WESTERWELLE-Interview für den "Focus
- Pressemitteilung der Firma FDP, 06.08.2012
Pressemitteilung vom: 06.08.2012 von der Firma FDP aus Berlin
Kurzfassung: Berlin. Das FDP-Präsidiumsmitglied Bundesaußenminister DR. GUIDO WESTERWELLE gab dem "Focus" (aktuelle Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellten DANIEL GOFFART und OLAF OPITZ: Frage: Herr Minister, Sie machen gerade in Spanien Urlaub. ...
[FDP - 06.08.2012] WESTERWELLE-Interview für den "Focus"
Berlin. Das FDP-Präsidiumsmitglied Bundesaußenminister DR. GUIDO WESTERWELLE gab dem "Focus" (aktuelle Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellten DANIEL GOFFART und OLAF OPITZ:
Frage: Herr Minister, Sie machen gerade in Spanien Urlaub. Würden Sie spanische Staatsanleihen kaufen? Mehr als sieben Prozent Rendite sind doch kein schlechtes Geschäft.
WESTERWELLE: Ich bin Außenminister, kein Anlageberater. Was Spanien betrifft: Das Land hat eine starke Wirtschaft, es hat beachtliche Reformfortschritte gemacht und kann für ganz Europa eine Brücke auf den boomenden lateinamerikanischen Kontinent sein.
Frage: Das Vertrauen der Finanzmärkte in den Euro ist jedenfalls auf einem Tiefpunkt angelangt. Deutschland soll erneut die Rolle des Retters übernehmen. Sind die Erwartungen nicht zu hoch?
WESTERWELLE: Ich teile Ihre Einschätzung bezüglich des Euro nicht. Unsere Währung ist sehr stabil...
Frage: ...aber die hohen Zinsen für die Staatsanleihen der Krisenstaaten sprechen eine andere Sprache.
WESTERWELLE: Die Zinsen liegen ungefähr dort, wo sie vor der Einführung des Euro standen, das vergessen heute viele. Als der Euro kam, sanken die Zinsen in den meisten Ländern erheblich. Das hat einige Staaten verführt, sich lieber billig zu verschulden, als unangenehme Reformaufgaben anzupacken. Für dieses Versagen ihrer Regierungen zahlen die Bürger in den betroffenen Ländern heute einen bitteren Preis. Das tut mir für die Menschen Leid, aber eine durchgreifende Konsolidierung ist unverzichtbar. Man kann eine Staatsschuldenkrise nicht mit immer neuen Schulden lösen.
Frage: Angela Merkel hat bereits mehrfach vor einer Überforderung Deutschlands gewarnt…
WESTERWELLE: …Niemand kann übersehen, dass wir mit großen Beträgen haften. Allein für die bisherigen Hilfsprogramme haftet Deutschland mit über 150 Mrd Euro. Das ist viel...
Frage: ...aber nicht zuviel?
WESTERWELLE: Nein. Die deutsche Hilfe ist nicht ohne Risiko, aber im Ganzen verantwortbar. Ich sehe außerdem keine vernünftigen Alternativen, die mehr Aussicht auf Erfolg hätten und weniger Risiko bedeuten würden. Ein Scheitern des Euro würde unübersehbare wirtschaftliche und finanzielle Schäden verursachen. Das müssen alle Kritiker bedenken, die lieber Ressentiments schüren oder sich alter Klischees bedienen.
Frage: In Deutschland ist Kritik an der Euro-Rettung populär, auch der in Koalition.
WESTERWELLE: Konstruktive Kritik ist willkommen. Aber es gibt mir in ganz Europa zu viele Politiker, die auf dem Feuer der Krise ihr unappetitliches Süppchen der Renationalisierung kochen. Alle sollten darauf achten, was man sagt und wie man es sagt. Auch hier gilt: "Der Ton macht die Musik". Das wissen auch die vielen Millionen Deutschen, die jetzt ihren Urlaub in Europa genießen, frei reisen und in vielen Ländern mit ihrem Geld bezahlen können. Wir alle können heute unseren Arbeits- oder Studienort in ganz Europa frei wählen. Wenn wir einen Teil Europas in Frage stellen, kommt schnell alles auf die schiefe Bahn. Europa hat einen Preis, aber eben auch einen Wert. Das gilt für die Freiheit ebenso wie für den Erhalt deutscher Arbeitsplätze.
Frage: Nach dem Willen der meisten Euro-Länder soll der Rettungsfonds ESM in unbegrenzter Höhe Anleihen von den Krisenstaaten aufkaufen. Unterstützen Sie diesen Plan?
