RÖSLER-Interview für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung

  • Pressemitteilung der Firma FDP-Bundesgeschäftsstelle, 14.06.2012
Pressemitteilung vom: 14.06.2012 von der Firma FDP-Bundesgeschäftsstelle aus

Kurzfassung: Berlin. Der FDP-Bundesvorsitzende und Bundeswirtschaftsminister, DR. PHILIPP RÖSLER, gab der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (Donnerstag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte ANDREAS MIHM: Frage: Der CDU-Wirtschaftsrat hat gerade ...

[FDP-Bundesgeschäftsstelle - 14.06.2012] RÖSLER-Interview für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung"


Berlin. Der FDP-Bundesvorsitzende und Bundeswirtschaftsminister, DR. PHILIPP RÖSLER, gab der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (Donnerstag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte ANDREAS MIHM:

Frage: Der CDU-Wirtschaftsrat hat gerade vor einer Rückverstaatlichung der Energiewirtschaft gewarnt. Führt diese Regierung den Energiesozialismus ein?

RÖSLER: Nicht solange ich Wirtschaftsminister bin. Mit den Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft haben wir Wachstum und Wohlstand in Deutschland erreicht. Sie müssen auch Grundlage für die Energiewende sein. Dazu zählen Markt, Wettbewerb und Transparenz für den Verbraucher. Der muss erkennen können, was die Energiewende kostet. Nur so kommen wir bei einem Projekt dieser Größenordnung schnell voran.

Frage: Die Energiewende gleicht einer Interventionsspirale: Der Staat mischt sich ein beim Netzausbau, beim Betrieb von Anlagen, subventioniert Erneuerbare doppelt. Ist das Marktwirtschaft?

RÖSLER: Staatliche Unterstützung kann bei der Markteinführung einer Technologie sinnvoll sein. Unser Ziel muss aber sein, diese Interventionen möglichst gering zu halten. Es kann nicht sein, dass wir Subventionen an der einen Stelle durch Subventionen an anderer Stelle ausgleichen. Der Ruf nach staatlicher Förderung für den Neubau von konventionellen Kraftwerken ist so ein Beispiel. Für mich gilt: Aufgabe der Politik ist es, die Rahmenbedingungen so festzulegen, dass sie Planungssicherheit bieten und Wettbewerb ermöglichen. Wer alles bis ins Detail festlegen will, der landet früher oder später in einer Planwirtschaft.

Frage: Gehört es zu deren Regeln, dass Sie Betreibern vorschreiben wollen, Kraftwerke auch dann zu betreiben, wenn sie kein Geld verdienen?

RÖSLER: Das wäre ein unverhältnismäßiger Eingriff. Die Bundesnetzagentur hat verschiedene Vorschläge gemacht, wie die Versorgungssicherheit gewahrt bleibt. Ich bin sicher, dass hier eine Lösung gefunden wird.

Frage: Viele rufen nach mehr Hilfen, auch für den Neubau von Kraftwerken, weil die wegen der hohen Förderung für Erneuerbare nicht mehr wirtschaftlich sind. Gehört das zur Marktwirtschaft?

RÖSLER: Der Grund dafür ist der Einspeisevorrang und die Vollkaskofinanzierung für alle Investitionen in Erneuerbare Energien. Das führt zu immer mehr Ökostrom im Netz, was die Rentabilität alter und neuer Kraftwerke beeinträchtigt. Dieses Problem wird bei einem steigenden Anteil erneuerbarer Energien in Zukunft noch zunehmen. Hier handelt es sich um ein Problem, das durch eine Subvention entstanden ist...

Frage: ... die künftig die nächste Subvention nährt?

RÖSLER: Genau das ist das Problem. Ein solches System wird nicht funktionieren.

Frage: Es wird also keine "Kapazitätsmarktförderung" geben?

RÖSLER: Darüber müssen wir ehrlich debattieren. Die Wirtschaftlichkeit von Kraftwerken, die wir für die Energiewende und die Erneuerbaren Energien brauchen, ist nicht so sicher wie bei den Erneuerbaren unter dem Schirm des EEG. Mit Blick jedenfalls auf den Zeitraum nach 2020 wird dies ein Problem. Das diskutieren wir jetzt mit Ländern und Verbänden. Vorrangig muss es aber darum gehen, die Ursache des Problems anzugehen. Das ist nun mal das EEG.

Frage: Die EEG-Ausgaben lagen laut Netzbetreibern im Mai 522 Millionen Euro über Plan. Wie hoch ist das Defizit am Jahresende?

RÖSLER: Die Prognose für 2013 wird im Oktober von den Netzbetreibern veröffentlicht. An Spekulationen beteilige ich mich bis dahin nicht. Aber klar ist schon heute, dass der starke Ausbau der Erneuerbaren die EEG-Ausgaben und damit auch die Strompreise weiter in die Höhe treiben wird. Aktuell geht es darum, die geplante Reduzierung der Photovoltaik-Förderung umzusetzen. Das kann aber nur der erste Schritt bei der grundlegenden Überarbeitung des EEG sein.

Frage: Und die Schritte zwei und drei?

RÖSLER: Mehr Wettbewerb, mehr Marktintegration, nicht nur bei Solarstrom. Die Kunst besteht darin, das bestehende System weiterzuentwickeln und Planungssicherheit zu gewährleisten.

Frage: Im Gespräch ist ein Quotenmodell. Versorger würden gezwungen, eine vorgegebene Menge Ökostrom zu nutzen. So würde der effizienteste Anbieter zum Zuge kommen. Das wäre ein Marktmodell. Machen Sie es zu Ihrem?

