteil vom 8. März 2010 - 9 O 4267/04
OLG Oldenburg - Urteil vom 10. März 2011 - 8 U 53/10
XI ZR 174/11
LG Oldenburg - Urteil vom 8. März 2010 - 9 O 1121/05
OLG Oldenburg - Urteil vom 10. März 2011 - 8 U 54/10
XI ZR 175/11
LG Oldenburg - Urteil vom 8. März 2010 - 9 O 87/07
OLG Oldenburg - Urteil vom 10. März 2011 - 8 U 61/10
XI ZR 176/11
LG Oldenburg - Urteil vom 8. März 2010 - 9 O 2108/06
OLG Oldenburg - Urteil vom 10. März 2011 - 8 U 59/10
XI ZR 177/11
LG Oldenburg - Urteil vom 8. März 2010 - 9 O 710/06
OLG Oldenburg - Urteil vom 10. März 2011 - 8 U 57/10
XI ZR 178/11
LG Oldenburg - Urteil vom 8. März 2010 - 9 O 3429/05
OLG Oldenburg - Urteil vom 10. März 2011 - 8 U 56/10
XI ZR 179/11
LG Oldenburg - Urteil vom 8. März 2010 - 9 O 71/05
OLG Oldenburg - Urteil vom 10. März 2011 - 8 U 55/10
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76125 Karlsruhe
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Telefax (0721) 159-5501
Der u. a. für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die Revisionen einer Bank in acht Parallelfällen entschieden, dass Anleger nicht arglistig über die Höhe der Vertriebsprovision getäuscht werden, wenn in dem Verkaufsprospekt angegeben wird, vom Gesamtaufwand entfielen für den Erwerb einer Immobilie 76,70% auf "Grundstück, Gebäude incl. Vertrieb und Marketing" und darin eine Vertriebsprovision in Höhe von 18,24% eingepreist ist. Die den Erwerb finanzierende Bank traf deshalb insofern keine Aufklärungspflicht unter dem Gesichtspunkt eines Wissensvorsprungs.
Das Berufungsgericht hat die Zwangsvollstreckung aus notariellen Urkunden, die im Zusammenhang mit dem Immobilienerwerb errichtet wurden und Darlehensrückzahlungsansprüche der Bank sichern sollten, für unzulässig erklärt. Auf die Revisionen der Bank hat der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs die Berufungsurteile aufgehoben und die Verfahren an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Zur Begründung hat der Senat ausgeführt:
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist eine kreditgebende Bank, mit der kein Anlageberatungsvertrag geschlossen wurde, bei steuersparenden Bauherren-, Bauträger- und Erwerbermodellen zur Risikoaufklärung über das finanzierte Anlagegeschäft nur unter ganz besonderen Voraussetzungen verpflichtet. Das ist etwa bei einem Wissensvorsprung der Bank der Fall. Ein solcher liegt u.a. vor, wenn die Bank positive Kenntnis davon hat, dass der Anleger von seinem Geschäftspartner oder durch den Verkaufsprospekt über die von ihm zu zahlenden Vertriebsprovisionen arglistig getäuscht wurde.
Der hier verwendete Verkaufsprospekt weist zwar nicht aus, dass in den Kaufpreis eine Vertriebsprovision in Höhe von 18,24% eingepreist war. Eine arglistige Täuschung, wie sie vom Berufungsgericht angenommen wurde, liegt dennoch nicht vor. Der Anfall von Vertriebsprovisionen wurde im prospektierten Gesamtaufwand unter der Rubrik "Grundstück, Gebäude incl. Vertrieb und Marketing" deutlich erkennbar dem Grunde nach offengelegt. Auch eine Täuschung über die Höhe der Vertriebsprovision ist nicht erfolgt. Aus der geringen Höhe anderer offen gelegter Bestandteile des Gesamtaufwandes kann, entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts, nicht geschlossen werden, die im Kaufpreis enthaltene Vertriebsprovision sei ebenfalls gering.