WESTERWELLE: Einer gesamtschuldnerischen Haftung für die Schulden Europas oder einer
Haftung für das Unbekannte kann die Bundesregierung nicht zustimmen. Das gilt auch für den derzeit diskutierten Vorschlag, den ESM mit einer Bankenlizenz auszustatten. Auch hier würden wir unbegrenzt für unbekannte Risiken haften. Das wäre auch mit unserer Verfassung nicht vereinbar.
Frage: SPD und Grüne, die bislang die Europapolitik der Bundesregierung gestützt haben, sprechen sich dafür aus.
WESTERWELLE: Unsere Oppositionsparteien lassen sich in dieser Frage zu stark von der
Verschuldungspolitik anderer Sozialisten in Europa vereinnahmen.
Frage: Gäbe es für eine solche Bankenlizenz des ESM überhaupt eine Bundestagsmehrheit?
WESTERWELLE: Der Bundestag ist Hüter der deutschen Steuergelder. Ich kann mir nicht
vorstellen, dass es für eine Politik der unbegrenzten gesamtschuldnerischen Haftung Deutschlands eine Mehrheit im Bundestag gibt. Ich als Abgeordneter könnte dem jedenfalls nicht zustimmen.
Frage: Wäre eine solche Haftungsübernahme denkbar, wenn die Fiskalunion vollendet wäre?
WESTERWELLE: Nein, das ist keine Frage des Zeitpunkts. Auch wenn Europa stärker integriert ist, wären Eurobonds oder die Haftungsübernahme für alle europäischen Schulden schwerwiegende Konstruktionsfehler. Europa kann auch an zu viel Solidarität scheitern, nämlich dann, wenn wir uns überfordern und die Reformbereitschaft der anderen unterfordern.
Frage: Die Anleger an den Märkten werden doch nicht eher Ruhe geben, bis sie Deutschland als stabilste und größte Wirtschaftsnation Europas mit in den Haftungsverbund für die europäischen Schulden getrieben haben. Jeder, der Geld verleiht, sucht nach maximaler Sicherheit.
WESTERWELLE: Ich glaube nicht an diese Verschwörungstheorie angeblicher Spekulanten. Die Anleger an den Märkten investieren auch das Geld von Pensionsfonds und Sparanlagen. Sie handeln rational und suchen nach möglichst sicheren Orten mit guter Verzinsung. Dennoch: Als verantwortlicher Politiker, der ein Anhänger der Sozialen Marktwirtschaft ist, ist es nicht meine Aufgabe, Märkte kurzfristig zu befriedigen oder einen Aktienindex zu stimulieren. Wir müssen nachhaltige Antworten auf die Schuldenkrise geben, die unsere Währung, Wirtschaft und unseren Wohlstand schützen.
Frage: Wie sollen die lauten?
WESTERWELLE: Nicht ‚more spending’, sondern ‚better spending’ heißt die Devise. Wir brauchen eine Agenda 2020 für mehr Wettbewerbsfähigkeit in ganz Europa. Wir brauchen durchgreifende Reformen in der ganzen Eurozone. Das braucht Zeit und erfordert Geduld, wie wir in Deutschland gesehen haben. Ich kann nicht verstehen, dass SPD und Grüne, die die erfolgreiche Agenda 2010 in Deutschland mit begründet haben, davon heute nichts mehr wissen und alles wieder abwickeln wollen.
Frage: Aber Bürger haben Angst um ihre Spareinlagen und fürchten eine Überforderung Deutschlands. Glauben Sie noch an den Reformwillen der südeuropäischen Staaten?
WESTERWELLE: Ja, auch wenn die Stärke des Reformwillens von Land zu Land sicher
unterschiedlich ist. Bitte vergessen Sie nicht die Fortschritte in Portugal, Spanien oder Irland. Aber mich hat beispielsweise beunruhigt, dass die politischen Kräfte in Griechenland über einige Zeit ein Maß an Selbstbeschäftigung zeigten, das in einer so schwierigen Lage nicht angemessen ist, ehe sie sich nach den Wahlen auf ein notwendiges Sparpaket einigten.
Frage: Was wäre die Alternative?
WESTERWELLE: Wir wollen unsere Solidarität im Gegenzug für Solidität und Reformen nicht verweigern. Anderenfalls würden wir den Zerfall des Euros vorsätzlich in Kauf nehmen. Ich verstehe die Sorgen und Zweifel vieler Bürger und auch Abgeordneter. Wir müssen sie jeden Tag neu überzeugen! Denn ein Scheitern des Euro käme Deutschland ungleich teurer.
Frage: Die Troika prüft gerade, ob Griechenland mit seinen Reformen im Fahrplan liegt. Viele erwarten, dass die Troika das Gegenteil feststellt. Kann es dann weitere Hilfe für Athen geben?
