LAMBSDORFF: Sofortige Neuwahl in Ägypten wäre unverantwortlich (09.02.2011)

  • Pressemitteilung der Firma FDP, 09.02.2011
Pressemitteilung vom: 09.02.2011 von der Firma FDP aus Berlin

Kurzfassung: Berlin. Das kooptierte Mitglied des FDP-Bundesvorstands, der außenpolitischer Sprecher der FDP im Europaparlament, ALEXANDER GRAF LAMBSDORFF, schrieb für "Welt Online" den folgenden Gastbeitrag über die Revolution in der arabischen Welt, den Ruf ...

[FDP - 09.02.2011] LAMBSDORFF: Sofortige Neuwahl in Ägypten wäre unverantwortlich (09.02.2011)


Berlin. Das kooptierte Mitglied des FDP-Bundesvorstands, der außenpolitischer Sprecher der FDP im Europaparlament, ALEXANDER GRAF LAMBSDORFF, schrieb für "Welt Online" den folgenden Gastbeitrag über die Revolution in der arabischen Welt, den Ruf nach sofortigen Wahlen und die Verantwortung des Westens:

"In den arabischen Staaten haben die Menschen genug von ihren Diktatoren. Nach Tunesien spitzt sich besonders in Ägypten die Lage zu. Doch auch in Jordanien hat es einen Regierungswechsel gegeben, im Jemen hat der Präsident angekündigt, nicht wieder zur Wahl anzutreten. Dieser Umbruch in Europas unmittelbarer Nachbarschaft ist für Liberale Grund zur Freude – die Demonstranten stehen auf für Freiheit statt Unterdrückung, Menschenrechte statt Folter und Gerechtigkeit statt Ausbeutung.

Das ist in der Tat ein Rendezvous mit der Geschichte. ,Als Demokraten stehen wir auf der Seite der Demokratie’ hat Außenminister Westerwelle schon früh öffentlich deutlich gemacht. Ich bin hier im Europaparlament einer Deutsch-Ägypterin begegnet, die sich für die klaren Worte aus Berlin voller Begeisterung und doch auch voller Sorge um ihr Land bedankt hat.

Wer jetzt nach einer direkten Intervention des Westens ruft, die Regierungen Europas, der USA und die EU für ihre angebliche Zurückhaltung kritisiert, der jagt einer öffentlichen Stimmung nach, die außer unserer Sympathie für die Demonstranten nichts weiter in den Blick nimmt. Man kann das tun – aber verantwortungsvoll Politik machen kann man so nicht. Ägypten ist ein Land mit 82 Millionen Einwohnern an der Nahtstelle von Nahem Osten und Maghreb.

Die Ägypter sind dabei, sich selber eine neue Regierung zu geben – wollen wir sie dabei bevormunden? Und vergessen wir nicht, wie in Europa die direkte Einmischungspolitik von Präsident Bush – "regime change" – kritisiert wurde, und zwar zu Recht. Doch dieselben Leute rufen jetzt lauthals genau nach dieser Politik.

Ägypten ist zudem neben Jordanien das einzige arabische Land, das einen Friedensvertrag mit Israel hat. Nur zwei Jahre, nachdem 1979 im Iran die islamische Republik errichtet wurde, wurde in Kairo der Friedenspräsident Anwar-el-Sadat ermordet. Die Sorge, dass der nächste große Nahost-Krieg unmittelbar bevorstehen könnte, war damals mit Händen zu greifen. Doch Husni Mubarak hielt sein Land auf Friedenskurs in einer Region, die zwischen 1948 und heute mehr Kriege gesehen hat als jede andere Weltgegend. Deswegen hat der Westen mit Mubarak zusammen gearbeitet, und der außenpolitische Imperativ für den Westen – Frieden in Nahost – ist auch in Revolutionszeiten nicht einfach beiseite zu wischen.

Wir haben ein überragendes Interesse daran, dass es nicht zu vieltausendfachem Leid, zu Krieg und Gewalt unter Beteiligung der regionalen Großmacht Ägypten kommt. So haben es alle Kenner der Lage am letzten Wochenende auf der Sicherheitskonferenz in München gesehen, so sieht es die Obama-Administration, so sieht es die EU-Außenministerin Catherine Ashton – und so sieht es auch der Bundesvorstand der FDP, der in seiner Sitzung am Montag dem Außenminister volle Unterstützung für seinen verantwortungswollen Kurs zugesichert hat.

Natürlich gibt es auch in der FDP abweichende Einzelmeinungen, doch die Linie ist klar. Wie in der großen europäischen Umwälzung von 1989 die Diplomaten unter der Führung von Hans-Dietrich Genscher einen Demokratisierungsprozess außenpolitisch einbetteten, um den Frieden zu sichern, so muss auch dieses Mal der Westen bei uneingeschränkter Sympathie für die Demokratie in Arabien umsichtig vorgehen.
Der Ruf nach sofortigen Wahlen ist in höchstem Maße unverantwortlich, denn außer den Muslimbrüdern gibt es im Moment keine organisierte Opposition, die eine Wahl gewinnen könnte. Die bisher unterdrückten Oppositionskräfte müssen Zeit bekommen, sich zu ordnen, denn in einer Wahl müssen sowohl die religiös geprägten Kräfte, aber auch die säkularen Parteien eine Chance bekommen, die Zukunft des Landes mit zu gestalten. Natürlich können hierbei die deutschen politischen Stiftungen eine entscheidende Rolle spielen – doch der Aufbau solcher Strukturen braucht Zeit. Eine Wahl jetzt sofort würde eindeutig nur die Muslimbrüder oder die Partei von Herrn Mubarak befördern, und daran können wir kein Interesse haben.

