WESTERWELLE-Interview für die "Südwest Presse (12.02.2011)

  • Pressemitteilung der Firma FDP, 14.02.2011
Pressemitteilung vom: 14.02.2011 von der Firma FDP aus Berlin

Kurzfassung: Berlin. Der FDP-Bundesvorsitzende und Bundesaußenminister DR. GUIDO WESTERWELLE gab der "Südwest Presse" (Samstag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte DR. DIETER KELLER: Frage: Herr Westerwelle, der Vermittlungsausschuss soll einen ...

[FDP - 14.02.2011] WESTERWELLE-Interview für die "Südwest Presse" (12.02.2011)


Berlin. Der FDP-Bundesvorsitzende und Bundesaußenminister DR. GUIDO
WESTERWELLE gab der "Südwest Presse" (Samstag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte DR. DIETER KELLER:

Frage: Herr Westerwelle, der Vermittlungsausschuss soll einen zweiten Anlauf machen, einen Kompromiss für die Hartz-IV-Reform zu finden. Wo ist die FDP bereit, sich zu bewegen?

WESTERWELLE: Ich bedauere sehr, dass die Verabschiedung vertagt wurde. Damit wird von der Opposition das große Bildungspaket für Kinder aufgehalten, das in meinen Augen zukunftsweisende Sozialpolitik ist, das Chancen für Aufstieg schafft. Wir werden mit der Opposition erneut ins Gespräch eintreten und versuchen, erst einmal zu beschließen, was geht. Wenn die Opposition mehr bei den Regelsätzen will, dann sollten die objektiv errechneten fünf Euro zunächst beschlossen werden, damit sie bei den Betroffenen ankommen.

Frage: War das Hauptproblem in den Verhandlungen, dass sich die Koalition untereinander nicht einig war?

WESTERWELLE: Die Verhandlungen waren bisher nicht erfolgreich, weil sich die SPD und die Grünen zum zweiten Mal entschieden hatten, eine Lafontaine-Strategie zu fahren. Wie 1997, als er als SPD-Vorsitzender die große Steuerreform verhindert hat nach dem Motto: Alles, was dem Wahlkampf nutzt, ist richtig. Erst die Partei, dann das Land. So verhält sich heute leider die Opposition wieder.

Frage: Wollte die FDP verhindern, dass der Regelsatz um mehr als fünf Euro im Monat erhöht wird?

WESTERWELLE: Das Verfassungsgericht hat die Regelsätze, die Rot-Grün beschlossen hatte, für verfassungswidrig erklärt, weil sie nicht errechnet, sondern politisch festgesetzt wurden. Im letzten Jahr wurde über Monate der durchschnittliche Lebensbedarf eines Hartz-IV-Empfängers errechnet. Das ist auf Euro und Cent in den Tabellen aufgeführt, und so kommen wir auf 364 Euro. Das bedeutet, dass eine vierköpfige Familie etwa 1860 Euro im Monat vom Staat zur Verfügung gestellt bekommt. Das ist angemessen, und wir wollen auch die nicht vergessen, die arbeiten und trotzdem gelegentlich weniger haben.

Frage: Wollte die FDP unbedingt einen Mindestlohn in der Zeitarbeitsbranche verhindern?

WESTERWELLE: Die Zeitarbeit hat einen wesentlichen Beitrag zu den vielen neuen Arbeitsplätzen gebracht. Es waren die Gewerkschaften, die in Tarifverhandlungen die Regel der gleichen Bezahlung wie für die Stammbelegschaft ausgesetzt haben. Sie kritisieren einen Zustand, für den sie selbst verantwortlich sind. Hätten sie keine solchen Tarifverträge abgeschlossen, hätten wir die gleiche Bezahlung.

Frage: Mit welchen Gefühlen blicken Sie auf den 27. März und die Landtagswahlen in Baden-Württemberg?

WESTERWELLE: Mit Spannung, Zuversicht und Kampfgeist.

Frage: Baden-Württemberg gilt als Kernland des Liberalismus. Atmen Sie auf, dass die FDP in den Umfragen wieder über fünf Prozent liegt?

WESTERWELLE: Die FDP wird ein sehr ordentliches Ergebnis schaffen, weil die Erfolge des Politikwechsels, der von uns eingeleitet wurde, mehr und mehr sichtbar werden. Wir haben in Baden-Württemberg eine der erfolgreichsten Landesregierungen überhaupt. Die Jugendarbeitslosigkeit liegt unter drei Prozent, während sie in Frankreich oder Spanien zum Teil 30 Prozent beträgt. Auch auf Bundesebene sehen die Bürger zunehmend, dass unsere Mittelstandspolitik, für die wir als angebliche Klientelpartei heftig kritisiert wurden, eine wesentliche Voraussetzung für das Beschäftigungswunder war. Unsere Politik führt zu einem Anstieg der Nettogehälter wie seit 14 Jahren nicht mehr. Das ist gut für die Bildungschancen. Aber auch die Renten steigen dadurch. Also ist unsere Politik gut für das ganze Volk.

Frage: Warum sollen die Baden-Württemberger die FDP wählen und nicht gleich die CDU?

WESTERWELLE: Nur die FDP steht ohne Wenn und Aber für eine mittelstandsorientierte Wirtschaftspolitik. Wir nehmen die Bürgerrechte und die Privatsphäre in Schutz und sind damit ein wichtiges Korrektiv zu den Konservativen. Und wir garantieren eine Bildungspolitik, die für die Breitenförderung wie für die Begabtenförderung sorgt. Die Einheitsschule, wie gerade erst von Schwarz-Grün in Hamburg versucht, geht mit uns nicht.