WESTERWELLE: Ich spekuliere nicht über das Ergebnis des Troika-Berichts. Deren Experten müssen das erste Wort in der Sache haben. Der falsche Eindruck, wir hätten Griechenland abgeschrieben, würde dort nur den Kräften nützen, die eine Reformpolitik ablehnen. Entscheidend ist, dass sich jeder an das hält, was vereinbart wurde. Wir möchten, dass Griechenland im Euroraum bleibt. Der Schlüssel dafür liegt aber in Athen. Eines geht
nicht: Hilfsprogramme vereinbaren, aber die zugesicherten Reformen in Frage stellen.
Frage: Anders gefragt: Würde ein Austritt Griechenlands Sie noch schrecken?
WESTERWELLE: Nochmal, wir wollen, dass die Eurozone zusammen bleibt. Bei Ausbruch der
Schuldenkrise vor zwei Jahren wurde die Bundesregierung kritisiert, mit den Garantien nur Zeit zu kaufen. Ich habe das nie als Vorwurf verstanden. Denn wir haben die zwei Jahre genutzt, um die Eurozone zu stabilisieren und unkalkulierbare Risiken zu reduzieren.
Frage: Für Ihren Parteichef Philipp Rösler hat ein Austrittsszenario längst seinen Schrecken verloren. Hat er sich da zu weit vorgewagt?
WESTERWELLE: Die ganze Bundesregierung arbeitet daran, dass wir die Schuldenkrise in
Europa bewältigen und die Eurozone erhalten. Philipp Rösler hat völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass jede Hilfe davon abhängt, ob Zusagen eingehalten werden und die Reformpolitik umgesetzt wird.
Frage: Die CSU spekuliert ganz offen mit dem Austritt Griechenlands.
WESTERWELLE: Die Wirtschaft Deutschlands und auch Bayerns ist eng mit dem Schicksal
Europas verknüpft. Gerade ein so exportstarkes Bundesland wie Bayern braucht den Erfolg Europas. Wer politische Verantwortung trägt, sollte mit der Axt des schnellen Wortes nicht leichtfertig einreißen, was in Jahrzehnten in Europa mühsam aufgebaut wurde. Ressentiments schüren, um sich innenpolitische Stimmungsvorteile verschaffen, diese Zeit sollte in Europa endgültig vorbei sein.
Frage: In der EZB hat Deutschland ebenso wie Malta und Zypern nur eine Stimme. Ist das angesichts der Lastenverteilung in der Krise noch angemessen?
WESTERWELLE: Natürlich ist es seit Gründung Europas ein Problem, dass die wirtschaftlichen und demographischen Gewichte in manchen Gremien und Situationen nicht repräsentativ vertreten sind. Deutschland hatte hier, gemessen an seiner Wirtschaftsstärke und Bevölkerungszahl, sicher Nachholbedarf. Aber die Situation hat sich in den letzten beiden Jahren verbessert.
Frage: Wird die nächste Bundestagswahl eine Abstimmung über die Krisen-Politik
der Bundesregierung beim Euro?
WESTERWELLE: Meiner Partei möchte ich raten, in den Wahlkämpfen inhaltlich in die
Offensive zu gehen. Die FDP sollte die Risiken einer Überforderung des Staates und einer undisziplinierten Ausgabenpolitik zu einem zentralen Thema machen. Denn die Schuldenkrise in Europa ist Beweis für unsere liberale Überzeugung, dass nur ein schlanker und effizienter Staat ein starker Staat ist. Ein Staat, der auf Schulden setzt, ist auf Sand gebaut. Die Schuldenkrise führt allen die Grenzen des umverteilenden Staates vor Augen. Das sage ich als Liberaler, seitdem ich in der Politik bin: Alles was verteilt werden soll, muss erst erwirtschaftet werden. Der beste Beweis für die Wichtigkeit liberaler Verantwortung ist die Schuldenkrise in Europa.
Frage: Die Bürger verbinden mit der Krisenbewältigung zunächst die Kanzlerin und vielleicht noch den Finanzminister und weniger den Wirtschaftsminister oder Außenminister. Wie wollen Sie da als FDP bestehen?
WESTERWELLE: Natürlich erhalten in Krisenzeiten die Gipfel der Regierungschefs mehr
Aufmerksamkeit als die Kärrnerarbeit der Fachminister. Um es aber einmal auf den Punkt zu bringen: Ohne die FDP in der Bundesregierung hätten wir längst Euro-Bonds. Das wäre bei Rot-Grün und auch bei einer großen Koalition anders.
Frage: Ist Philipp Rösler der beste FDP-Spitzenkandidat für die Bundestagswahl 2013?
WESTERWELLE: Versuchen Sie es gar nicht erst...
Frage: ...Machen wir aber.