RÖSLER: Das ist ein Ausgangspunkt mehrerer denkbarer Optionen. Wir stehen erst am Anfang unserer Überlegungen.

Frage: Angesichts von einer möglichen Erhöhung der EEG-Umlage um 40 Prozent nächstes Jahr verlangt sogar Eon-Chef Johannes Teyssen einen Sozialstromtarif. Halten Sie das für eine kluge Idee?

RÖSLER: Es macht keinen Sinn, die Probleme einer Subvention mit einem staatlichen Zuschuss zu lösen. Das löst das Problem nicht, im Gegenteil. Für die großen Energieverbraucher machen wir Ausnahmen, damit sie im Wettbewerb bestehen können, die unteren Einkommen sollen einen Zuschuss zur Stromrechnung bekommen. Und wo bleibt die Mitte? Damit gefährden wir die Zustimmung zur Energiewende.

Frage: Umweltgruppen empfehlen, mit der Kürzung der viele Hunderte Millionen Euro schweren Ausnahmen für die Industrie anzufangen.

RÖSLER: Diese Ausnahmen hat bereits Rot-Grün auf den Weg gebracht. Ich bekenne mich ausdrücklich dazu: Deutschland muss Industriestandort bleiben. Hier geht es um viele Arbeitsplätze. Im internationalen Vergleich haben wir schon heute hohe Strompreise. Kürzungen sind mit mir deshalb nicht zu machen. Das würde die Wettbewerbsfähigkeit vieler Unternehmen gefährden. Dabei hat gerade unser hoher Industrieanteil erheblich geholfen, die letzte Krise zu meistern. Im Übrigen sollten die Umweltverbände bedenken: Elektromobilität, Windräder oder Solarmodule wären undenkbar ohne moderne Industrieprodukte wie chemische Grundstoffe, Aluminium und Stahl.

Frage: Das EEG, um das Sie sich sorgen, verantwortet der Umweltminister. Was tun Sie an Ihren Baustellen?

RÖSLER: Die Frage der Bezahlbarkeit von Energie für Verbraucher und Unternehmen ist selbstverständlich auch eine Aufgabe des Bundeswirtschaftsministers. Deshalb beteilige ich mich an der Diskussion über die Zukunft des EEG. Beim Netzausbau haben die Übertragungsnetzbetreiber Anfang Juni mit dem Netzentwicklungsplan ihre Ausbaupläne vorgelegt. Damit soll die im Norden erzeugte Energie künftig über moderne Stromautobahnen in die Verbrauchszentren im Süden und Westen transportiert werden. Hier sind wir im Zeitplan. Bis Jahresende wird der gesetzliche Rahmen für den künftigen Netzausbau stehen. Dabei müssen wir den Planungs- und Bauprozess beschleunigen. Es reicht aus meiner Sicht, wenn mit dem Bundesverwaltungsgericht eine einzige Gerichtsinstanz angerufen werden kann.

Frage: Sie wollen die Verfahren beschleunigen, gleichzeitig sollen die Bürger besser und mehr an den Entscheidungen über die Planung beteiligt werden?

RÖSLER: Ich will keine Beteiligungsrechte beschneiden. Aber wenn nach einem transparenten Verfahren eine Entscheidung getroffen worden ist, dann sollte diese auch zügig umgesetzt werden. Deshalb die Verkürzung des Rechtswegs auf eine Gerichtsinstanz.

Frage: Wie sieht es aktuell aus, beim Netzausbau?

RÖSLER: Überall da, wo Ländergrenzen aneinander stoßen, wird es schwierig. Im 2009 beschlossenen Energieleitungsausbaugesetz wurden ca. 1800 Kilometer beschlossen, Stand heute sind erst rund 200 Kilometer gebaut. Von den 24 Projekten haben sich neun um mehr als zwei Jahre verzögert. So viel Zeitverzug dürfen wir uns nicht länger leisten. Hier sind die Länder gefordert, die für die notwendigen Genehmigungen zuständig sind.

Frage: Unter der Hand klagen Netzbetreiber über Verzögerungen durch Umwelt- und Tierschutzvorgaben.

RÖSLER: Darüber müssen wir mit der EU reden. Auf Fachebene laufen die Gespräche bereits. Dabei geht es vor allem um die Fauna-Flora-Habitat- sowie die Vogelschutz-Richtlinie. Da müssen wir ran. Jedem Beteiligten muss klar sein, dass wir auf die Herausforderungen der Energiewende auch unbequeme Antworten geben müssen. Auch das gehört zur Ehrlichkeit dazu. Uns wäre bereits geholfen, wenn wir zum Beispiel beim Durchqueren von Schutzgebieten einen Teil der EU-Regeln auf Zeit außer Kraft setzen könnten.

Frage: Der Umweltminister will bis zum Sommer überprüfen, ob die Ziele der Energiewende erreicht werden. Halten sie daran fest, Ökostrom bis 2020 auf 35 Prozent auszubauen, die Kernkraftwerke abzuschalten und die Nordsee mit Windrädern voll zustellen?

RÖSLER: Ende des Jahres liegt der erste Monitoring-Bericht vor. Dann werden wir sehen, wo wir bei der Energiewende stehen und wo wir eventuell nachsteuern müssen. Sicher ist, dass wir an dem Ausstiegsbeschluss 2022 festhalten werden. Wenn wir allerdings 2020 die Stromerzeugung zu 35 Prozent und bis 2050 auf 80 Prozent Erneuerbare umstellen wollen, dann müssen wir an die bisherige Förderung ran. Denn Energie muss auch künftig bezahlbar bleiben. Das ist die wichtigste Herausforderung.


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