Ein Rendezvous mit der Geschichte kann wie im wirklichen Leben so oder so ausgehen – als kurze Romanze oder dauerhafte Beziehung. Bei einem Land wie Ägypten mit seiner 5000-jährigen Geschichte ist es sinnvoller, nicht leere Versprechungen für eine flüchtige Affäre abzugeben. Gefragt ist bei diesem wichtigen Nachbarn vielmehr, die Fundamente für dauerhafte Demokratisierung und einen außenpolitischen Friedenskurs auch einer neuen Regierung zu legen. Das hilft den Menschen in Ägypten, Israel und Europa mehr als der Versuch einer Bevormundung von außen, den gerade Ägypten nicht braucht."


FDP-Bundespartei
Pressestelle
Reinhardtstraße 14
10117 Berlin
Telefon: 030 - 28 49 58 43
Fax: 030 - 28 49 58 42
E-Mail: presse@fdp.de

Über FDP:
Eine Geschichte als Herausforderung.
Der Liberalismus begann seinen historischen Weg als Philosophie der Freiheit und als politische Bewegung für die Rechte des Einzelnen. Die Willkürherrschaft des Absolutismus stand im Widerspruch zur Idee einer freiheitlichen Gesellschaft. Mit dem Verfassungsstaat hat der Liberalismus den Absolutismus überwunden.
Als erste politische Bewegung hat der Liberalismus dem einzelnen Bürger, seiner menschlichen Würde und seinen Menschenrechten der Freiheit und Gleichheit Vorrang vor der Macht des Staates eingeräumt. Schritt für Schritt verwirklichten Liberale den modernen Verfassungsstaat mit individuellen Grundrechten, der freien Entfaltung der Persönlichkeit, dem Schutz von Minderheiten, der Gewaltenteilung und der Rechtsbindung staatlicher Gewalt.

Der Liberalismus hat als Freiheitsbewegung nicht nur für die Gleichheit vor dem Gesetz gekämpft, sondern auch für Chancengleichheit in der Gesellschaft. Mit der Marktwirtschaft und ihrer sozialen Verpflichtung hat der Liberalismus neue Chancen gegen Existenznot und konservative Erstarrung der gesellschaftlichen Strukturen eröffnet.

Die liberale Verfassung unserer Bundesrepublik Deutschland hat mehr demokratische Stabilität, mehr allgemeinen Wohlstand, mehr soziale Gerechtigkeit und Rechtsstaatlichkeit hervorgebracht, als dies je zuvor in der Geschichte der Fall gewesen ist. Und dennoch ist die Idee der Freiheit den schleichenden Gefahren der Gewöhnung und Geringschätzung ausgesetzt. Weniger Teilhabe am demokratischen Staat, weniger Chancen für ein selbstbestimmtes Leben durch weniger Chancen auf einen sicheren Arbeitsplatz, Entmündigungen durch kollektive Zwangssysteme und bevormundende Bürokratie sind neue Bedrohungen der Freiheit.

Liberale haben nach 1945 der Idee der Freiheit zum erneuten Durchbruch verholfen. Die FDP war stets der Motor für Reformen, wenn es um Richtungsentscheidungen zugunsten der Freiheit ging. Nur durch die FDP konnte in den fünfziger Jahren die Soziale Marktwirtschaft gegen die Sozialdemokraten und Teile der Christdemokraten durchgesetzt werden. Nur durch die FDP konnte sich in den siebziger Jahren mehr Bürgerfreiheit gegen konservative Rechts- und Gesellschaftspolitik durchsetzen. Die Liberalen waren Vorreiter für die Demokratisierung und Liberalisierung der Gesellschaft, gegen obrigkeits- staatliche Bevormundung und Engstirnigkeit. Unsere Politik der marktwirtschaftlichen Erneuerung in den achtziger Jahren brachte neue Arbeitsplätze und mehr Wohlstand für mehr Bürger.

Ein großer Teil des Widerstands gegen das sozialistische Staatswesen erwuchs aus der Attraktivität des freiheitlich-liberalen Gesellschafts- und Wirtschaftssystems. Das in den europäischen Integrationsprozeß eingebettete, vereinte Deutschland ist das freiheitlichste unserer Geschichte.

Firmenkontakt:
FDP-Bundespartei
Pressestelle
Reinhardtstraße 14
10117 Berlin
Telefon: 030 - 28 49 58 43
Fax: 030 - 28 49 58 42
E-Mail: presse@fdp.de

Die Pressemeldung "LAMBSDORFF: Sofortige Neuwahl in Ägypten wäre unverantwortlich (09.02.2011)" unterliegt dem Urheberrecht der pressrelations GmbH. Jegliche Verwendung dieses Textes, auch auszugsweise, erfordert die vorherige schriftliche Erlaubnis des Autors. Autor der Pressemeldung "LAMBSDORFF: Sofortige Neuwahl in Ägypten wäre unverantwortlich (09.02.2011)" ist FDP.