WESTERWELLE: Schön. Sie wissen, dass ich unsere Parteiführung und den Parteivorsitzenden unterstütze. Ich war selber zehn Jahre lang Parteivorsitzender mit sehr guten Wahlergebnissen und weiß noch, über welche Interviews ich mich am meisten geärgert habe. Ich bin als einfaches Parteimitglied und als Außenminister Diener im Weinberg Deutschlands und der liberalen Idee.
Frage: Wolfgang Kubicki wirbt für eine Ampel-Option nach der Bundestagswahl 2013. Was halten Sie von dieser Option für die FDP?
WESTERWELLE: Ich habe diese christlich-liberale Koalition mit begründet. Deutschland geht es so gut wie seit der deutschen Einheit nicht mehr. Die Arbeitslosigkeit sinkt, die Löhne steigen und die Finanzen sind wieder solide. Diese Koalition tut dem Land gut, allen Unkenrufen zum Trotz.
Frage: Was machen Sie denn im Insel-Urlaub – Gartenarbeit auf der Finca oder klingelt nur das Ministertelefon?
WESTERWELLE: Leider eher letzteres. Die Weltlage macht keine Urlaubspause. Die Schuldenkrise in Europa oder der Konflikt in Syrien erfordert täglich dutzende Telefonate. Für mich heißt Urlaub, dass ich etwas weniger arbeite. Aber ich jogge viel, esse geregelte Mahlzeiten und habe so schon vier Kilo abgenommen – auch schön.
Kontakt:
FDP
Thomas-Dehler-Haus, Reinhardtstrasse 14
10117 Berlin
Telefon: 030 - 28 49 58 43
Telefax: 030 - 28 49 58 42
Mail: presse@fdp.de
URL: http://www.fdp.de
Berlin. Das FDP-Präsidiumsmitglied Bundesaußenminister DR. GUIDO WESTERWELLE gab dem "Focus" (aktuelle Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellten DANIEL GOFFART und OLAF OPITZ:
Frage: Herr Minister, Sie machen gerade in Spanien Urlaub. Würden Sie spanische Staatsanleihen kaufen? Mehr als sieben Prozent Rendite sind doch kein schlechtes Geschäft.
WESTERWELLE: Ich bin Außenminister, kein Anlageberater. Was Spanien betrifft: Das Land hat eine starke Wirtschaft, es hat beachtliche Reformfortschritte gemacht und kann für ganz Europa eine Brücke auf den boomenden lateinamerikanischen Kontinent sein.
Frage: Das Vertrauen der Finanzmärkte in den Euro ist jedenfalls auf einem Tiefpunkt angelangt. Deutschland soll erneut die Rolle des Retters übernehmen. Sind die Erwartungen nicht zu hoch?
WESTERWELLE: Ich teile Ihre Einschätzung bezüglich des Euro nicht. Unsere Währung ist sehr stabil...
Frage: ...aber die hohen Zinsen für die Staatsanleihen der Krisenstaaten sprechen eine andere Sprache.
WESTERWELLE: Die Zinsen liegen ungefähr dort, wo sie vor der Einführung des Euro standen, das vergessen heute viele. Als der Euro kam, sanken die Zinsen in den meisten Ländern erheblich. Das hat einige Staaten verführt, sich lieber billig zu verschulden, als unangenehme Reformaufgaben anzupacken. Für dieses Versagen ihrer Regierungen zahlen die Bürger in den betroffenen Ländern heute einen bitteren Preis. Das tut mir für die Menschen Leid, aber eine durchgreifende Konsolidierung ist unverzichtbar. Man kann eine Staatsschuldenkrise nicht mit immer neuen Schulden lösen.
Frage: Angela Merkel hat bereits mehrfach vor einer Überforderung Deutschlands gewarnt…
WESTERWELLE: …Niemand kann übersehen, dass wir mit großen Beträgen haften. Allein für die bisherigen Hilfsprogramme haftet Deutschland mit über 150 Mrd Euro. Das ist viel...
Frage: ...aber nicht zuviel?
WESTERWELLE: Nein. Die deutsche Hilfe ist nicht ohne Risiko, aber im Ganzen verantwortbar. Ich sehe außerdem keine vernünftigen Alternativen, die mehr Aussicht auf Erfolg hätten und weniger Risiko bedeuten würden. Ein Scheitern des Euro würde unübersehbare wirtschaftliche und finanzielle Schäden verursachen. Das müssen alle Kritiker bedenken, die lieber Ressentiments schüren oder sich alter Klischees bedienen.
Frage: In Deutschland ist Kritik an der Euro-Rettung populär, auch der in Koalition.