Frage: Können Sie sich eine Situation vorstellen, in der Birgit Homburger als Ministerin nach Stuttgart geht?

WESTERWELLE: An solchen Personaldiskussionen beteilige ich mich schon deswegen nicht, weil ich sehr dankbar bin, wie effizient und überzeugend Birgit Homburger die Bundestagsfraktion führt.
Frage: Welche Schlüsse haben Sie aus der erbitterten Auseinandersetzung um Stuttgart 21 gezogen?

WESTERWELLE: Dass man sich bei Gegenwind nie wegducken darf, sondern mit doppelter Anstrengung für die eigenen Überzeugungen werben muss. So haben wir Liberalen es gemacht. Vor Monaten hieß es, die Mehrheit der Baden-Württemberger sei gegen Stuttgart 21. Wir haben Kurs gehalten und aufgezeigt, dass eine Gesellschaft, die gegen alles ist, ob Flughäfen, Stromleitungen, Straßen und sogar Bahnhöfe, auf Dauer den Wohlstand verlieren wird.

Frage: Wird Stuttgart 21 die Wahl beeinflussen?

WESTERWELLE: Das hoffe ich sehr. Denn die Mehrheit der Baden-Württemberger teilt unsere Auffassung, dass eine Dagegen-Republik Deutschland zurückwirft. Wir müssen ein Land sein, das sich auf Neues freut, anpackt und nicht aus allem aussteigt.

Frage: Als Außenminister beschäftigt Sie derzeit besonders Ägypten. Wie kann Deutschland nach dem Rücktritt Husni Mubaraks beim Aufbau von demokratischen Strukturen helfen?

WESTERWELLE: Ich begrüße den Rücktritt des ägyptischen Präsidenten. Das ist ein historischer Moment für die Menschen in Ägypten. Wir fordern die Verantwortlichen auf, den demokratischen Wandel jetzt ohne Verzug zuzulassen, die berechtigten Anliegen der Demonstranten aufzugreifen und auf jede Form von Gewalt zu verzichten. Wir sind bereit, mit einer Transformationspartnerschaft, so wie sie die Bundesregierung auf die europäische Tagesordnung gesetzt hat, den Prozess des demokratischen Wandels zu befördern. Bei der Stärkung der Zivilgesellschaft können unsere politischen Stiftungen helfen. Auch beim Aufbau einer unabhängigen Debatte können wir mit Rat und Tat unterstützen.


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Eine Geschichte als Herausforderung.
Der Liberalismus begann seinen historischen Weg als Philosophie der Freiheit und als politische Bewegung für die Rechte des Einzelnen. Die Willkürherrschaft des Absolutismus stand im Widerspruch zur Idee einer freiheitlichen Gesellschaft. Mit dem Verfassungsstaat hat der Liberalismus den Absolutismus überwunden.
Als erste politische Bewegung hat der Liberalismus dem einzelnen Bürger, seiner menschlichen Würde und seinen Menschenrechten der Freiheit und Gleichheit Vorrang vor der Macht des Staates eingeräumt. Schritt für Schritt verwirklichten Liberale den modernen Verfassungsstaat mit individuellen Grundrechten, der freien Entfaltung der Persönlichkeit, dem Schutz von Minderheiten, der Gewaltenteilung und der Rechtsbindung staatlicher Gewalt.

Der Liberalismus hat als Freiheitsbewegung nicht nur für die Gleichheit vor dem Gesetz gekämpft, sondern auch für Chancengleichheit in der Gesellschaft. Mit der Marktwirtschaft und ihrer sozialen Verpflichtung hat der Liberalismus neue Chancen gegen Existenznot und konservative Erstarrung der gesellschaftlichen Strukturen eröffnet.

Die liberale Verfassung unserer Bundesrepublik Deutschland hat mehr demokratische Stabilität, mehr allgemeinen Wohlstand, mehr soziale Gerechtigkeit und Rechtsstaatlichkeit hervorgebracht, als dies je zuvor in der Geschichte der Fall gewesen ist. Und dennoch ist die Idee der Freiheit den schleichenden Gefahren der Gewöhnung und Geringschätzung ausgesetzt. Weniger Teilhabe am demokratischen Staat, weniger Chancen für ein selbstbestimmtes Leben durch weniger Chancen auf einen sicheren Arbeitsplatz, Entmündigungen durch kollektive Zwangssysteme und bevormundende Bürokratie sind neue Bedrohungen der Freiheit.

Liberale haben nach 1945 der Idee der Freiheit zum erneuten Durchbruch verholfen. Die FDP war stets der Motor für Reformen, wenn es um Richtungsentscheidungen zugunsten der Freiheit ging. Nur durch die FDP konnte in den fünfziger Jahren die Soziale Marktwirtschaft gegen die Sozialdemokraten und Teile der Christdemokraten durchgesetzt werden. Nur durch die FDP konnte sich in den siebziger Jahren mehr Bürgerfreiheit gegen konservative Rechts- und Gesellschaftspolitik durchsetzen. Die Liberalen waren Vorreiter für die Demokratisierung und Liberalisierung der Gesellschaft, gegen obrigkeits- staatliche Bevormundung und Engstirnigkeit. Unsere Politik der marktwirtschaftlichen Erneuerung in den achtziger Jahren brachte neue Arbeitsplätze und mehr Wohlstand für mehr Bürger.

Ein großer Teil des Widerstands gegen das sozialistische Staatswesen erwuchs aus der Attraktivität des freiheitlich-liberalen Gesellschafts- und Wirtschaftssystems. Das in den europäischen Integrationsprozeß eingebettete, vereinte Deutschland ist das freiheitlichste unserer Geschichte.

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