In den von den Vermittlern verwendeten formularmäßigen Vermittlungsaufträgen und Berechnungsbeispielen wurde ebenfalls nicht arglistig über die Höhe der Vertriebsprovision getäuscht. Diese weisen zwar nur die vom Anleger direkt an den jeweiligen Vermittler zu zahlende "Bearbeitungsgebühr" in Höhe von 3,42% aus. Darin liegt jedoch keine abschließende Erklärung über Anfall und Höhe sonstiger Vertriebsprovisionen. Im Gegenteil wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Vermittler nicht nur für die Erwerber, sondern auch als Nachweismakler für eine zwischengeschaltete Vertriebsgesellschaft tätig werden und Provisionsansprüche auch gegen andere am Immobilienprojekt Beteiligte bestehen können. Schließlich ergab die in den Vorinstanzen durchgeführte Beweisaufnahme nicht, dass die Vermittler in den Verkaufsgesprächen wahrheitswidrige Angaben über Anfall und Höhe weiterer Vertriebsprovisionen gemacht haben.
Mangels einer arglistigen Täuschung der Anleger durch den Vertrieb konnte der Bank deshalb nicht der Verwurf gemacht werden, eine Aufklärungspflicht verletzt zu haben. Schadensersatzansprüche der Anleger gegen die Bank, die der Zwangsvollstreckung entgegen gehalten werden könnten, bestehen somit nicht.
Die Verfahren waren zur Klärung weiterer, vom Berufungsgericht bislang noch nicht geprüfter Einwendungen der Anleger zurückzuverweisen.
Urteile vom 5. Juni 2012
XI ZR 149/11
LG Oldenburg - Urteil vom 11. September 2008 - 9 O 1139/06
OLG Oldenburg - Urteil vom 28. Februar 2011 - 3 U 47/08
XI ZR 173/11
LG Oldenburg - Urteil vom 8. März 2010 - 9 O 4267/04
OLG Oldenburg - Urteil vom 10. März 2011 - 8 U 53/10
XI ZR 174/11
LG Oldenburg - Urteil vom 8. März 2010 - 9 O 1121/05
OLG Oldenburg - Urteil vom 10. März 2011 - 8 U 54/10
XI ZR 175/11
LG Oldenburg - Urteil vom 8. März 2010 - 9 O 87/07
OLG Oldenburg - Urteil vom 10. März 2011 - 8 U 61/10
XI ZR 176/11
LG Oldenburg - Urteil vom 8. März 2010 - 9 O 2108/06
OLG Oldenburg - Urteil vom 10. März 2011 - 8 U 59/10
XI ZR 177/11
LG Oldenburg - Urteil vom 8. März 2010 - 9 O 710/06
OLG Oldenburg - Urteil vom 10. März 2011 - 8 U 57/10
XI ZR 178/11
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OLG Oldenburg - Urteil vom 10. März 2011 - 8 U 56/10
XI ZR 179/11
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Telefax (0721) 159-5501
Über Bundesgerichtshof (BGH):
Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das oberste Gericht der Bundesrepublik Deutschland im Bereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit, d.h. der Zivil- und Strafrechtspflege, die in den unteren Instanzen von den zur Zuständigkeit der Länder gehörenden Amts-, Land- und Oberlandesgerichten ausgeübt wird.
Im Anschluss an die Konstituierung der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1949 wurde am 1. Oktober 1950 der Bundesgerichtshof in Karlsruhe eingerichtet.
Der Bundesgerichtshof ist – bis auf wenige Ausnahmen – Revisionsgericht. Er hat vor allem die Sicherung der Rechtseinheit durch Klärung grundsätzlicher Rechtsfragen und die Fortbildung des Rechts zur Aufgabe.
Der Bundesgerichtshof ist in 12 Zivilsenate und fünf Strafsenate mit insgesamt 127 Richterinnen und Richtern aufgegliedert. Hinzu kommen acht Spezialsenate, nämlich die Senate für Landwirtschafts-, Anwalts-, Notar-, Patentanwalts-, Wirtschaftsprüfer-, Steuerberater- und Steuerbevollmächtigtensachen, der Kartellsenat und das Dienstgericht des Bundes.
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