WESTERWELLE: Konstruktive Kritik ist willkommen. Aber es gibt mir in ganz Europa zu viele Politiker, die auf dem Feuer der Krise ihr unappetitliches Süppchen der Renationalisierung kochen. Alle sollten darauf achten, was man sagt und wie man es sagt. Auch hier gilt: "Der Ton macht die Musik". Das wissen auch die vielen Millionen Deutschen, die jetzt ihren Urlaub in Europa genießen, frei reisen und in vielen Ländern mit ihrem Geld bezahlen können. Wir alle können heute unseren Arbeits- oder Studienort in ganz Europa frei wählen. Wenn wir einen Teil Europas in Frage stellen, kommt schnell alles auf die schiefe Bahn. Europa hat einen Preis, aber eben auch einen Wert. Das gilt für die Freiheit ebenso wie für den Erhalt deutscher Arbeitsplätze.
Frage: Nach dem Willen der meisten Euro-Länder soll der Rettungsfonds ESM in unbegrenzter Höhe Anleihen von den Krisenstaaten aufkaufen. Unterstützen Sie diesen Plan?
WESTERWELLE: Einer gesamtschuldnerischen Haftung für die Schulden Europas oder einer
Haftung für das Unbekannte kann die Bundesregierung nicht zustimmen. Das gilt auch für den derzeit diskutierten Vorschlag, den ESM mit einer Bankenlizenz auszustatten. Auch hier würden wir unbegrenzt für unbekannte Risiken haften. Das wäre auch mit unserer Verfassung nicht vereinbar.
Frage: SPD und Grüne, die bislang die Europapolitik der Bundesregierung gestützt haben, sprechen sich dafür aus.
WESTERWELLE: Unsere Oppositionsparteien lassen sich in dieser Frage zu stark von der
Verschuldungspolitik anderer Sozialisten in Europa vereinnahmen.
Frage: Gäbe es für eine solche Bankenlizenz des ESM überhaupt eine Bundestagsmehrheit?
WESTERWELLE: Der Bundestag ist Hüter der deutschen Steuergelder. Ich kann mir nicht
vorstellen, dass es für eine Politik der unbegrenzten gesamtschuldnerischen Haftung Deutschlands eine Mehrheit im Bundestag gibt. Ich als Abgeordneter könnte dem jedenfalls nicht zustimmen.
Frage: Wäre eine solche Haftungsübernahme denkbar, wenn die Fiskalunion vollendet wäre?
WESTERWELLE: Nein, das ist keine Frage des Zeitpunkts. Auch wenn Europa stärker integriert ist, wären Eurobonds oder die Haftungsübernahme für alle europäischen Schulden schwerwiegende Konstruktionsfehler. Europa kann auch an zu viel Solidarität scheitern, nämlich dann, wenn wir uns überfordern und die Reformbereitschaft der anderen unterfordern.
Frage: Die Anleger an den Märkten werden doch nicht eher Ruhe geben, bis sie Deutschland als stabilste und größte Wirtschaftsnation Europas mit in den Haftungsverbund für die europäischen Schulden getrieben haben. Jeder, der Geld verleiht, sucht nach maximaler Sicherheit.
WESTERWELLE: Ich glaube nicht an diese Verschwörungstheorie angeblicher Spekulanten. Die Anleger an den Märkten investieren auch das Geld von Pensionsfonds und Sparanlagen. Sie handeln rational und suchen nach möglichst sicheren Orten mit guter Verzinsung. Dennoch: Als verantwortlicher Politiker, der ein Anhänger der Sozialen Marktwirtschaft ist, ist es nicht meine Aufgabe, Märkte kurzfristig zu befriedigen oder einen Aktienindex zu stimulieren. Wir müssen nachhaltige Antworten auf die Schuldenkrise geben, die unsere Währung, Wirtschaft und unseren Wohlstand schützen.
Frage: Wie sollen die lauten?
WESTERWELLE: Nicht ‚more spending’, sondern ‚better spending’ heißt die Devise. Wir brauchen eine Agenda 2020 für mehr Wettbewerbsfähigkeit in ganz Europa. Wir brauchen durchgreifende Reformen in der ganzen Eurozone. Das braucht Zeit und erfordert Geduld, wie wir in Deutschland gesehen haben. Ich kann nicht verstehen, dass SPD und Grüne, die die erfolgreiche Agenda 2010 in Deutschland mit begründet haben, davon heute nichts mehr wissen und alles wieder abwickeln wollen.
Frage: Aber Bürger haben Angst um ihre Spareinlagen und fürchten eine Überforderung Deutschlands. Glauben Sie noch an den Reformwillen der südeuropäischen Staaten?
WESTERWELLE: Ja, auch wenn die Stärke des Reformwillens von Land zu Land sicher
unterschiedlich ist. Bitte vergessen Sie nicht die Fortschritte in Portugal, Spanien oder Irland. Aber mich hat beispielsweise beunruhigt, dass die politischen Kräfte in Griechenland über einige Zeit ein Maß an Selbstbeschäftigung zeigten, das in einer so schwierigen Lage nicht angemessen ist, ehe sie sich nach den Wahlen auf ein notwendiges Sparpaket einigten.
Frage: Was wäre die Alternative?
WESTERWELLE: Wir wollen unsere Solidarität im Gegenzug für Solidität und Reformen nicht verweigern. Anderenfalls würden wir den Zerfall des Euros vorsätzlich in Kauf nehmen. Ich verstehe die Sorgen und Zweifel vieler Bürger und auch Abgeordneter. Wir müssen sie jeden Tag neu überzeugen! Denn ein Scheitern des Euro käme Deutschland ungleich teurer.
Frage: Die Troika prüft gerade, ob Griechenland mit seinen Reformen im Fahrplan liegt. Viele erwarten, dass die Troika das Gegenteil feststellt. Kann es dann weitere Hilfe für Athen geben?
WESTERWELLE: Ich spekuliere nicht über das Ergebnis des Troika-Berichts. Deren Experten müssen das erste Wort in der Sache haben. Der falsche Eindruck, wir hätten Griechenland abgeschrieben, würde dort nur den Kräften nützen, die eine Reformpolitik ablehnen. Entscheidend ist, dass sich jeder an das hält, was vereinbart wurde. Wir möchten, dass Griechenland im Euroraum bleibt. Der Schlüssel dafür liegt aber in Athen. Eines geht
nicht: Hilfsprogramme vereinbaren, aber die zugesicherten Reformen in Frage stellen.
Frage: Anders gefragt: Würde ein Austritt Griechenlands Sie noch schrecken?
WESTERWELLE: Nochmal, wir wollen, dass die Eurozone zusammen bleibt. Bei Ausbruch der
Schuldenkrise vor zwei Jahren wurde die Bundesregierung kritisiert, mit den Garantien nur Zeit zu kaufen. Ich habe das nie als Vorwurf verstanden. Denn wir haben die zwei Jahre genutzt, um die Eurozone zu stabilisieren und unkalkulierbare Risiken zu reduzieren.
Frage: Für Ihren Parteichef Philipp Rösler hat ein Austrittsszenario längst seinen Schrecken verloren. Hat er sich da zu weit vorgewagt?
WESTERWELLE: Die ganze Bundesregierung arbeitet daran, dass wir die Schuldenkrise in
Europa bewältigen und die Eurozone erhalten. Philipp Rösler hat völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass jede Hilfe davon abhängt, ob Zusagen eingehalten werden und die Reformpolitik umgesetzt wird.
Frage: Die CSU spekuliert ganz offen mit dem Austritt Griechenlands.
WESTERWELLE: Die Wirtschaft Deutschlands und auch Bayerns ist eng mit dem Schicksal
Europas verknüpft. Gerade ein so exportstarkes Bundesland wie Bayern braucht den Erfolg Europas. Wer politische Verantwortung trägt, sollte mit der Axt des schnellen Wortes nicht leichtfertig einreißen, was in Jahrzehnten in Europa mühsam aufgebaut wurde. Ressentiments schüren, um sich innenpolitische Stimmungsvorteile verschaffen, diese Zeit sollte in Europa endgültig vorbei sein.
Frage: In der EZB hat Deutschland ebenso wie Malta und Zypern nur eine Stimme. Ist das angesichts der Lastenverteilung in der Krise noch angemessen?
WESTERWELLE: Natürlich ist es seit Gründung Europas ein Problem, dass die wirtschaftlichen und demographischen Gewichte in manchen Gremien und Situationen nicht repräsentativ vertreten sind. Deutschland hatte hier, gemessen an seiner Wirtschaftsstärke und Bevölkerungszahl, sicher Nachholbedarf. Aber die Situation hat sich in den letzten beiden Jahren verbessert.
Frage: Wird die nächste Bundestagswahl eine Abstimmung über die Krisen-Politik
der Bundesregierung beim Euro?
WESTERWELLE: Meiner Partei möchte ich raten, in den Wahlkämpfen inhaltlich in die
Offensive zu gehen. Die FDP sollte die Risiken einer Überforderung des Staates und einer undisziplinierten Ausgabenpolitik zu einem zentralen Thema machen. Denn die Schuldenkrise in Europa ist Beweis für unsere liberale Überzeugung, dass nur ein schlanker und effizienter Staat ein starker Staat ist. Ein Staat, der auf Schulden setzt, ist auf Sand gebaut. Die Schuldenkrise führt allen die Grenzen des umverteilenden Staates vor Augen. Das sage ich als Liberaler, seitdem ich in der Politik bin: Alles was verteilt werden soll, muss erst erwirtschaftet werden. Der beste Beweis für die Wichtigkeit liberaler Verantwortung ist die Schuldenkrise in Europa.
Frage: Die Bürger verbinden mit der Krisenbewältigung zunächst die Kanzlerin und vielleicht noch den Finanzminister und weniger den Wirtschaftsminister oder Außenminister. Wie wollen Sie da als FDP bestehen?
WESTERWELLE: Natürlich erhalten in Krisenzeiten die Gipfel der Regierungschefs mehr
Aufmerksamkeit als die Kärrnerarbeit der Fachminister. Um es aber einmal auf den Punkt zu bringen: Ohne die FDP in der Bundesregierung hätten wir längst Euro-Bonds. Das wäre bei Rot-Grün und auch bei einer großen Koalition anders.
Frage: Ist Philipp Rösler der beste FDP-Spitzenkandidat für die Bundestagswahl 2013?
WESTERWELLE: Versuchen Sie es gar nicht erst...
Frage: ...Machen wir aber.
WESTERWELLE: Schön. Sie wissen, dass ich unsere Parteiführung und den Parteivorsitzenden unterstütze. Ich war selber zehn Jahre lang Parteivorsitzender mit sehr guten Wahlergebnissen und weiß noch, über welche Interviews ich mich am meisten geärgert habe. Ich bin als einfaches Parteimitglied und als Außenminister Diener im Weinberg Deutschlands und der liberalen Idee.
Frage: Wolfgang Kubicki wirbt für eine Ampel-Option nach der Bundestagswahl 2013. Was halten Sie von dieser Option für die FDP?
WESTERWELLE: Ich habe diese christlich-liberale Koalition mit begründet. Deutschland geht es so gut wie seit der deutschen Einheit nicht mehr. Die Arbeitslosigkeit sinkt, die Löhne steigen und die Finanzen sind wieder solide. Diese Koalition tut dem Land gut, allen Unkenrufen zum Trotz.
Frage: Was machen Sie denn im Insel-Urlaub – Gartenarbeit auf der Finca oder klingelt nur das Ministertelefon?
WESTERWELLE: Leider eher letzteres. Die Weltlage macht keine Urlaubspause. Die Schuldenkrise in Europa oder der Konflikt in Syrien erfordert täglich dutzende Telefonate. Für mich heißt Urlaub, dass ich etwas weniger arbeite. Aber ich jogge viel, esse geregelte Mahlzeiten und habe so schon vier Kilo abgenommen – auch schön.
Kontakt:
FDP
Thomas-Dehler-Haus, Reinhardtstrasse 14
10117 Berlin
Telefon: 030 - 28 49 58 43
Telefax: 030 - 28 49 58 42
Mail: presse@fdp.de
URL: http://www.fdp.de
Über FDP:
Eine Geschichte als Herausforderung.
Der Liberalismus begann seinen historischen Weg als Philosophie der Freiheit und als politische Bewegung für die Rechte des Einzelnen. Die Willkürherrschaft des Absolutismus stand im Widerspruch zur Idee einer freiheitlichen Gesellschaft. Mit dem Verfassungsstaat hat der Liberalismus den Absolutismus überwunden.
Als erste politische Bewegung hat der Liberalismus dem einzelnen Bürger, seiner menschlichen Würde und seinen Menschenrechten der Freiheit und Gleichheit Vorrang vor der Macht des Staates eingeräumt. Schritt für Schritt verwirklichten Liberale den modernen Verfassungsstaat mit individuellen Grundrechten, der freien Entfaltung der Persönlichkeit, dem Schutz von Minderheiten, der Gewaltenteilung und der Rechtsbindung staatlicher Gewalt.
Der Liberalismus hat als Freiheitsbewegung nicht nur für die Gleichheit vor dem Gesetz gekämpft, sondern auch für Chancengleichheit in der Gesellschaft. Mit der Marktwirtschaft und ihrer sozialen Verpflichtung hat der Liberalismus neue Chancen gegen Existenznot und konservative Erstarrung der gesellschaftlichen Strukturen eröffnet.
Die liberale Verfassung unserer Bundesrepublik Deutschland hat mehr demokratische Stabilität, mehr allgemeinen Wohlstand, mehr soziale Gerechtigkeit und Rechtsstaatlichkeit hervorgebracht, als dies je zuvor in der Geschichte der Fall gewesen ist. Und dennoch ist die Idee der Freiheit den schleichenden Gefahren der Gewöhnung und Geringschätzung ausgesetzt. Weniger Teilhabe am demokratischen Staat, weniger Chancen für ein selbstbestimmtes Leben durch weniger Chancen auf einen sicheren Arbeitsplatz, Entmündigungen durch kollektive Zwangssysteme und bevormundende Bürokratie sind neue Bedrohungen der Freiheit.
Liberale haben nach 1945 der Idee der Freiheit zum erneuten Durchbruch verholfen. Die FDP war stets der Motor für Reformen, wenn es um Richtungsentscheidungen zugunsten der Freiheit ging. Nur durch die FDP konnte in den fünfziger Jahren die Soziale Marktwirtschaft gegen die Sozialdemokraten und Teile der Christdemokraten durchgesetzt werden. Nur durch die FDP konnte sich in den siebziger Jahren mehr Bürgerfreiheit gegen konservative Rechts- und Gesellschaftspolitik durchsetzen. Die Liberalen waren Vorreiter für die Demokratisierung und Liberalisierung der Gesellschaft, gegen obrigkeits- staatliche Bevormundung und Engstirnigkeit. Unsere Politik der marktwirtschaftlichen Erneuerung in den achtziger Jahren brachte neue Arbeitsplätze und mehr Wohlstand für mehr Bürger.
Ein großer Teil des Widerstands gegen das sozialistische Staatswesen erwuchs aus der Attraktivität des freiheitlich-liberalen Gesellschafts- und Wirtschaftssystems. Das in den europäischen Integrationsprozeß eingebettete, vereinte Deutschland ist das freiheitlichste unserer Geschichte.
Firmenkontakt:
FDP
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Eine Geschichte als Herausforderung.
Der Liberalismus begann seinen historischen Weg als Philosophie der Freiheit und als politische Bewegung für die Rechte des Einzelnen. Die Willkürherrschaft des Absolutismus stand im Widerspruch zur Idee einer freiheitlichen Gesellschaft. Mit dem Verfassungsstaat hat der Liberalismus den Absolutismus überwunden.
Als erste politische Bewegung hat der Liberalismus dem einzelnen Bürger, seiner menschlichen Würde und seinen Menschenrechten der Freiheit und Gleichheit Vorrang vor der Macht des Staates eingeräumt. Schritt für Schritt verwirklichten Liberale den modernen Verfassungsstaat mit individuellen Grundrechten, der freien Entfaltung der Persönlichkeit, dem Schutz von Minderheiten, der Gewaltenteilung und der Rechtsbindung staatlicher Gewalt.
Der Liberalismus hat als Freiheitsbewegung nicht nur für die Gleichheit vor dem Gesetz gekämpft, sondern auch für Chancengleichheit in der Gesellschaft. Mit der Marktwirtschaft und ihrer sozialen Verpflichtung hat der Liberalismus neue Chancen gegen Existenznot und konservative Erstarrung der gesellschaftlichen Strukturen eröffnet.
Die liberale Verfassung unserer Bundesrepublik Deutschland hat mehr demokratische Stabilität, mehr allgemeinen Wohlstand, mehr soziale Gerechtigkeit und Rechtsstaatlichkeit hervorgebracht, als dies je zuvor in der Geschichte der Fall gewesen ist. Und dennoch ist die Idee der Freiheit den schleichenden Gefahren der Gewöhnung und Geringschätzung ausgesetzt. Weniger Teilhabe am demokratischen Staat, weniger Chancen für ein selbstbestimmtes Leben durch weniger Chancen auf einen sicheren Arbeitsplatz, Entmündigungen durch kollektive Zwangssysteme und bevormundende Bürokratie sind neue Bedrohungen der Freiheit.
Liberale haben nach 1945 der Idee der Freiheit zum erneuten Durchbruch verholfen. Die FDP war stets der Motor für Reformen, wenn es um Richtungsentscheidungen zugunsten der Freiheit ging. Nur durch die FDP konnte in den fünfziger Jahren die Soziale Marktwirtschaft gegen die Sozialdemokraten und Teile der Christdemokraten durchgesetzt werden. Nur durch die FDP konnte sich in den siebziger Jahren mehr Bürgerfreiheit gegen konservative Rechts- und Gesellschaftspolitik durchsetzen. Die Liberalen waren Vorreiter für die Demokratisierung und Liberalisierung der Gesellschaft, gegen obrigkeits- staatliche Bevormundung und Engstirnigkeit. Unsere Politik der marktwirtschaftlichen Erneuerung in den achtziger Jahren brachte neue Arbeitsplätze und mehr Wohlstand für mehr Bürger.
Ein großer Teil des Widerstands gegen das sozialistische Staatswesen erwuchs aus der Attraktivität des freiheitlich-liberalen Gesellschafts- und Wirtschaftssystems. Das in den europäischen Integrationsprozeß eingebettete, vereinte Deutschland ist das freiheitlichste unserer Geschichte.
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